Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804.

Bild:
<< vorherige Seite

p1c_307.001
hat, wo die ganze Anspielung wegfällt. Juno nimmt in p1c_307.002
der Jliade Himmel und Erde zu Zeugen, und den Styx und p1c_307.003
das heilige Haupt des Jupiters, und noiteron lekhos auton p1c_307.004
kouridion (XV. vs. 35.). Auch dies ist durch die vorhergehenden p1c_307.005
Begebenheiten veranlaßt. Gott, bey Moses p1c_307.006
(Deut. XXXII.), hebt seine Hand empor und schwört: p1c_307.007
So wahr ich lebe von Ewigkeit zu Ewigkeit - und Christus p1c_307.008
schwört in der Messiade bey sich selber. - 18) Hyperbole. p1c_307.009
Diese Figur gehört auch zur Lebhaftigkeit der p1c_307.010
dichterischen Sprache. La terre ne produit que du vin, p1c_307.011
nous ne naissons que pour boire
, sagt ein französisches p1c_307.012
Trinklied. Dies wird gerechtfertigt durch die Erstase des p1c_307.013
dithyrambischen Gesangs. Der Dichter wirft oft seine Behauptungen p1c_307.014
ohne Einschränkung hin, und das Kühnste ist in p1c_307.015
der heftigen und muntern Rede das Wahrste, weil es das p1c_307.016
Wirksamste ist. Es giebt aber auch frostige Hyperbeln, denen p1c_307.017
man nur die Sucht, etwas Neues und Uebertriebenes p1c_307.018
zu sagen, ansieht. "Se tutti gli alberi del mondo fossero p1c_307.019
penne, il cielo fosse carta, il mare inchiostro, p1c_307.020
non basteriano a descrivere la minima parte delle p1c_307.021
vostri perfettioni
, sagt ein Liebhaber beym Guarini. Dies p1c_307.022
ist lächerlich, wenn es im Ernst gemeynt ist. Es giebt p1c_307.023
eine Hyperbel im Ausdruck, und eine in Gedanken. Die p1c_307.024
erste ist nur eine Sprachwendung, bey der nicht mehr so p1c_307.025
viel gedacht wird, als sie sagt. Faciam semen tuum p1c_307.026
sicut pulverem terrae. Genes. c. 13. vs
. 16. - Die p1c_307.027
Hyperbel in Gedanken besteht weit seltener vor der Kritik. p1c_307.028
Wenn Lucar auf die eine Seite die Meynung der Götter,

p1c_307.001
hat, wo die ganze Anspielung wegfällt. Juno nimmt in p1c_307.002
der Jliade Himmel und Erde zu Zeugen, und den Styx und p1c_307.003
das heilige Haupt des Jupiters, und νωιτερον λεχος αὐτων p1c_307.004
κουριδιον (XV. vs. 35.). Auch dies ist durch die vorhergehenden p1c_307.005
Begebenheiten veranlaßt. Gott, bey Moses p1c_307.006
(Deut. XXXII.), hebt seine Hand empor und schwört: p1c_307.007
So wahr ich lebe von Ewigkeit zu Ewigkeit ─ und Christus p1c_307.008
schwört in der Messiade bey sich selber. ─ 18) Hyperbole. p1c_307.009
Diese Figur gehört auch zur Lebhaftigkeit der p1c_307.010
dichterischen Sprache. La terre ne produit que du vin, p1c_307.011
nous ne naissons que pour boire
, sagt ein französisches p1c_307.012
Trinklied. Dies wird gerechtfertigt durch die Erstase des p1c_307.013
dithyrambischen Gesangs. Der Dichter wirft oft seine Behauptungen p1c_307.014
ohne Einschränkung hin, und das Kühnste ist in p1c_307.015
der heftigen und muntern Rede das Wahrste, weil es das p1c_307.016
Wirksamste ist. Es giebt aber auch frostige Hyperbeln, denen p1c_307.017
man nur die Sucht, etwas Neues und Uebertriebenes p1c_307.018
zu sagen, ansieht. „Se tutti gli alberi del mondo fossero p1c_307.019
penne, il cielo fosse carta, il mare inchiostro, p1c_307.020
non basteriano a descrivere la minima parte delle p1c_307.021
vostri perfettioni
, sagt ein Liebhaber beym Guarini. Dies p1c_307.022
ist lächerlich, wenn es im Ernst gemeynt ist. Es giebt p1c_307.023
eine Hyperbel im Ausdruck, und eine in Gedanken. Die p1c_307.024
erste ist nur eine Sprachwendung, bey der nicht mehr so p1c_307.025
viel gedacht wird, als sie sagt. Faciam semen tuum p1c_307.026
sicut pulverem terrae. Genes. c. 13. vs
. 16. ─ Die p1c_307.027
Hyperbel in Gedanken besteht weit seltener vor der Kritik. p1c_307.028
Wenn Lucar auf die eine Seite die Meynung der Götter,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0365" n="307"/><lb n="p1c_307.001"/>
hat, wo die ganze Anspielung wegfällt. Juno nimmt in <lb n="p1c_307.002"/>
der Jliade Himmel und Erde zu Zeugen, und den Styx und <lb n="p1c_307.003"/>
das heilige Haupt des Jupiters, und <foreign xml:lang="grc">&#x03BD;&#x03C9;&#x03B9;&#x03C4;&#x03B5;&#x03C1;&#x03BF;&#x03BD; &#x03BB;&#x03B5;&#x03C7;&#x03BF;&#x03C2; &#x03B1;&#x1F50;&#x03C4;&#x03C9;&#x03BD;</foreign> <lb n="p1c_307.004"/>
<foreign xml:lang="grc">&#x03BA;&#x03BF;&#x03C5;&#x03C1;&#x03B9;&#x03B4;&#x03B9;&#x03BF;&#x03BD;</foreign> (<hi rendition="#aq">XV. vs</hi>. 35.). Auch dies ist durch die vorhergehenden <lb n="p1c_307.005"/>
Begebenheiten veranlaßt. Gott, bey Moses <lb n="p1c_307.006"/>
(<hi rendition="#aq">Deut. XXXII</hi>.), hebt seine Hand empor und schwört: <lb n="p1c_307.007"/>
So wahr ich lebe von Ewigkeit zu Ewigkeit &#x2500; und Christus <lb n="p1c_307.008"/>
schwört in der Messiade bey sich selber. &#x2500; 18) <hi rendition="#aq">Hyperbole</hi>. <lb n="p1c_307.009"/>
Diese Figur gehört auch zur Lebhaftigkeit der <lb n="p1c_307.010"/>
dichterischen Sprache. <hi rendition="#aq">La terre ne produit que du vin, <lb n="p1c_307.011"/>
nous ne naissons que pour boire</hi>, sagt ein französisches <lb n="p1c_307.012"/>
Trinklied. Dies wird gerechtfertigt durch die Erstase des <lb n="p1c_307.013"/>
dithyrambischen Gesangs. Der Dichter wirft oft seine Behauptungen <lb n="p1c_307.014"/>
ohne Einschränkung hin, und das Kühnste ist in <lb n="p1c_307.015"/>
der heftigen und muntern Rede das Wahrste, weil es das <lb n="p1c_307.016"/>
Wirksamste ist. Es giebt aber auch frostige Hyperbeln, denen <lb n="p1c_307.017"/>
man nur die Sucht, etwas Neues und Uebertriebenes <lb n="p1c_307.018"/>
zu sagen, ansieht. &#x201E;<hi rendition="#aq">Se tutti gli alberi del mondo fossero <lb n="p1c_307.019"/>
penne, il cielo fosse carta, il mare inchiostro, <lb n="p1c_307.020"/>
non basteriano a descrivere la minima parte delle <lb n="p1c_307.021"/>
vostri perfettioni</hi>, sagt ein Liebhaber beym Guarini. Dies <lb n="p1c_307.022"/>
ist <hi rendition="#g">lächerlich,</hi> wenn es im Ernst gemeynt ist. Es giebt <lb n="p1c_307.023"/>
eine Hyperbel im Ausdruck, und eine in Gedanken. Die <lb n="p1c_307.024"/>
erste ist nur eine Sprachwendung, bey der nicht mehr so <lb n="p1c_307.025"/>
viel gedacht wird, als sie sagt. <hi rendition="#aq">Faciam semen tuum <lb n="p1c_307.026"/>
sicut pulverem terrae. Genes. c. 13. vs</hi>. 16. &#x2500; Die <lb n="p1c_307.027"/>
Hyperbel in Gedanken besteht weit seltener vor der Kritik. <lb n="p1c_307.028"/>
Wenn Lucar auf die eine Seite die Meynung der Götter,
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[307/0365] p1c_307.001 hat, wo die ganze Anspielung wegfällt. Juno nimmt in p1c_307.002 der Jliade Himmel und Erde zu Zeugen, und den Styx und p1c_307.003 das heilige Haupt des Jupiters, und νωιτερον λεχος αὐτων p1c_307.004 κουριδιον (XV. vs. 35.). Auch dies ist durch die vorhergehenden p1c_307.005 Begebenheiten veranlaßt. Gott, bey Moses p1c_307.006 (Deut. XXXII.), hebt seine Hand empor und schwört: p1c_307.007 So wahr ich lebe von Ewigkeit zu Ewigkeit ─ und Christus p1c_307.008 schwört in der Messiade bey sich selber. ─ 18) Hyperbole. p1c_307.009 Diese Figur gehört auch zur Lebhaftigkeit der p1c_307.010 dichterischen Sprache. La terre ne produit que du vin, p1c_307.011 nous ne naissons que pour boire, sagt ein französisches p1c_307.012 Trinklied. Dies wird gerechtfertigt durch die Erstase des p1c_307.013 dithyrambischen Gesangs. Der Dichter wirft oft seine Behauptungen p1c_307.014 ohne Einschränkung hin, und das Kühnste ist in p1c_307.015 der heftigen und muntern Rede das Wahrste, weil es das p1c_307.016 Wirksamste ist. Es giebt aber auch frostige Hyperbeln, denen p1c_307.017 man nur die Sucht, etwas Neues und Uebertriebenes p1c_307.018 zu sagen, ansieht. „Se tutti gli alberi del mondo fossero p1c_307.019 penne, il cielo fosse carta, il mare inchiostro, p1c_307.020 non basteriano a descrivere la minima parte delle p1c_307.021 vostri perfettioni, sagt ein Liebhaber beym Guarini. Dies p1c_307.022 ist lächerlich, wenn es im Ernst gemeynt ist. Es giebt p1c_307.023 eine Hyperbel im Ausdruck, und eine in Gedanken. Die p1c_307.024 erste ist nur eine Sprachwendung, bey der nicht mehr so p1c_307.025 viel gedacht wird, als sie sagt. Faciam semen tuum p1c_307.026 sicut pulverem terrae. Genes. c. 13. vs. 16. ─ Die p1c_307.027 Hyperbel in Gedanken besteht weit seltener vor der Kritik. p1c_307.028 Wenn Lucar auf die eine Seite die Meynung der Götter,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription. (2015-09-30T09:54:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik01_1804
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik01_1804/365
Zitationshilfe: Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804, S. 307. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik01_1804/365>, abgerufen am 23.11.2024.