Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Zweiter Theil. Leipzig, 1804.p2c_626.001 p2c_626.001 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0150" n="626"/><lb n="p2c_626.001"/> sind Behelfe des Dichters, damit man die Gesinnungen der <lb n="p2c_626.002"/> handelnden Personen erfahre. Allein sie sind unnütz und <lb n="p2c_626.003"/> erschweren die Uebersicht des Ganzen, weil man nicht weiß, <lb n="p2c_626.004"/> wie viel sie zur Handlung beytragen werden. Auch hierinnen <lb n="p2c_626.005"/> war der <hi rendition="#g">Chor</hi> der Alten gut. Er vertrat die Stelle <lb n="p2c_626.006"/> der Vertrauten, die <hi rendition="#g">handelnden</hi> Personen klagten ihm <lb n="p2c_626.007"/> ihr Leid, er ermahnt, tröstet sie, hierdurch ward das Unnatürliche <lb n="p2c_626.008"/> der vielen Monologen gemildert, und dennoch die <lb n="p2c_626.009"/> Aufmerksamkeit durch keine überflüssigen Charaktere von den <lb n="p2c_626.010"/> Hauptcharakteren abgelenkt. ─ Ferner wird die <hi rendition="#g">Einfachheit</hi> <lb n="p2c_626.011"/> der Handlung gestöhrt, wenn zwar nicht ganz <lb n="p2c_626.012"/> <hi rendition="#g">unthätige,</hi> aber doch solche Nebenpersonen mit vorkommen, <lb n="p2c_626.013"/> die ihre Plane für sich haben, auf die man aufmerksam <lb n="p2c_626.014"/> gemacht wird. Shakespear und andre romantische <lb n="p2c_626.015"/> Tragiker versahn es hierinnen nicht selten, selbst Corneille <lb n="p2c_626.016"/> im Cid hat die Liebe der Jnfantin ohne Grund mit eingewebt. <lb n="p2c_626.017"/> Die Alten sind auch hier einfacher. Personen, wie Hämon <lb n="p2c_626.018"/> in der Antigone kommen selten vor, und dieser ist doch auch <lb n="p2c_626.019"/> nicht ganz unnütz. Antigone ist zwar über allen Kampf <lb n="p2c_626.020"/> erhaben, indeß vermehrt das Verhältniß mit Hämon das <lb n="p2c_626.021"/> Hauptinteresse, und die Heldin selbst nimmt oft auf das <lb n="p2c_626.022"/> Glück Rücksicht, dem sie entsagen muß, z. B. 816. <foreign xml:lang="grc">Αχεροντι</foreign> <lb n="p2c_626.023"/> <foreign xml:lang="grc">νυμφευσω</foreign> ─ ─ <foreign xml:lang="grc">ανυμεναιος αγομαι</foreign>. Auch wird <lb n="p2c_626.024"/> Creon durch des Hämon Tod wegen seiner Halsstarrigkeit <lb n="p2c_626.025"/> bestraft. Hämon kann also da seyn im Plane des Stücks, <lb n="p2c_626.026"/> er hätte auch den einfachen herrlichen Charakter zeigen müssen, <lb n="p2c_626.027"/> den er entwickelt. Er hätte aber mehr mit der Antigone <lb n="p2c_626.028"/> selbst in Verhältnisse gebracht werden sollen. Man </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [626/0150]
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sind Behelfe des Dichters, damit man die Gesinnungen der p2c_626.002
handelnden Personen erfahre. Allein sie sind unnütz und p2c_626.003
erschweren die Uebersicht des Ganzen, weil man nicht weiß, p2c_626.004
wie viel sie zur Handlung beytragen werden. Auch hierinnen p2c_626.005
war der Chor der Alten gut. Er vertrat die Stelle p2c_626.006
der Vertrauten, die handelnden Personen klagten ihm p2c_626.007
ihr Leid, er ermahnt, tröstet sie, hierdurch ward das Unnatürliche p2c_626.008
der vielen Monologen gemildert, und dennoch die p2c_626.009
Aufmerksamkeit durch keine überflüssigen Charaktere von den p2c_626.010
Hauptcharakteren abgelenkt. ─ Ferner wird die Einfachheit p2c_626.011
der Handlung gestöhrt, wenn zwar nicht ganz p2c_626.012
unthätige, aber doch solche Nebenpersonen mit vorkommen, p2c_626.013
die ihre Plane für sich haben, auf die man aufmerksam p2c_626.014
gemacht wird. Shakespear und andre romantische p2c_626.015
Tragiker versahn es hierinnen nicht selten, selbst Corneille p2c_626.016
im Cid hat die Liebe der Jnfantin ohne Grund mit eingewebt. p2c_626.017
Die Alten sind auch hier einfacher. Personen, wie Hämon p2c_626.018
in der Antigone kommen selten vor, und dieser ist doch auch p2c_626.019
nicht ganz unnütz. Antigone ist zwar über allen Kampf p2c_626.020
erhaben, indeß vermehrt das Verhältniß mit Hämon das p2c_626.021
Hauptinteresse, und die Heldin selbst nimmt oft auf das p2c_626.022
Glück Rücksicht, dem sie entsagen muß, z. B. 816. Αχεροντι p2c_626.023
νυμφευσω ─ ─ ανυμεναιος αγομαι. Auch wird p2c_626.024
Creon durch des Hämon Tod wegen seiner Halsstarrigkeit p2c_626.025
bestraft. Hämon kann also da seyn im Plane des Stücks, p2c_626.026
er hätte auch den einfachen herrlichen Charakter zeigen müssen, p2c_626.027
den er entwickelt. Er hätte aber mehr mit der Antigone p2c_626.028
selbst in Verhältnisse gebracht werden sollen. Man
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