Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804.

Bild:
<< vorherige Seite

p1c_385.001
sind, die jeden Fuß des Verses durch ein Wort bezeichnen. p1c_385.002
Illico mulcent aures dulcia carmina divum. Hier congruiren p1c_385.003
Rhythmus und Metrum, da die Endigung der p1c_385.004
Worte sehr viel zur Bestimmung des freyen Rhythmus beyträgt, p1c_385.005
- und dies ist fehlerhaft. Das Metrum bindet p1c_385.006
hier den Rhythmus und benimmt ihm völlig seine Freyheit.

p1c_385.007
Anmerk. 2. Das Metrum nimmt also eine absolute p1c_385.008
Kürze in der Zeit als Grundmaaß an. Das Verhältniß p1c_385.009
jeder Sylbe der Sprache zu diesem Grundmaaß heißt p1c_385.010
deren Quantität, und die Lehre von der Quantität der Sylben p1c_385.011
in einer Sprache, deren Prosodie, ein Theil ihrer p1c_385.012
Grammatik. Nun giebt es aber in keiner Sprache eine p1c_385.013
Quantität der Sylben, welche für alle Fälle unabänderlich p1c_385.014
bestimmt wäre. Es giebt und kann auch eigentlich keine p1c_385.015
absolute Kürze geben. Hephästion macht uns zwar eine p1c_385.016
stattliche Beschreibung von der kurzen Sylbe in der griechischen p1c_385.017
Sprache, die Longin sehr befriedigend findet. Allein p1c_385.018
selbst bey den Griechen bestimmt sehr oft das Metrum erst p1c_385.019
die Quantität und macht eine ursprünglich kurze Sylbe lang: p1c_385.020
ta ~pe~ri kala reethra. Il. XXI. 352. prnos onikonn Peleos. p1c_385.021
Il. IX. 147. epeide neas te kai Ellesponton p1c_385.022
ikonto. Il. XXIII. 2. aidoios te moi essi phile ekure p1c_385.023
deinos te. Il. III
. 172. Hier macht der Jctus oder die p1c_385.024
Arsis des Verses, an deren Gang schon das Ohr gewöhnt p1c_385.025
ist, daß man eine ganz kurze Sylbe für nothwendig lang

p1c_385.001
sind, die jeden Fuß des Verses durch ein Wort bezeichnen. p1c_385.002
Illico mulcent aures dulcia carmina divum. Hier congruiren p1c_385.003
Rhythmus und Metrum, da die Endigung der p1c_385.004
Worte sehr viel zur Bestimmung des freyen Rhythmus beyträgt, p1c_385.005
─ und dies ist fehlerhaft. Das Metrum bindet p1c_385.006
hier den Rhythmus und benimmt ihm völlig seine Freyheit.

p1c_385.007
Anmerk. 2. Das Metrum nimmt also eine absolute p1c_385.008
Kürze in der Zeit als Grundmaaß an. Das Verhältniß p1c_385.009
jeder Sylbe der Sprache zu diesem Grundmaaß heißt p1c_385.010
deren Quantität, und die Lehre von der Quantität der Sylben p1c_385.011
in einer Sprache, deren Prosodie, ein Theil ihrer p1c_385.012
Grammatik. Nun giebt es aber in keiner Sprache eine p1c_385.013
Quantität der Sylben, welche für alle Fälle unabänderlich p1c_385.014
bestimmt wäre. Es giebt und kann auch eigentlich keine p1c_385.015
absolute Kürze geben. Hephästion macht uns zwar eine p1c_385.016
stattliche Beschreibung von der kurzen Sylbe in der griechischen p1c_385.017
Sprache, die Longin sehr befriedigend findet. Allein p1c_385.018
selbst bey den Griechen bestimmt sehr oft das Metrum erst p1c_385.019
die Quantität und macht eine ursprünglich kurze Sylbe lang: p1c_385.020
τᾱ ~̆πε~̆ρι καλα ρεεθρα. Il. XXI. 352. πρ̄ος ο̄ἰκο̄ν Πηληος. p1c_385.021
Il. IX. 147. ἔπειδη νηας τε και Ἑλλησποντον p1c_385.022
ἰκοντο. Il. XXIII. 2. αἰδοιος τε μοι ἐσσι φιλέ ἑκυρέ p1c_385.023
δεινος τε. Il. III
. 172. Hier macht der Jctus oder die p1c_385.024
Arsis des Verses, an deren Gang schon das Ohr gewöhnt p1c_385.025
ist, daß man eine ganz kurze Sylbe für nothwendig lang

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0443" n="385"/><lb n="p1c_385.001"/>
sind, die jeden Fuß des Verses durch ein Wort bezeichnen. <lb n="p1c_385.002"/> <hi rendition="#aq">Illico mulcent aures dulcia carmina divum</hi>. Hier congruiren <lb n="p1c_385.003"/>
Rhythmus und Metrum, da die Endigung der <lb n="p1c_385.004"/>
Worte sehr viel zur Bestimmung des freyen Rhythmus beyträgt, <lb n="p1c_385.005"/>
&#x2500; und dies ist fehlerhaft. Das Metrum bindet <lb n="p1c_385.006"/>
hier den Rhythmus und benimmt ihm völlig seine Freyheit.</p>
          <p><lb n="p1c_385.007"/><hi rendition="#g">Anmerk.</hi> 2. Das Metrum nimmt also eine absolute <lb n="p1c_385.008"/>
Kürze in der Zeit als <hi rendition="#g">Grundmaaß</hi> an. Das Verhältniß <lb n="p1c_385.009"/>
jeder Sylbe der Sprache zu diesem Grundmaaß heißt <lb n="p1c_385.010"/>
deren Quantität, und die Lehre von der Quantität der Sylben <lb n="p1c_385.011"/>
in einer Sprache, deren <hi rendition="#g">Prosodie,</hi> ein Theil ihrer <lb n="p1c_385.012"/>
Grammatik. Nun giebt es aber in keiner Sprache eine <lb n="p1c_385.013"/>
Quantität der Sylben, welche für alle Fälle unabänderlich <lb n="p1c_385.014"/>
bestimmt wäre. Es giebt und kann auch eigentlich keine <lb n="p1c_385.015"/>
absolute Kürze geben. <hi rendition="#g">Hephästion</hi> macht uns zwar eine <lb n="p1c_385.016"/>
stattliche Beschreibung von der kurzen Sylbe in der griechischen <lb n="p1c_385.017"/>
Sprache, die Longin sehr befriedigend findet. Allein <lb n="p1c_385.018"/>
selbst bey den Griechen bestimmt sehr oft das Metrum erst <lb n="p1c_385.019"/>
die Quantität und macht eine ursprünglich kurze Sylbe lang: <lb n="p1c_385.020"/>
<foreign xml:lang="grc">&#x03C4;&#x1FB1;</foreign> ~&#x0306;<foreign xml:lang="grc">&#x03C0;&#x03B5;</foreign>~&#x0306;<foreign xml:lang="grc">&#x03C1;&#x03B9; &#x03BA;&#x03B1;&#x03BB;&#x03B1; &#x03C1;&#x03B5;&#x03B5;&#x03B8;&#x03C1;&#x03B1;</foreign>. <hi rendition="#aq">Il. XXI. 352. <foreign xml:lang="grc">&#x03C0;&#x03C1;&#x0304;&#x03BF;&#x03C2; &#x03BF;&#x0304;&#x1F30;&#x03BA;&#x03BF;&#x0304;&#x03BD; &#x03A0;&#x03B7;&#x03BB;&#x03B7;&#x03BF;&#x03C2;</foreign>. <lb n="p1c_385.021"/>
Il. IX. 147. <foreign xml:lang="grc">&#x1F14;&#x03C0;&#x03B5;&#x03B9;&#x03B4;&#x03B7; &#x03BD;&#x03B7;&#x03B1;&#x03C2; &#x03C4;&#x03B5; &#x03BA;&#x03B1;&#x03B9; &#x1F19;&#x03BB;&#x03BB;&#x03B7;&#x03C3;&#x03C0;&#x03BF;&#x03BD;&#x03C4;&#x03BF;&#x03BD;</foreign> <lb n="p1c_385.022"/>
<foreign xml:lang="grc">&#x1F30;&#x03BA;&#x03BF;&#x03BD;&#x03C4;&#x03BF;</foreign>. Il. XXIII. 2. <foreign xml:lang="grc">&#x03B1;&#x1F30;&#x03B4;&#x03BF;&#x03B9;&#x03BF;&#x03C2; &#x03C4;&#x03B5; &#x03BC;&#x03BF;&#x03B9; &#x1F10;&#x03C3;&#x03C3;&#x03B9; &#x03C6;&#x03B9;&#x03BB;&#x03AD; &#x1F11;&#x03BA;&#x03C5;&#x03C1;&#x03AD;</foreign> <lb n="p1c_385.023"/>
<foreign xml:lang="grc">&#x03B4;&#x03B5;&#x03B9;&#x03BD;&#x03BF;&#x03C2; &#x03C4;&#x03B5;</foreign>. Il. III</hi>. 172. Hier macht der Jctus oder die <lb n="p1c_385.024"/>
Arsis des Verses, an deren Gang schon das Ohr gewöhnt <lb n="p1c_385.025"/>
ist, daß man eine ganz kurze Sylbe für nothwendig lang
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[385/0443] p1c_385.001 sind, die jeden Fuß des Verses durch ein Wort bezeichnen. p1c_385.002 Illico mulcent aures dulcia carmina divum. Hier congruiren p1c_385.003 Rhythmus und Metrum, da die Endigung der p1c_385.004 Worte sehr viel zur Bestimmung des freyen Rhythmus beyträgt, p1c_385.005 ─ und dies ist fehlerhaft. Das Metrum bindet p1c_385.006 hier den Rhythmus und benimmt ihm völlig seine Freyheit. p1c_385.007 Anmerk. 2. Das Metrum nimmt also eine absolute p1c_385.008 Kürze in der Zeit als Grundmaaß an. Das Verhältniß p1c_385.009 jeder Sylbe der Sprache zu diesem Grundmaaß heißt p1c_385.010 deren Quantität, und die Lehre von der Quantität der Sylben p1c_385.011 in einer Sprache, deren Prosodie, ein Theil ihrer p1c_385.012 Grammatik. Nun giebt es aber in keiner Sprache eine p1c_385.013 Quantität der Sylben, welche für alle Fälle unabänderlich p1c_385.014 bestimmt wäre. Es giebt und kann auch eigentlich keine p1c_385.015 absolute Kürze geben. Hephästion macht uns zwar eine p1c_385.016 stattliche Beschreibung von der kurzen Sylbe in der griechischen p1c_385.017 Sprache, die Longin sehr befriedigend findet. Allein p1c_385.018 selbst bey den Griechen bestimmt sehr oft das Metrum erst p1c_385.019 die Quantität und macht eine ursprünglich kurze Sylbe lang: p1c_385.020 τᾱ ~̆πε~̆ρι καλα ρεεθρα. Il. XXI. 352. πρ̄ος ο̄ἰκο̄ν Πηληος. p1c_385.021 Il. IX. 147. ἔπειδη νηας τε και Ἑλλησποντον p1c_385.022 ἰκοντο. Il. XXIII. 2. αἰδοιος τε μοι ἐσσι φιλέ ἑκυρέ p1c_385.023 δεινος τε. Il. III. 172. Hier macht der Jctus oder die p1c_385.024 Arsis des Verses, an deren Gang schon das Ohr gewöhnt p1c_385.025 ist, daß man eine ganz kurze Sylbe für nothwendig lang

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription. (2015-09-30T09:54:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik01_1804
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik01_1804/443
Zitationshilfe: Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804, S. 385. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik01_1804/443>, abgerufen am 06.10.2024.