Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Zweiter Theil. Leipzig, 1804.p2c_601.001 p2c_601.022 p2c_601.023 p2c_601.001 p2c_601.022 p2c_601.023 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0125" n="601"/><lb n="p2c_601.001"/> Zumal bey den Griechen war das Schicksal des Leichnams <lb n="p2c_601.002"/> nicht gleichgültig. Eins fließt in der Jliade aus dem andern. <lb n="p2c_601.003"/> Aus dem Zorn des Achills, der nicht selber kämpfen <lb n="p2c_601.004"/> will, folgt die Niederlage der Griechen, die Absendung und <lb n="p2c_601.005"/> der Tod des Patroclus, daraus der Tod und das Begräbniß <lb n="p2c_601.006"/> Hectors. Nur hier endigen sich alle Folgen des <hi rendition="#g">Zankes</hi> <lb n="p2c_601.007"/> im ersten Buche. ─ Aber das Ende des Gedichts <lb n="p2c_601.008"/> darf auch nicht zu <hi rendition="#g">wenig</hi> enthalten. Man tadelt es am <lb n="p2c_601.009"/> Don Carlos, daß man über das Schicksal des Prinzen am <lb n="p2c_601.010"/> Ende keine völlige Auskunft erhält, an Wallenstein, daß <lb n="p2c_601.011"/> die Thecla verschwindet. So lange der Verstand noch nach <lb n="p2c_601.012"/> etwas zu fragen hat, kann auch die Empfindung des Schönen <lb n="p2c_601.013"/> nicht vollkommen seyn, die ihre letzte Höhe am Ende <lb n="p2c_601.014"/> des historischen Gedichts erreichen soll. 4) Jn dem historischen <lb n="p2c_601.015"/> Gedicht muß bey der Auflösung eine Stimmung zurückbleiben, <lb n="p2c_601.016"/> die wenn auch der Ausgang schauerlich ist, doch <lb n="p2c_601.017"/> eine gewisse Ruhe wegen Harmonie des Schicksals mit der <lb n="p2c_601.018"/> Ordnung in unserm Geiste giebt. Diese höhere <hi rendition="#g">Harmonie</hi> <lb n="p2c_601.019"/> giebt bey höhern historischen Gedichten die Empfindung <lb n="p2c_601.020"/> des Erhabenen, bey niedern die des reizend und lebendig <lb n="p2c_601.021"/> Schönen.</p> <p> <hi rendition="#c"><lb n="p2c_601.022"/> §. 3.</hi> </p> <p><lb n="p2c_601.023"/> Da der <hi rendition="#g">historische</hi> Dichter entweder die menschliche <lb n="p2c_601.024"/> <hi rendition="#g">Freyheit</hi> in ihren höhern Kämpfen darstellen, <lb n="p2c_601.025"/> und damit die Empfindung des rührend Schönen erwecken, <lb n="p2c_601.026"/> oder nur die Thätigkeit des <hi rendition="#g">niedern Be= </hi></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [601/0125]
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Zumal bey den Griechen war das Schicksal des Leichnams p2c_601.002
nicht gleichgültig. Eins fließt in der Jliade aus dem andern. p2c_601.003
Aus dem Zorn des Achills, der nicht selber kämpfen p2c_601.004
will, folgt die Niederlage der Griechen, die Absendung und p2c_601.005
der Tod des Patroclus, daraus der Tod und das Begräbniß p2c_601.006
Hectors. Nur hier endigen sich alle Folgen des Zankes p2c_601.007
im ersten Buche. ─ Aber das Ende des Gedichts p2c_601.008
darf auch nicht zu wenig enthalten. Man tadelt es am p2c_601.009
Don Carlos, daß man über das Schicksal des Prinzen am p2c_601.010
Ende keine völlige Auskunft erhält, an Wallenstein, daß p2c_601.011
die Thecla verschwindet. So lange der Verstand noch nach p2c_601.012
etwas zu fragen hat, kann auch die Empfindung des Schönen p2c_601.013
nicht vollkommen seyn, die ihre letzte Höhe am Ende p2c_601.014
des historischen Gedichts erreichen soll. 4) Jn dem historischen p2c_601.015
Gedicht muß bey der Auflösung eine Stimmung zurückbleiben, p2c_601.016
die wenn auch der Ausgang schauerlich ist, doch p2c_601.017
eine gewisse Ruhe wegen Harmonie des Schicksals mit der p2c_601.018
Ordnung in unserm Geiste giebt. Diese höhere Harmonie p2c_601.019
giebt bey höhern historischen Gedichten die Empfindung p2c_601.020
des Erhabenen, bey niedern die des reizend und lebendig p2c_601.021
Schönen.
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§. 3.
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Da der historische Dichter entweder die menschliche p2c_601.024
Freyheit in ihren höhern Kämpfen darstellen, p2c_601.025
und damit die Empfindung des rührend Schönen erwecken, p2c_601.026
oder nur die Thätigkeit des niedern Be=
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