Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804.

Bild:
<< vorherige Seite

p1c_360.001
wird, wie beym Triolett und andern Gedichten dieser Art, p1c_360.002
vorausgesetzt, daß sich der Dichter in gewisse Worte vertieft p1c_360.003
hat, die seine Hauptempfindung ausdrücken und immer wiederkehren. p1c_360.004
Die erste Zeile der folgenden Strophen schließt p1c_360.005
allemal mit eben dem Worte, mit welchem die letzte Zeile p1c_360.006
der vorhergehenden Strophe schloß. Dieß ist eine Art von p1c_360.007
Echo, das bey Wechselgesängen Effekt machen kann, indem p1c_360.008
der zweyte Sänger gleichsam den letzten Reim des ersten p1c_360.009
Sängers wieder auffängt und wiederholt. Allein es ist zu p1c_360.010
bemerken, daß man das Wiederholen derselben Schlußworte p1c_360.011
nicht eigentlich Reime nennen kann, weswegen auch p1c_360.012
viele Dichter noch den Reim besonders hinzugefügt haben, p1c_360.013
der zu den Sechstinnen an sich nicht wesentlich ist. Ueberdies p1c_360.014
kann nur die mühsame peinliche Ordnung die Aufmerksamkeit p1c_360.015
auf dergleichen Consonanzen erhalten, und es werden p1c_360.016
wenig Dichter ihre Zeit an solche Künsteleyen verschwenden p1c_360.017
wollen. 6) Da der Reim rhythmische Silbenreihen von p1c_360.018
einander abschneidet, so kann er nur auf den letzten Sylben p1c_360.019
stehen, weil man sonst den Jctus, der die Reihe schließt, p1c_360.020
nicht bemerken würde. Es sind aber hier zwey Fälle möglich. p1c_360.021
Entweder schließt er die Reihe auf einmal durch Eine p1c_360.022
Sylbe, auf die er seinen Accent legt, oder er schließt minder p1c_360.023
gewaltsam, indem er der Sylbe, auf welcher sein Hauptaccent p1c_360.024
liegt, noch eine, höchstens zwey ebenfalls consonirende p1c_360.025
Sylben folgen läßt. Das erste giebt natürlich durch p1c_360.026
das schnelle Abbrechen der Reihe dem Ganzen mehr Kraft. p1c_360.027
Daher hat man diese Art zu enden den männlichen Reim p1c_360.028
genannt. Jn dem Fall, wo noch eine Sylbe in der Consonanz

p1c_360.001
wird, wie beym Triolett und andern Gedichten dieser Art, p1c_360.002
vorausgesetzt, daß sich der Dichter in gewisse Worte vertieft p1c_360.003
hat, die seine Hauptempfindung ausdrücken und immer wiederkehren. p1c_360.004
Die erste Zeile der folgenden Strophen schließt p1c_360.005
allemal mit eben dem Worte, mit welchem die letzte Zeile p1c_360.006
der vorhergehenden Strophe schloß. Dieß ist eine Art von p1c_360.007
Echo, das bey Wechselgesängen Effekt machen kann, indem p1c_360.008
der zweyte Sänger gleichsam den letzten Reim des ersten p1c_360.009
Sängers wieder auffängt und wiederholt. Allein es ist zu p1c_360.010
bemerken, daß man das Wiederholen derselben Schlußworte p1c_360.011
nicht eigentlich Reime nennen kann, weswegen auch p1c_360.012
viele Dichter noch den Reim besonders hinzugefügt haben, p1c_360.013
der zu den Sechstinnen an sich nicht wesentlich ist. Ueberdies p1c_360.014
kann nur die mühsame peinliche Ordnung die Aufmerksamkeit p1c_360.015
auf dergleichen Consonanzen erhalten, und es werden p1c_360.016
wenig Dichter ihre Zeit an solche Künsteleyen verschwenden p1c_360.017
wollen. 6) Da der Reim rhythmische Silbenreihen von p1c_360.018
einander abschneidet, so kann er nur auf den letzten Sylben p1c_360.019
stehen, weil man sonst den Jctus, der die Reihe schließt, p1c_360.020
nicht bemerken würde. Es sind aber hier zwey Fälle möglich. p1c_360.021
Entweder schließt er die Reihe auf einmal durch Eine p1c_360.022
Sylbe, auf die er seinen Accent legt, oder er schließt minder p1c_360.023
gewaltsam, indem er der Sylbe, auf welcher sein Hauptaccent p1c_360.024
liegt, noch eine, höchstens zwey ebenfalls consonirende p1c_360.025
Sylben folgen läßt. Das erste giebt natürlich durch p1c_360.026
das schnelle Abbrechen der Reihe dem Ganzen mehr Kraft. p1c_360.027
Daher hat man diese Art zu enden den männlichen Reim p1c_360.028
genannt. Jn dem Fall, wo noch eine Sylbe in der Consonanz

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0418" n="360"/><lb n="p1c_360.001"/>
wird, wie beym Triolett und andern Gedichten dieser Art, <lb n="p1c_360.002"/>
vorausgesetzt, daß sich der Dichter in gewisse Worte vertieft <lb n="p1c_360.003"/>
hat, die seine Hauptempfindung ausdrücken und immer wiederkehren. <lb n="p1c_360.004"/>
Die erste Zeile der folgenden Strophen schließt <lb n="p1c_360.005"/>
allemal mit eben dem Worte, mit welchem die letzte Zeile <lb n="p1c_360.006"/>
der vorhergehenden Strophe schloß. Dieß ist eine Art von <lb n="p1c_360.007"/>
Echo, das bey Wechselgesängen Effekt machen kann, indem <lb n="p1c_360.008"/>
der zweyte Sänger gleichsam den letzten Reim des ersten <lb n="p1c_360.009"/>
Sängers wieder auffängt und wiederholt. Allein es ist zu <lb n="p1c_360.010"/>
bemerken, daß man das Wiederholen derselben Schlußworte <lb n="p1c_360.011"/>
nicht eigentlich Reime nennen kann, weswegen auch <lb n="p1c_360.012"/>
viele Dichter noch den Reim besonders hinzugefügt haben, <lb n="p1c_360.013"/>
der zu den Sechstinnen an sich nicht wesentlich ist. Ueberdies <lb n="p1c_360.014"/>
kann nur die mühsame peinliche Ordnung die Aufmerksamkeit <lb n="p1c_360.015"/>
auf dergleichen Consonanzen erhalten, und es werden <lb n="p1c_360.016"/>
wenig Dichter ihre Zeit an solche Künsteleyen verschwenden <lb n="p1c_360.017"/>
wollen. 6) Da der Reim rhythmische Silbenreihen von <lb n="p1c_360.018"/>
einander abschneidet, so kann er nur auf den letzten Sylben <lb n="p1c_360.019"/>
stehen, weil man sonst den Jctus, der die Reihe schließt, <lb n="p1c_360.020"/>
nicht bemerken würde. Es sind aber hier zwey Fälle möglich. <lb n="p1c_360.021"/>
Entweder schließt er die Reihe auf einmal durch Eine <lb n="p1c_360.022"/>
Sylbe, auf die er seinen Accent legt, oder er schließt minder <lb n="p1c_360.023"/>
gewaltsam, indem er der Sylbe, auf welcher sein Hauptaccent <lb n="p1c_360.024"/>
liegt, noch eine, höchstens zwey ebenfalls consonirende <lb n="p1c_360.025"/>
Sylben folgen läßt. Das erste giebt natürlich durch <lb n="p1c_360.026"/>
das schnelle Abbrechen der Reihe dem Ganzen mehr Kraft. <lb n="p1c_360.027"/>
Daher hat man diese Art zu enden den <hi rendition="#g">männlichen</hi> Reim     <lb n="p1c_360.028"/>
genannt. Jn dem Fall, wo noch eine <hi rendition="#g">Sylbe</hi> in der Consonanz
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[360/0418] p1c_360.001 wird, wie beym Triolett und andern Gedichten dieser Art, p1c_360.002 vorausgesetzt, daß sich der Dichter in gewisse Worte vertieft p1c_360.003 hat, die seine Hauptempfindung ausdrücken und immer wiederkehren. p1c_360.004 Die erste Zeile der folgenden Strophen schließt p1c_360.005 allemal mit eben dem Worte, mit welchem die letzte Zeile p1c_360.006 der vorhergehenden Strophe schloß. Dieß ist eine Art von p1c_360.007 Echo, das bey Wechselgesängen Effekt machen kann, indem p1c_360.008 der zweyte Sänger gleichsam den letzten Reim des ersten p1c_360.009 Sängers wieder auffängt und wiederholt. Allein es ist zu p1c_360.010 bemerken, daß man das Wiederholen derselben Schlußworte p1c_360.011 nicht eigentlich Reime nennen kann, weswegen auch p1c_360.012 viele Dichter noch den Reim besonders hinzugefügt haben, p1c_360.013 der zu den Sechstinnen an sich nicht wesentlich ist. Ueberdies p1c_360.014 kann nur die mühsame peinliche Ordnung die Aufmerksamkeit p1c_360.015 auf dergleichen Consonanzen erhalten, und es werden p1c_360.016 wenig Dichter ihre Zeit an solche Künsteleyen verschwenden p1c_360.017 wollen. 6) Da der Reim rhythmische Silbenreihen von p1c_360.018 einander abschneidet, so kann er nur auf den letzten Sylben p1c_360.019 stehen, weil man sonst den Jctus, der die Reihe schließt, p1c_360.020 nicht bemerken würde. Es sind aber hier zwey Fälle möglich. p1c_360.021 Entweder schließt er die Reihe auf einmal durch Eine p1c_360.022 Sylbe, auf die er seinen Accent legt, oder er schließt minder p1c_360.023 gewaltsam, indem er der Sylbe, auf welcher sein Hauptaccent p1c_360.024 liegt, noch eine, höchstens zwey ebenfalls consonirende p1c_360.025 Sylben folgen läßt. Das erste giebt natürlich durch p1c_360.026 das schnelle Abbrechen der Reihe dem Ganzen mehr Kraft. p1c_360.027 Daher hat man diese Art zu enden den männlichen Reim p1c_360.028 genannt. Jn dem Fall, wo noch eine Sylbe in der Consonanz

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription. (2015-09-30T09:54:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik01_1804
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik01_1804/418
Zitationshilfe: Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804, S. 360. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik01_1804/418>, abgerufen am 18.06.2024.