p2c_669.002 Da die Schauspielkunst mit der Oper verbunden p2c_669.003 wird, diese aber wenn auch nicht eine vollkommene p2c_669.004 Jllusion, wenigstens einen Grad von Täuschung p2c_669.005 und Wahrscheinlichkeit verlangt, so muß der Jnhaltp2c_669.006 der eigentlichen Oper so beschaffen seyn, daß man p2c_669.007 sich die Theilnahme der Musik als Hauptkunst erklären p2c_669.008 könne. Daher sollte der Stoff der wahren p2c_669.009 opera seria aus der Wunderwelt genommen seyn. p2c_669.010 Mit der opera buffa braucht man es indeß nicht so genau p2c_669.011 zu nehmen.
p2c_669.012 Anmerk. St. Evremond und mehrere Kunstrichter p2c_669.013 haben bekanntlich die Oper für eine ganz ungereimtep2c_669.014 Erfindung ausgeben wollen. Nach St. Evremond ist die p2c_669.015 Oper nichts anders, als ein lustiges Werk, worinnen Dichter p2c_669.016 und Tonkünstler sich einander im Wege stehn, und sich p2c_669.017 gleich stark bemühn, eine schlechte Arbeit zu Stande zu p2c_669.018 bringen. Dieser Kritiker findet es lächerlich, daß man das p2c_669.019 ganze Stück absingt, daß man Befehle nach dem Takt giebt p2c_669.020 u. s. w. Allein es müssen hier viele Fälle unterschieden p2c_669.021 werden. 1) Die Opera seria oder die ernsthafte Oper verlangt p2c_669.022 wegen der ernsten Empfindung, die sie in uns erhalten p2c_669.023 soll, einen Grad von Wahrscheinlichkeit, und einen p2c_669.024 sorgfältigen Plan. Die Musik soll daran als Hauptkunst p2c_669.025 Theil nehmen. Sie soll gleichsam der Aether seyn, in
p2c_669.001 §. 2.
p2c_669.002 Da die Schauspielkunst mit der Oper verbunden p2c_669.003 wird, diese aber wenn auch nicht eine vollkommene p2c_669.004 Jllusion, wenigstens einen Grad von Täuschung p2c_669.005 und Wahrscheinlichkeit verlangt, so muß der Jnhaltp2c_669.006 der eigentlichen Oper so beschaffen seyn, daß man p2c_669.007 sich die Theilnahme der Musik als Hauptkunst erklären p2c_669.008 könne. Daher sollte der Stoff der wahren p2c_669.009 opera seria aus der Wunderwelt genommen seyn. p2c_669.010 Mit der opera buffa braucht man es indeß nicht so genau p2c_669.011 zu nehmen.
p2c_669.012 Anmerk. St. Evremond und mehrere Kunstrichter p2c_669.013 haben bekanntlich die Oper für eine ganz ungereimtep2c_669.014 Erfindung ausgeben wollen. Nach St. Evremond ist die p2c_669.015 Oper nichts anders, als ein lustiges Werk, worinnen Dichter p2c_669.016 und Tonkünstler sich einander im Wege stehn, und sich p2c_669.017 gleich stark bemühn, eine schlechte Arbeit zu Stande zu p2c_669.018 bringen. Dieser Kritiker findet es lächerlich, daß man das p2c_669.019 ganze Stück absingt, daß man Befehle nach dem Takt giebt p2c_669.020 u. s. w. Allein es müssen hier viele Fälle unterschieden p2c_669.021 werden. 1) Die Opera seria oder die ernsthafte Oper verlangt p2c_669.022 wegen der ernsten Empfindung, die sie in uns erhalten p2c_669.023 soll, einen Grad von Wahrscheinlichkeit, und einen p2c_669.024 sorgfältigen Plan. Die Musik soll daran als Hauptkunst p2c_669.025 Theil nehmen. Sie soll gleichsam der Aether seyn, in
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Erfindung ausgeben wollen. Nach St. Evremond ist die p2c_669.015
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Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Zweiter Theil. Leipzig, 1804, S. 669. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik02_1804/193>, abgerufen am 16.02.2025.
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