p1c_202.001 Die Sehnsucht des Jnstinkts ist heftig, und erhebt sich eben p1c_202.002 so beym niedern Schönen zur höchsten Naivität, wie sich die p1c_202.003 platonische Sehnsucht eines Petrarks und Tasso beym höhern p1c_202.004 Schönen zum himmlisch Erhabenen erhebt. - Die p1c_202.005 Römer sind für die jugendliche Naivität zu männlich. Terenz, p1c_202.006 Catull, Tibull, Properz haben naive Züge. Virgil p1c_202.007 ist zu sehr Nachahmer und nirgends wird mehr originelle p1c_202.008 Reinheit erfordert, als bey dem Naiven. Unter den Nenern p1c_202.009 mag sich die Naivität besonders bey den Troubadors in p1c_202.010 der Provenzalsprache haben äußern können. Die Jtaliener p1c_202.011 haben hierin vorzüglich den Amint des Tasso und Stellen p1c_202.012 aus Metastasio aufzuweisen. Die brittische Muse ist für p1c_202.013 das Naive zu philosophisch. Miltons paradiesische Schilderungen, p1c_202.014 Thomsons Jahrszeiten stellen das Naive dar, p1c_202.015 aber zuweilen mit zu viel Reflexion. Jn der größten Feinheit p1c_202.016 zeigt sich noch das Naive beym Shakespear Romeo p1c_202.017 and Juliet Act. I. Sc. V. Rom. Have not saints p1c_202.018 lips, and holy palmers too? Jul. Ay, pilgrim, p1c_202.019 lips that they must use in prayer. Act. II. Sc. II. p1c_202.020 Hier zeigt sich die Liebe Romeos und Juliens in der höchsten p1c_202.021 Naivität. Love goes toward love, as school-boys p1c_202.022 from their books, bot love from love, toward school p1c_202.023 with heavy looks. - Jul. I shall forget to have p1c_202.024 thee still stand there, rememb'ring how i love thy p1c_202.025 company. Rom. And i'll still stay, to have thee p1c_202.026 still forget, forgetting any other home but this. p1c_202.027 (Die Naivität der Natur vergißt sich eben so in ihrer Jdealität, p1c_202.028 wie das himmlisch Erhabene.) Jul. 'tis almost
p1c_202.001 Die Sehnsucht des Jnstinkts ist heftig, und erhebt sich eben p1c_202.002 so beym niedern Schönen zur höchsten Naivität, wie sich die p1c_202.003 platonische Sehnsucht eines Petrarks und Tasso beym höhern p1c_202.004 Schönen zum himmlisch Erhabenen erhebt. ─ Die p1c_202.005 Römer sind für die jugendliche Naivität zu männlich. Terenz, p1c_202.006 Catull, Tibull, Properz haben naive Züge. Virgil p1c_202.007 ist zu sehr Nachahmer und nirgends wird mehr originelle p1c_202.008 Reinheit erfordert, als bey dem Naiven. Unter den Nenern p1c_202.009 mag sich die Naivität besonders bey den Troubadors in p1c_202.010 der Provenzalsprache haben äußern können. Die Jtaliener p1c_202.011 haben hierin vorzüglich den Amint des Tasso und Stellen p1c_202.012 aus Metastasio aufzuweisen. Die brittische Muse ist für p1c_202.013 das Naive zu philosophisch. Miltons paradiesische Schilderungen, p1c_202.014 Thomsons Jahrszeiten stellen das Naive dar, p1c_202.015 aber zuweilen mit zu viel Reflexion. Jn der größten Feinheit p1c_202.016 zeigt sich noch das Naive beym Shakespear Romeo p1c_202.017 and Juliet Act. I. Sc. V. Rom. Have not saints p1c_202.018 lips, and holy palmers too? Jul. Ay, pilgrim, p1c_202.019 lips that they must use in prayer. Act. II. Sc. II. p1c_202.020 Hier zeigt sich die Liebe Romeos und Juliens in der höchsten p1c_202.021 Naivität. Love goes toward love, as school-boys p1c_202.022 from their books, bot love from love, toward school p1c_202.023 with heavy looks. ─ Jul. I shall forget to have p1c_202.024 thee still stand there, rememb'ring how i love thy p1c_202.025 company. Rom. And i'll still stay, to have thee p1c_202.026 still forget, forgetting any other home but this. p1c_202.027 (Die Naivität der Natur vergißt sich eben so in ihrer Jdealität, p1c_202.028 wie das himmlisch Erhabene.) Jul. 'tis almost
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Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik01_1804/260>, abgerufen am 27.11.2024.
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