p2c_731.001 ein Strahl gesandt zum Brennen nicht, nur zum Erleuchten." p2c_731.002 - Das letztere charakterisirt das anthologische p2c_731.003 Epigramm, welches oft mehr beschreibend ist, als didaktisch.p2c_731.004 Jn so fern es schnell erleuchtet, hat es p2c_731.005 etwas von der Natur des eigentlichen Sinngedichts. - p2c_731.006 Der ästhetische Jnhalt des Epigramms ist das p2c_731.007 niedliche. Dieses muß in der Regel herrschen, und das p2c_731.008 Ganze bestimmen. Denn es wird eine Totalität im kleinen p2c_731.009 vollendet dargestellt. Das naive, das sanfte,p2c_731.010 das witzige, das satyrische sind alles Empfindungen, p2c_731.011 welche abwechseln oder bey einander seyn können. Auch p2c_731.012 giebt es einige Epigramme, die sich dem höhern Schönen p2c_731.013 nähern. Der Styl des Epigramms ist mannichfaltig. p2c_731.014 Er bedarf indeß besonders der Figuren, welche das Verstandesspiel p2c_731.015 und den Scherz herausheben, z. B. die Antithese, p2c_731.016 der Climax, die Jronie u. s. w. Sunt bona, sunt p2c_731.017 quaedam mediocria, sunt mala plura, quae legis p2c_731.018 hic: aliter non fit, Avite, liber. Martial. Uebrigens p2c_731.019 erheischt schon der Charakter des Niedlichen eine p2c_731.020 vollkommene Tadellosigkeit im Ausdrucke. Simplicität ist p2c_731.021 in so fern gut, weil sie die Uebersicht des Ganzen erleichtert, p2c_731.022 und eine schnelle Uebersicht wird gerade verlangt. Das p2c_731.023 Metrum muß auch so beschaffen seyn, daß sich eine ganze p2c_731.024 Periode darin zusammendrängen läßt. Z. B. elegische Disticha, p2c_731.025 wie die Alten. Hende casyllaba, weil sie den Charakter p2c_731.026 der Naivität haben. - Die neuern gebrauchen kurze p2c_731.027 Reime. Als zufällige Formen nimmt das Epigramm den p2c_731.028 Dialog, die Erzählung an, und andre mehr. Zuweilen
p2c_731.001 ein Strahl gesandt zum Brennen nicht, nur zum Erleuchten.“ p2c_731.002 ─ Das letztere charakterisirt das anthologische p2c_731.003 Epigramm, welches oft mehr beschreibend ist, als didaktisch.p2c_731.004 Jn so fern es schnell erleuchtet, hat es p2c_731.005 etwas von der Natur des eigentlichen Sinngedichts. ─ p2c_731.006 Der ästhetische Jnhalt des Epigramms ist das p2c_731.007 niedliche. Dieses muß in der Regel herrschen, und das p2c_731.008 Ganze bestimmen. Denn es wird eine Totalität im kleinen p2c_731.009 vollendet dargestellt. Das naive, das sanfte,p2c_731.010 das witzige, das satyrische sind alles Empfindungen, p2c_731.011 welche abwechseln oder bey einander seyn können. Auch p2c_731.012 giebt es einige Epigramme, die sich dem höhern Schönen p2c_731.013 nähern. Der Styl des Epigramms ist mannichfaltig. p2c_731.014 Er bedarf indeß besonders der Figuren, welche das Verstandesspiel p2c_731.015 und den Scherz herausheben, z. B. die Antithese, p2c_731.016 der Climax, die Jronie u. s. w. Sunt bona, sunt p2c_731.017 quaedam mediocria, sunt mala plura, quae legis p2c_731.018 hic: aliter non fit, Avite, liber. Martial. Uebrigens p2c_731.019 erheischt schon der Charakter des Niedlichen eine p2c_731.020 vollkommene Tadellosigkeit im Ausdrucke. Simplicität ist p2c_731.021 in so fern gut, weil sie die Uebersicht des Ganzen erleichtert, p2c_731.022 und eine schnelle Uebersicht wird gerade verlangt. Das p2c_731.023 Metrum muß auch so beschaffen seyn, daß sich eine ganze p2c_731.024 Periode darin zusammendrängen läßt. Z. B. elegische Disticha, p2c_731.025 wie die Alten. Hende casyllaba, weil sie den Charakter p2c_731.026 der Naivität haben. ─ Die neuern gebrauchen kurze p2c_731.027 Reime. Als zufällige Formen nimmt das Epigramm den p2c_731.028 Dialog, die Erzählung an, und andre mehr. Zuweilen
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Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Zweiter Theil. Leipzig, 1804, S. 731. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik02_1804/255>, abgerufen am 16.02.2025.
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