p1c_437.001 feinstem Gefühl. Der Dichter rührt nicht allein. Sondern p1c_437.002 Teone bewegt und besänftigt das Herz. Man sieht p1c_437.003 also, daß der Deklamator nicht nur Talent, eine wohlklingende, p1c_437.004 gefühlvolle Stimme, sondern auch einen Grad genialischer p1c_437.005 Wärme haben müsse, der sich nicht durch Regeln p1c_437.006 mittheilen läßt. Jndeß, wie es eine Poetik giebt, die p1c_437.007 blos die Wunder der Poesie nach psychologischen Hypothesen p1c_437.008 betrachtet, und dem Dichter beschränkende negativep1c_437.009 Regeln giebt, so kann es auch eine Theorie der Deklamation p1c_437.010 geben, welche ihre Grundsätze aus der Poetik nimmt p1c_437.011 und dem Deklamator auf den richtigen Weg helfen kann. p1c_437.012 Man hat neuerlich mehrere Versuche gemacht, die Theoriep1c_437.013 der Deklamation festzusetzen. Jos. Steele in England p1c_437.014 und bey uns Schocher haben Vorschläge gethan, die Arten, p1c_437.015 Gänge und Beugungen der Rede anschaulich zu machen, p1c_437.016 und nach Art der Tonkunst zu zeichnen. Um Versuche p1c_437.017 dieser Art aus einem richtigen Gesichtspunkt anzusehen, bemerke p1c_437.018 man folgendes. 1) Man muß mehr, als bisher geschehen p1c_437.019 ist, die Deklamation und Action unterscheiden. Die p1c_437.020 Beredsamkeit bedarf einer andern Deklamation als die Poesie. p1c_437.021 Mithin müssen die Regeln für beyde Künste verschieden p1c_437.022 seyn. Die Action und der Vortrag des Redners wird durch p1c_437.023 tausend Nebenumstände bestimmt, auf welche bey der Recitation p1c_437.024 eines Gedichts nicht Rücksicht genommen zu werden p1c_437.025 braucht. Sie hat eine bestimmte Zweckmäßigkeit und ist p1c_437.026 gar nicht als freye Kunst zu betrachten, so wenig wie die p1c_437.027 Beredsamkeit, der sie dient. Macht man also Eintheilungen p1c_437.028 in Haupttöne, wie z. B. in den erzählenden, Lehrton,
p1c_437.001 feinstem Gefühl. Der Dichter rührt nicht allein. Sondern p1c_437.002 Teone bewegt und besänftigt das Herz. Man sieht p1c_437.003 also, daß der Deklamator nicht nur Talent, eine wohlklingende, p1c_437.004 gefühlvolle Stimme, sondern auch einen Grad genialischer p1c_437.005 Wärme haben müsse, der sich nicht durch Regeln p1c_437.006 mittheilen läßt. Jndeß, wie es eine Poetik giebt, die p1c_437.007 blos die Wunder der Poesie nach psychologischen Hypothesen p1c_437.008 betrachtet, und dem Dichter beschränkende negativep1c_437.009 Regeln giebt, so kann es auch eine Theorie der Deklamation p1c_437.010 geben, welche ihre Grundsätze aus der Poetik nimmt p1c_437.011 und dem Deklamator auf den richtigen Weg helfen kann. p1c_437.012 Man hat neuerlich mehrere Versuche gemacht, die Theoriep1c_437.013 der Deklamation festzusetzen. Jos. Steele in England p1c_437.014 und bey uns Schocher haben Vorschläge gethan, die Arten, p1c_437.015 Gänge und Beugungen der Rede anschaulich zu machen, p1c_437.016 und nach Art der Tonkunst zu zeichnen. Um Versuche p1c_437.017 dieser Art aus einem richtigen Gesichtspunkt anzusehen, bemerke p1c_437.018 man folgendes. 1) Man muß mehr, als bisher geschehen p1c_437.019 ist, die Deklamation und Action unterscheiden. Die p1c_437.020 Beredsamkeit bedarf einer andern Deklamation als die Poesie. p1c_437.021 Mithin müssen die Regeln für beyde Künste verschieden p1c_437.022 seyn. Die Action und der Vortrag des Redners wird durch p1c_437.023 tausend Nebenumstände bestimmt, auf welche bey der Recitation p1c_437.024 eines Gedichts nicht Rücksicht genommen zu werden p1c_437.025 braucht. Sie hat eine bestimmte Zweckmäßigkeit und ist p1c_437.026 gar nicht als freye Kunst zu betrachten, so wenig wie die p1c_437.027 Beredsamkeit, der sie dient. Macht man also Eintheilungen p1c_437.028 in Haupttöne, wie z. B. in den erzählenden, Lehrton,
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feinstem Gefühl. Der Dichter rührt nicht allein. Sondern p1c_437.002
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ist, die Deklamation und Action unterscheiden. Die p1c_437.020
Beredsamkeit bedarf einer andern Deklamation als die Poesie. p1c_437.021
Mithin müssen die Regeln für beyde Künste verschieden p1c_437.022
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Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804, S. 437. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik01_1804/495>, abgerufen am 09.11.2024.
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