Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

p1c_309.001
, wenn die ausgeführten Metaphern zu schnell abwechseln. [Annotation]

p1c_309.002
So tadelt Blair selbst den Horaz wegen des Anfangs p1c_309.003
seiner Ode: Motum ex Metello consule civicum. [Annotation]p1c_309.004
20) Dichterischer als die ausgeführte Metapher ist die Allegorie. p1c_309.005
Hier wird der eigentliche Sinn, auf den die p1c_309.006
Metapher noch Rücksicht nimmt, wie bey einem Räthsel, p1c_309.007
ganz verschwiegen, und der Dichter führt nur das Bild als p1c_309.008
selbstständig aus, ohne die abstrakten Jdeen, welche versinnlicht p1c_309.009
werden sollen, zu erwähnen, oder die Abstrakta p1c_309.010
werden selbst als individuelle Wesen angesehen. [Annotation] Man muß p1c_309.011
die Allegorie als Figur, oder besondren Schmuck der p1c_309.012
dichterischen Rede von der eigentlichen Dichtungsart dieses p1c_309.013
Namens unterscheiden. Von dieser wird an einem andern p1c_309.014
Orte die Rede seyn. Quum fluxerunt plures continuae p1c_309.015
translationes, alia plane fit oratio, sagt Cicero, itaque p1c_309.016
genus hoc Graeci appellunt allegorian. Die p1c_309.017
Vergleichung ist der niedrigste, die Allegorie der höchste p1c_309.018
Grad der fremdartigen Rede. Der Dichter vertieft p1c_309.019
sich so sehr in sein Bild, daß er es für die Sache nimmt. p1c_309.020
Durch die Allegorie gränzt die poetische Rede an die poetische p1c_309.021
Erfindung und die Diktion wird zur Materie. Die p1c_309.022
allegorische Rede findet vorzüglich statt, wenn der Hauptgegenstand p1c_309.023
als etwas Heiliges und Geheimnißvolles behandelt p1c_309.024
werden soll. Die alten Philosophen philosophirten oft p1c_309.025
ainintikos und kekrummenos. Dadurch bekommt das p1c_309.026
Ganze eine höhere Würde. Bey den Dichtern, die zum p1c_309.027
Tone der Orakelsprüche berechtigt sind, wie die hebräischen, p1c_309.028
findet man viele Gryphen oder dunklere Sentenzen. Daß

p1c_309.001
, wenn die ausgeführten Metaphern zu schnell abwechseln. [Annotation]

p1c_309.002
So tadelt Blair selbst den Horaz wegen des Anfangs p1c_309.003
seiner Ode: Motum ex Metello consule civicum. [Annotation]p1c_309.004
20) Dichterischer als die ausgeführte Metapher ist die Allegorie. p1c_309.005
Hier wird der eigentliche Sinn, auf den die p1c_309.006
Metapher noch Rücksicht nimmt, wie bey einem Räthsel, p1c_309.007
ganz verschwiegen, und der Dichter führt nur das Bild als p1c_309.008
selbstständig aus, ohne die abstrakten Jdeen, welche versinnlicht p1c_309.009
werden sollen, zu erwähnen, oder die Abstrakta p1c_309.010
werden selbst als individuelle Wesen angesehen. [Annotation] Man muß p1c_309.011
die Allegorie als Figur, oder besondren Schmuck der p1c_309.012
dichterischen Rede von der eigentlichen Dichtungsart dieses p1c_309.013
Namens unterscheiden. Von dieser wird an einem andern p1c_309.014
Orte die Rede seyn. Quum fluxerunt plures continuae p1c_309.015
translationes, alia plane fit oratio, sagt Cicero, itaque p1c_309.016
genus hoc Graeci appellunt ἀλληγοριαν. Die p1c_309.017
Vergleichung ist der niedrigste, die Allegorie der höchste p1c_309.018
Grad der fremdartigen Rede. Der Dichter vertieft p1c_309.019
sich so sehr in sein Bild, daß er es für die Sache nimmt. p1c_309.020
Durch die Allegorie gränzt die poetische Rede an die poetische p1c_309.021
Erfindung und die Diktion wird zur Materie. Die p1c_309.022
allegorische Rede findet vorzüglich statt, wenn der Hauptgegenstand p1c_309.023
als etwas Heiliges und Geheimnißvolles behandelt p1c_309.024
werden soll. Die alten Philosophen philosophirten oft p1c_309.025
αἰνιντικως und κεκρυμμενως. Dadurch bekommt das p1c_309.026
Ganze eine höhere Würde. Bey den Dichtern, die zum p1c_309.027
Tone der Orakelsprüche berechtigt sind, wie die hebräischen, p1c_309.028
findet man viele Gryphen oder dunklere Sentenzen. Daß 

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0367" n="309"/><lb n="p1c_309.001"/>
, wenn die ausgeführten Metaphern zu schnell abwechseln. <anchor xml:id="cl1074"/> <note targetEnd="cl1074" type="metapher" ana="#m1-0-1-1 #m1-8-1-0" target="cl1073">     Abgr. Metapher als Figur </note>
<lb n="p1c_309.002"/>
<anchor xml:id="cl1075"/> So tadelt Blair selbst den Horaz wegen des Anfangs <lb n="p1c_309.003"/>
seiner Ode: <hi rendition="#aq">Motum ex Metello consule civicum</hi>. <anchor xml:id="cl1076"/> <note targetEnd="cl1076" type="metapher" ana="#m1-0-3-2 #m1-1-1 #m1-2-1-0 #m1-3-1-7 #m1-6-2-1 #m1-8-1-0" target="cl1075">     Quelle: Horaz, impl. Werk unklar - zitiert und bewertet nach Blair (Werk?) </note>
<lb n="p1c_309.004"/>
20) <anchor xml:id="cl1077"/> Dichterischer als die ausgeführte Metapher ist die <hi rendition="#g">Allegorie.</hi> <lb n="p1c_309.005"/>
Hier wird der eigentliche Sinn, auf den die <lb n="p1c_309.006"/>
Metapher noch Rücksicht nimmt, wie bey einem Räthsel, <lb n="p1c_309.007"/>
ganz verschwiegen, und der Dichter führt nur das Bild als <lb n="p1c_309.008"/>
selbstständig aus, ohne die abstrakten Jdeen, welche versinnlicht <lb n="p1c_309.009"/>
werden sollen, zu erwähnen, oder die Abstrakta <lb n="p1c_309.010"/>
werden selbst als individuelle Wesen angesehen. <anchor xml:id="cl1078"/> <note targetEnd="cl1078" type="metapher" ana="#m1-0-1-1 #m1-8-1-0" target="cl1077">     Abgr. Allegorie  </note> Man muß <lb n="p1c_309.011"/>
die <hi rendition="#g">Allegorie</hi> als <hi rendition="#g">Figur,</hi> oder besondren Schmuck der <lb n="p1c_309.012"/>
dichterischen Rede von der eigentlichen Dichtungsart dieses <lb n="p1c_309.013"/>
Namens unterscheiden. Von dieser wird an einem andern <lb n="p1c_309.014"/>
Orte die Rede seyn. <hi rendition="#aq">Quum fluxerunt plures continuae <lb n="p1c_309.015"/>
translationes, alia plane fit oratio</hi>, sagt Cicero, <hi rendition="#aq">itaque <lb n="p1c_309.016"/>
genus hoc Graeci appellunt <foreign xml:lang="grc">&#x1F00;&#x03BB;&#x03BB;&#x03B7;&#x03B3;&#x03BF;&#x03C1;&#x03B9;&#x03B1;&#x03BD;</foreign></hi>. Die <lb n="p1c_309.017"/>
Vergleichung ist der niedrigste, die Allegorie der höchste <lb n="p1c_309.018"/>
Grad der <hi rendition="#g">fremdartigen</hi> Rede. Der Dichter vertieft <lb n="p1c_309.019"/>
sich so sehr in sein Bild, daß er es für die Sache nimmt. <lb n="p1c_309.020"/>
Durch die Allegorie gränzt die poetische <hi rendition="#g">Rede</hi> an die <hi rendition="#g">poetische</hi> <lb n="p1c_309.021"/>
Erfindung und die Diktion wird zur Materie. Die <lb n="p1c_309.022"/>
allegorische Rede findet vorzüglich statt, wenn der Hauptgegenstand <lb n="p1c_309.023"/>
als etwas Heiliges und Geheimnißvolles behandelt <lb n="p1c_309.024"/>
werden soll. Die alten Philosophen philosophirten oft <lb n="p1c_309.025"/>
<foreign xml:lang="grc">&#x03B1;&#x1F30;&#x03BD;&#x03B9;&#x03BD;&#x03C4;&#x03B9;&#x03BA;&#x03C9;&#x03C2;</foreign> und <foreign xml:lang="grc">&#x03BA;&#x03B5;&#x03BA;&#x03C1;&#x03C5;&#x03BC;&#x03BC;&#x03B5;&#x03BD;&#x03C9;&#x03C2;</foreign>. Dadurch bekommt das <lb n="p1c_309.026"/>
Ganze eine höhere Würde. Bey den Dichtern, die zum <lb n="p1c_309.027"/>
Tone der Orakelsprüche berechtigt sind, wie die hebräischen, <lb n="p1c_309.028"/>
findet man viele Gryphen oder dunklere Sentenzen. Daß
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[309/0367] p1c_309.001 , wenn die ausgeführten Metaphern zu schnell abwechseln. Abgr. Metapher als Figur p1c_309.002 So tadelt Blair selbst den Horaz wegen des Anfangs p1c_309.003 seiner Ode: Motum ex Metello consule civicum. Quelle: Horaz, impl. Werk unklar - zitiert und bewertet nach Blair (Werk?) p1c_309.004 20) Dichterischer als die ausgeführte Metapher ist die Allegorie. p1c_309.005 Hier wird der eigentliche Sinn, auf den die p1c_309.006 Metapher noch Rücksicht nimmt, wie bey einem Räthsel, p1c_309.007 ganz verschwiegen, und der Dichter führt nur das Bild als p1c_309.008 selbstständig aus, ohne die abstrakten Jdeen, welche versinnlicht p1c_309.009 werden sollen, zu erwähnen, oder die Abstrakta p1c_309.010 werden selbst als individuelle Wesen angesehen. Abgr. Allegorie Man muß p1c_309.011 die Allegorie als Figur, oder besondren Schmuck der p1c_309.012 dichterischen Rede von der eigentlichen Dichtungsart dieses p1c_309.013 Namens unterscheiden. Von dieser wird an einem andern p1c_309.014 Orte die Rede seyn. Quum fluxerunt plures continuae p1c_309.015 translationes, alia plane fit oratio, sagt Cicero, itaque p1c_309.016 genus hoc Graeci appellunt ἀλληγοριαν. Die p1c_309.017 Vergleichung ist der niedrigste, die Allegorie der höchste p1c_309.018 Grad der fremdartigen Rede. Der Dichter vertieft p1c_309.019 sich so sehr in sein Bild, daß er es für die Sache nimmt. p1c_309.020 Durch die Allegorie gränzt die poetische Rede an die poetische p1c_309.021 Erfindung und die Diktion wird zur Materie. Die p1c_309.022 allegorische Rede findet vorzüglich statt, wenn der Hauptgegenstand p1c_309.023 als etwas Heiliges und Geheimnißvolles behandelt p1c_309.024 werden soll. Die alten Philosophen philosophirten oft p1c_309.025 αἰνιντικως und κεκρυμμενως. Dadurch bekommt das p1c_309.026 Ganze eine höhere Würde. Bey den Dichtern, die zum p1c_309.027 Tone der Orakelsprüche berechtigt sind, wie die hebräischen, p1c_309.028 findet man viele Gryphen oder dunklere Sentenzen. Daß

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription. (2015-09-30T09:54:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik01_1804
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik01_1804/367
Zitationshilfe: Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804, S. 309. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik01_1804/367>, abgerufen am 23.11.2024.