p1c_345.001 überhaupt im Werden. Sie stellt ihre Worte so, daß p1c_345.002 dadurch die Natur anschaulich nachgeahmt wird. Doch darf p1c_345.003 ein besonders mahlerischer Wortausdruck nur bey Beschreibungen p1c_345.004 Statt finden, wo man voraussetzen kann, daß die p1c_345.005 Aufmerksamkeit auf das Sinnliche gerichtet ist. Continuo p1c_345.006 ventis surgentibus aut freta ponti incipiunt agitata p1c_345.007 tumescere et aridus altis montibus audiri fragor, aut p1c_345.008 resonantia longe littora misceri, et nemorum increbrescere p1c_345.009 murmur. Virg. Die vielen r würden vielleicht p1c_345.010 an einem andern Orte als Uebelklang angesehen werden, hier p1c_345.011 verlangt sie aber der Tonausdruck. "Schmettert ein Donnerwagen p1c_345.012 auf tausend Rädern herunter" - Eklagxan p1c_345.013 d' ar oistoi ep omon khoomenoio. - Wenn der Schall, p1c_345.014 der nachgeahmt wird, an sich zu einer ästhetischen Empfindung p1c_345.015 Anlaß giebt, so ist es nicht gerade Absicht, aber es p1c_345.016 ist dem Dichter natürlich, daß er ihn nachahmt. Wenn p1c_345.017 aber der Schall in der Natur selbst gleichgültig ist, so ist es p1c_345.018 eine unnütze Spielerey, wie die Mahlereyen in der Musik. p1c_345.019 Zum Scherz kann wohl ein Musiker z. B. ein Stück setzen, p1c_345.020 das eine Schlittenfahrt ausdrückt. Niemand wird aber dergleichen p1c_345.021 in einem höhern Kunstwerk dulden. Es würde fehlerhaft p1c_345.022 seyn, wenn Virgil das Laufen Eines Pferdes mit p1c_345.023 dem bekannten dem Ennius nachgebildeten Verse: Quadrupedante p1c_345.024 putrem sonitu quatit ungula campum, ausgedrückt p1c_345.025 hätte. Allein die Vorstellung wird eines Heldengedichts p1c_345.026 würdig, da die Worte agmine facto vorangehen p1c_345.027 und von einem ganzen equitatu die Rede ist.
p1c_345.001 überhaupt im Werden. Sie stellt ihre Worte so, daß p1c_345.002 dadurch die Natur anschaulich nachgeahmt wird. Doch darf p1c_345.003 ein besonders mahlerischer Wortausdruck nur bey Beschreibungen p1c_345.004 Statt finden, wo man voraussetzen kann, daß die p1c_345.005 Aufmerksamkeit auf das Sinnliche gerichtet ist. Continuo p1c_345.006 ventis surgentibus aut freta ponti incipiunt agitata p1c_345.007 tumescere et aridus altis montibus audiri fragor, aut p1c_345.008 resonantia longe littora misceri, et nemorum increbrescere p1c_345.009 murmur. Virg. Die vielen r würden vielleicht p1c_345.010 an einem andern Orte als Uebelklang angesehen werden, hier p1c_345.011 verlangt sie aber der Tonausdruck. „Schmettert ein Donnerwagen p1c_345.012 auf tausend Rädern herunter“ ─ Ἐκλαγξαν p1c_345.013 δ' ἀρ οἰϛοι ἐπ ὠμων χωομενοιο. ─ Wenn der Schall, p1c_345.014 der nachgeahmt wird, an sich zu einer ästhetischen Empfindung p1c_345.015 Anlaß giebt, so ist es nicht gerade Absicht, aber es p1c_345.016 ist dem Dichter natürlich, daß er ihn nachahmt. Wenn p1c_345.017 aber der Schall in der Natur selbst gleichgültig ist, so ist es p1c_345.018 eine unnütze Spielerey, wie die Mahlereyen in der Musik. p1c_345.019 Zum Scherz kann wohl ein Musiker z. B. ein Stück setzen, p1c_345.020 das eine Schlittenfahrt ausdrückt. Niemand wird aber dergleichen p1c_345.021 in einem höhern Kunstwerk dulden. Es würde fehlerhaft p1c_345.022 seyn, wenn Virgil das Laufen Eines Pferdes mit p1c_345.023 dem bekannten dem Ennius nachgebildeten Verse: Quadrupedante p1c_345.024 putrem sonitu quatit ungula campum, ausgedrückt p1c_345.025 hätte. Allein die Vorstellung wird eines Heldengedichts p1c_345.026 würdig, da die Worte agmine facto vorangehen p1c_345.027 und von einem ganzen equitatu die Rede ist.
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Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804, S. 345. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik01_1804/403>, abgerufen am 09.11.2024.
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