Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804.p1c_196.001 p1c_196.001 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0254" n="196"/><lb n="p1c_196.001"/><foreign xml:lang="grc">αὐταρ ἐγωγε οὐκ ὀῖδ, οὐ γαρ πω τις ἑον γονον αὐτος</foreign><lb n="p1c_196.002"/><foreign xml:lang="grc">ἀνεγνω</foreign>. Dieß ist heilige aufrichtige Einfalt, ohne Rücksicht <lb n="p1c_196.003"/> auf gesellige Verhältniß, die eine <hi rendition="#g">naiv</hi> schöne Empfindung <lb n="p1c_196.004"/> giebt. Daher braucht man <hi rendition="#g">naiv</hi> auch in dem <lb n="p1c_196.005"/> Sinne, als Contrast der Natur mit dem Bürgerlichen. Ein <lb n="p1c_196.006"/> neuer französischer Dichter sagt eben diesen Gedanken, aber <lb n="p1c_196.007"/> schalkhaft: <hi rendition="#aq">Chacun sçait la tendre mère, dont il a <lb n="p1c_196.008"/> reçu le jour. Tout le reste est un mystère, c'est <lb n="p1c_196.009"/> le secret de l'amour</hi>. Hierüber lächelt man. Das ist <lb n="p1c_196.010"/> nicht <hi rendition="#g">naiv,</hi> sondern <hi rendition="#g">scherzhaft.</hi> ─ <hi rendition="#aq">Odyss. <foreign xml:lang="grc">α</foreign>. 232. <lb n="p1c_196.011"/> <foreign xml:lang="grc">μελλεν μεν ποτε οἰκος ὁδ' ἀφνειος και ἀμυμων ἐμμεναι</foreign>, <lb n="p1c_196.012"/> <foreign xml:lang="grc">ὀφρ' ἐτι κεινος ἀνηρ ἐπιδημιος ἦεν</foreign>. ─ vs. 300. <foreign xml:lang="grc">Και</foreign> <lb n="p1c_196.013"/> <foreign xml:lang="grc">συ φιλος</foreign> (<foreign xml:lang="grc">μαλα γαρ σ' ὀροω καλον τε μεγαν τε</foreign>) <foreign xml:lang="grc">αλκιμος</foreign> <lb n="p1c_196.014"/> <foreign xml:lang="grc">εσσ' ἱνα τις σε και ὀψιγονων ἐυ εῖπῃ</foreign></hi>. Hier nähert <lb n="p1c_196.015"/> sich das Naive dem Starken. ─ An einem andern Orte <lb n="p1c_196.016"/> sagt Telemach: „<foreign xml:lang="grc">Ηδη γαρ νοεω και οἰδα ἑκαϛα ἐσθλα τε</foreign> <lb n="p1c_196.017"/> <foreign xml:lang="grc">και τα χερεια, παρος δ' ἐτι νηπιος ηα</foreign>.“ Naiv ist der <lb n="p1c_196.018"/> Charakter der Nausicaa, und ihre Unterredung mit dem <lb n="p1c_196.019"/> Odysseus. <hi rendition="#aq">Z. vs</hi>. 180. „Mögen verleihn dir die Götter, <lb n="p1c_196.020"/> was du im Herzen begehrest, einen Mann und ein Haus <lb n="p1c_196.021"/> und stille häusliche Eintracht. Denn es wird kein herrlicher <lb n="p1c_196.022"/> Gut den sterblichen Menschen, als wenn gleichgesinnet zusammen <lb n="p1c_196.023"/> im Hause regieren Mann und Weib, das schafft <lb n="p1c_196.024"/> viel Schmerz dem feindlichen Neider, viele Freude dem <lb n="p1c_196.025"/> Freund, dem Glücklichen selber, die meiste.“ ─ Wie <lb n="p1c_196.026"/> offenherzig gesteht Nausicaa ihren Wunsch: <hi rendition="#aq">vs. 245. <foreign xml:lang="grc">αἱ</foreign> <lb n="p1c_196.027"/> <foreign xml:lang="grc">γαρ ἐμοι τοιοςδε ποσις κεκλημενος εἰη ἐνθαδε ναιεταων</foreign>, <lb n="p1c_196.028"/> <foreign xml:lang="grc">και οἱ ἁδοι αὐτοθι μιμνειν</foreign></hi>. ─ Selbst das <hi rendition="#g">traurige</hi> </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [196/0254]
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αὐταρ ἐγωγε οὐκ ὀῖδ, οὐ γαρ πω τις ἑον γονον αὐτος p1c_196.002
ἀνεγνω. Dieß ist heilige aufrichtige Einfalt, ohne Rücksicht p1c_196.003
auf gesellige Verhältniß, die eine naiv schöne Empfindung p1c_196.004
giebt. Daher braucht man naiv auch in dem p1c_196.005
Sinne, als Contrast der Natur mit dem Bürgerlichen. Ein p1c_196.006
neuer französischer Dichter sagt eben diesen Gedanken, aber p1c_196.007
schalkhaft: Chacun sçait la tendre mère, dont il a p1c_196.008
reçu le jour. Tout le reste est un mystère, c'est p1c_196.009
le secret de l'amour. Hierüber lächelt man. Das ist p1c_196.010
nicht naiv, sondern scherzhaft. ─ Odyss. α. 232. p1c_196.011
μελλεν μεν ποτε οἰκος ὁδ' ἀφνειος και ἀμυμων ἐμμεναι, p1c_196.012
ὀφρ' ἐτι κεινος ἀνηρ ἐπιδημιος ἦεν. ─ vs. 300. Και p1c_196.013
συ φιλος (μαλα γαρ σ' ὀροω καλον τε μεγαν τε) αλκιμος p1c_196.014
εσσ' ἱνα τις σε και ὀψιγονων ἐυ εῖπῃ. Hier nähert p1c_196.015
sich das Naive dem Starken. ─ An einem andern Orte p1c_196.016
sagt Telemach: „Ηδη γαρ νοεω και οἰδα ἑκαϛα ἐσθλα τε p1c_196.017
και τα χερεια, παρος δ' ἐτι νηπιος ηα.“ Naiv ist der p1c_196.018
Charakter der Nausicaa, und ihre Unterredung mit dem p1c_196.019
Odysseus. Z. vs. 180. „Mögen verleihn dir die Götter, p1c_196.020
was du im Herzen begehrest, einen Mann und ein Haus p1c_196.021
und stille häusliche Eintracht. Denn es wird kein herrlicher p1c_196.022
Gut den sterblichen Menschen, als wenn gleichgesinnet zusammen p1c_196.023
im Hause regieren Mann und Weib, das schafft p1c_196.024
viel Schmerz dem feindlichen Neider, viele Freude dem p1c_196.025
Freund, dem Glücklichen selber, die meiste.“ ─ Wie p1c_196.026
offenherzig gesteht Nausicaa ihren Wunsch: vs. 245. αἱ p1c_196.027
γαρ ἐμοι τοιοςδε ποσις κεκλημενος εἰη ἐνθαδε ναιεταων, p1c_196.028
και οἱ ἁδοι αὐτοθι μιμνειν. ─ Selbst das traurige
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