p1c_361.001 nachhallt, spricht man von weiblichen Reimen; p1c_361.002 denn der Rhythmus der Reihe schließt hier sanfter, nicht p1c_361.003 abgebrochen. Der Jctus des Reims fällt auf die vorletzte p1c_361.004 Sylbe, schließt aber nicht ganz, sondern nach und nach, p1c_361.005 indem noch eine Sylbe nachkommt. Nun ist zwar die Eintheilungp1c_361.006 in männliche und weibliche Reime nicht p1c_361.007 erschöpfend. Sobria muniat, improba puniat, sind p1c_361.008 auch Reime. "Was stehst du Spötter da und bausbackst,p1c_361.009 gieb Acht, daß man dich nicht hinausbaxt," spricht p1c_361.010 Voß in seiner schwer gereimten Ode. Hier ist ein spondäischer,p1c_361.011 im ersten Fall ein daktylischer Reim, weder p1c_361.012 männlich noch weiblich. Allein der spondäische Ausgang p1c_361.013 ist der eigentlichen Natur des Reimes ganz zuwider, und p1c_361.014 kann nur da statt finden, wo im Scherz schwer gereimt wird. p1c_361.015 Denn der Reim muß nur einen Hauptaccent haben, der p1c_361.016 schließt. Wird dieser Accent auf zwey sich an Quantität p1c_361.017 ziemlich gleiche Sylben ausgedehnt, so verliehrt der Reim p1c_361.018 das Musikalische. Man hält sich zu lange bey ihm auf. p1c_361.019 Er wird schwerfällig. Der Rhythmus besteht in einer p1c_361.020 beständigen fortschwebenden Theilung der Zeit. Kein Theil p1c_361.021 darf also von dem andern so getrennt seyn, daß die Theilung p1c_361.022 als geendet erschiene. Da nun der Reim ein Theilungszeichen p1c_361.023 für den Rhythmus ist, so muß er auch keine p1c_361.024 Theilung der Zeit als vollendet darstellen. Aus diesem p1c_361.025 Grunde wird es niemandem einfallen, in vollem Ernste p1c_361.026 ächte gereimte Hexameter zu machen, und aus eben diesem p1c_361.027 Grunde wird sich völlig bestimmtes Metrum und Reim selten p1c_361.028 mit einander vertragen. Was den daktylischen Ausgang
p1c_361.001 nachhallt, spricht man von weiblichen Reimen; p1c_361.002 denn der Rhythmus der Reihe schließt hier sanfter, nicht p1c_361.003 abgebrochen. Der Jctus des Reims fällt auf die vorletzte p1c_361.004 Sylbe, schließt aber nicht ganz, sondern nach und nach, p1c_361.005 indem noch eine Sylbe nachkommt. Nun ist zwar die Eintheilungp1c_361.006 in männliche und weibliche Reime nicht p1c_361.007 erschöpfend. Sobria muniat, improba puniat, sind p1c_361.008 auch Reime. „Was stehst du Spötter da und bausbackst,p1c_361.009 gieb Acht, daß man dich nicht hinausbaxt,“ spricht p1c_361.010 Voß in seiner schwer gereimten Ode. Hier ist ein spondäischer,p1c_361.011 im ersten Fall ein daktylischer Reim, weder p1c_361.012 männlich noch weiblich. Allein der spondäische Ausgang p1c_361.013 ist der eigentlichen Natur des Reimes ganz zuwider, und p1c_361.014 kann nur da statt finden, wo im Scherz schwer gereimt wird. p1c_361.015 Denn der Reim muß nur einen Hauptaccent haben, der p1c_361.016 schließt. Wird dieser Accent auf zwey sich an Quantität p1c_361.017 ziemlich gleiche Sylben ausgedehnt, so verliehrt der Reim p1c_361.018 das Musikalische. Man hält sich zu lange bey ihm auf. p1c_361.019 Er wird schwerfällig. Der Rhythmus besteht in einer p1c_361.020 beständigen fortschwebenden Theilung der Zeit. Kein Theil p1c_361.021 darf also von dem andern so getrennt seyn, daß die Theilung p1c_361.022 als geendet erschiene. Da nun der Reim ein Theilungszeichen p1c_361.023 für den Rhythmus ist, so muß er auch keine p1c_361.024 Theilung der Zeit als vollendet darstellen. Aus diesem p1c_361.025 Grunde wird es niemandem einfallen, in vollem Ernste p1c_361.026 ächte gereimte Hexameter zu machen, und aus eben diesem p1c_361.027 Grunde wird sich völlig bestimmtes Metrum und Reim selten p1c_361.028 mit einander vertragen. Was den daktylischen Ausgang
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0419"n="361"/><lbn="p1c_361.001"/>
nachhallt, spricht man von <hirendition="#g">weiblichen</hi> Reimen; <lbn="p1c_361.002"/>
denn der <hirendition="#g">Rhythmus</hi> der Reihe schließt hier sanfter, nicht <lbn="p1c_361.003"/>
abgebrochen. Der Jctus des Reims fällt auf die vorletzte <lbn="p1c_361.004"/>
Sylbe, schließt aber nicht ganz, sondern nach und nach, <lbn="p1c_361.005"/>
indem noch eine Sylbe nachkommt. Nun ist zwar die <hirendition="#g">Eintheilung</hi><lbn="p1c_361.006"/>
in <hirendition="#g">männliche</hi> und <hirendition="#g">weibliche</hi> Reime nicht <lbn="p1c_361.007"/>
erschöpfend. <hirendition="#aq">Sobria <hirendition="#g">muniat,</hi> improba <hirendition="#g">puniat</hi></hi>, sind <lbn="p1c_361.008"/>
auch Reime. „Was stehst du Spötter da und <hirendition="#g">bausbackst,</hi><lbn="p1c_361.009"/>
gieb Acht, daß man dich nicht <hirendition="#g">hinausbaxt,</hi>“ spricht <lbn="p1c_361.010"/><hirendition="#g">Voß</hi> in seiner schwer gereimten Ode. Hier ist ein <hirendition="#g">spondäischer,</hi><lbn="p1c_361.011"/>
im ersten Fall ein <hirendition="#g">daktylischer</hi> Reim, weder <lbn="p1c_361.012"/>
männlich noch weiblich. Allein der <hirendition="#g">spondäische</hi> Ausgang <lbn="p1c_361.013"/>
ist der eigentlichen Natur des Reimes ganz zuwider, und <lbn="p1c_361.014"/>
kann nur da statt finden, wo im Scherz schwer gereimt wird. <lbn="p1c_361.015"/>
Denn der Reim muß nur einen Hauptaccent haben, der <lbn="p1c_361.016"/>
schließt. Wird dieser Accent auf zwey sich an Quantität <lbn="p1c_361.017"/>
ziemlich gleiche Sylben ausgedehnt, so verliehrt der Reim <lbn="p1c_361.018"/>
das Musikalische. Man hält sich zu lange bey ihm auf. <lbn="p1c_361.019"/>
Er wird schwerfällig. Der <hirendition="#g">Rhythmus</hi> besteht in einer <lbn="p1c_361.020"/>
beständigen fortschwebenden Theilung der Zeit. Kein Theil <lbn="p1c_361.021"/>
darf also von dem andern so getrennt seyn, daß die Theilung <lbn="p1c_361.022"/>
als geendet erschiene. Da nun der <hirendition="#g">Reim</hi> ein Theilungszeichen <lbn="p1c_361.023"/>
für den <hirendition="#g">Rhythmus</hi> ist, so muß er auch keine <lbn="p1c_361.024"/>
Theilung der Zeit als vollendet darstellen. Aus diesem <lbn="p1c_361.025"/>
Grunde wird es niemandem einfallen, in vollem Ernste <lbn="p1c_361.026"/>
ächte gereimte Hexameter zu machen, und aus eben diesem <lbn="p1c_361.027"/>
Grunde wird sich völlig bestimmtes Metrum und Reim selten <lbn="p1c_361.028"/>
mit einander vertragen. Was den <hirendition="#g">daktylischen</hi> Ausgang
</p></div></div></body></text></TEI>
[361/0419]
p1c_361.001
nachhallt, spricht man von weiblichen Reimen; p1c_361.002
denn der Rhythmus der Reihe schließt hier sanfter, nicht p1c_361.003
abgebrochen. Der Jctus des Reims fällt auf die vorletzte p1c_361.004
Sylbe, schließt aber nicht ganz, sondern nach und nach, p1c_361.005
indem noch eine Sylbe nachkommt. Nun ist zwar die Eintheilung p1c_361.006
in männliche und weibliche Reime nicht p1c_361.007
erschöpfend. Sobria muniat, improba puniat, sind p1c_361.008
auch Reime. „Was stehst du Spötter da und bausbackst, p1c_361.009
gieb Acht, daß man dich nicht hinausbaxt,“ spricht p1c_361.010
Voß in seiner schwer gereimten Ode. Hier ist ein spondäischer, p1c_361.011
im ersten Fall ein daktylischer Reim, weder p1c_361.012
männlich noch weiblich. Allein der spondäische Ausgang p1c_361.013
ist der eigentlichen Natur des Reimes ganz zuwider, und p1c_361.014
kann nur da statt finden, wo im Scherz schwer gereimt wird. p1c_361.015
Denn der Reim muß nur einen Hauptaccent haben, der p1c_361.016
schließt. Wird dieser Accent auf zwey sich an Quantität p1c_361.017
ziemlich gleiche Sylben ausgedehnt, so verliehrt der Reim p1c_361.018
das Musikalische. Man hält sich zu lange bey ihm auf. p1c_361.019
Er wird schwerfällig. Der Rhythmus besteht in einer p1c_361.020
beständigen fortschwebenden Theilung der Zeit. Kein Theil p1c_361.021
darf also von dem andern so getrennt seyn, daß die Theilung p1c_361.022
als geendet erschiene. Da nun der Reim ein Theilungszeichen p1c_361.023
für den Rhythmus ist, so muß er auch keine p1c_361.024
Theilung der Zeit als vollendet darstellen. Aus diesem p1c_361.025
Grunde wird es niemandem einfallen, in vollem Ernste p1c_361.026
ächte gereimte Hexameter zu machen, und aus eben diesem p1c_361.027
Grunde wird sich völlig bestimmtes Metrum und Reim selten p1c_361.028
mit einander vertragen. Was den daktylischen Ausgang
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription.
(2015-09-30T09:54:39Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination
Weitere Informationen:
Bogensignaturen: keine Angabe;
Druckfehler: keine Angabe;
fremdsprachliches Material: gekennzeichnet;
Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;
Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage;
i/j in Fraktur: wie Vorlage;
I/J in Fraktur: wie Vorlage;
Kolumnentitel: nicht übernommen;
Kustoden: nicht übernommen;
langes s (ſ): wie Vorlage;
Normalisierungen: keine;
rundes r (ꝛ): wie Vorlage;
Seitenumbrüche markiert: ja;
Silbentrennung: nicht übernommen;
u/v bzw. U/V: wie Vorlage;
Vokale mit übergest. e: wie Vorlage;
Vollständigkeit: vollständig erfasst;
Zeichensetzung: wie Vorlage;
Zeilenumbrüche markiert: ja;
Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804, S. 361. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik01_1804/419>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.