Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804.

Bild:
<< vorherige Seite

p1c_043.001
soll. Denn als Vernunftwesen muß ich vernehmen, p1c_043.002
wonach ich hingehen soll, ich muß einen Zweck p1c_043.003
haben. Jn dieser Rücksicht hat schon vor Kanten Platner p1c_043.004
das praktische Gesetz weit besser ausgedrückt: "Folge deiner p1c_043.005
Ueberzeugung von dem was du für wahr und gut erkennst." p1c_043.006
- Nun hat Kant darinnen vollkommen recht, daß dies von p1c_043.007
dem Gesetz zur Hervorbringung aufgegebene Objekt des p1c_043.008
Handelns kein endlich bedingtes seyn könne, nichts p1c_043.009
materielles. Das endlich bedingte Objekt könnte erreicht p1c_043.010
werden, und dann wäre alles Handeln am Ende. Das p1c_043.011
Begehren von etwas Materiellen, als solchem, p1c_043.012
würde der Achtung für die Form schaden, welche allerdings p1c_043.013
höher ist, als die Materie. Daher muß das Materielle p1c_043.014
vom vernünftigen Willen gewollt werden, um p1c_043.015
die Form daran zeigen zu können, und dies Objekt muß in p1c_043.016
der Formel aufgestellt seyn. Das Objekt ist also in der p1c_043.017
Aufgabe eben so unendlich, wie die innere Form, es ist p1c_043.018
durch Begriffe unbedingbar. Der vernünftige Wille soll p1c_043.019
streben, die innern ewigen Vernunftideen wirklich p1c_043.020
zu machen, sich des Wahren und Guten (Jdealen p1c_043.021
oder innerlich Realen) immer mehr anschaulich, d. p1c_043.022
h. im äußerlich Realen bewußt zu werden, das Jdeale p1c_043.023
ausser
dem Schöpfergeist zu realisiren. Das höchste p1c_043.024
Gut und Objekt, welches vom Gesetz aufgestellt wird, kann p1c_043.025
nie Begriff werden, ein materieller Zweck allein, wird p1c_043.026
ewig Ahnung bleiben. Bezeichnen kann man es mit dem p1c_043.027
Begriff und Wort ideale Welt, Seligkeit. Durch die p1c_043.028
Form geläuterte Anschauung und Sinnlichkeit, und durch

p1c_043.001
soll. Denn als Vernunftwesen muß ich vernehmen, p1c_043.002
wonach ich hingehen soll, ich muß einen Zweck p1c_043.003
haben. Jn dieser Rücksicht hat schon vor Kanten Platner p1c_043.004
das praktische Gesetz weit besser ausgedrückt: „Folge deiner p1c_043.005
Ueberzeugung von dem was du für wahr und gut erkennst.“ p1c_043.006
─ Nun hat Kant darinnen vollkommen recht, daß dies von p1c_043.007
dem Gesetz zur Hervorbringung aufgegebene Objekt des p1c_043.008
Handelns kein endlich bedingtes seyn könne, nichts p1c_043.009
materielles. Das endlich bedingte Objekt könnte erreicht p1c_043.010
werden, und dann wäre alles Handeln am Ende. Das p1c_043.011
Begehren von etwas Materiellen, als solchem, p1c_043.012
würde der Achtung für die Form schaden, welche allerdings p1c_043.013
höher ist, als die Materie. Daher muß das Materielle p1c_043.014
vom vernünftigen Willen gewollt werden, um p1c_043.015
die Form daran zeigen zu können, und dies Objekt muß in p1c_043.016
der Formel aufgestellt seyn. Das Objekt ist also in der p1c_043.017
Aufgabe eben so unendlich, wie die innere Form, es ist p1c_043.018
durch Begriffe unbedingbar. Der vernünftige Wille soll p1c_043.019
streben, die innern ewigen Vernunftideen wirklich p1c_043.020
zu machen, sich des Wahren und Guten (Jdealen p1c_043.021
oder innerlich Realen) immer mehr anschaulich, d. p1c_043.022
h. im äußerlich Realen bewußt zu werden, das Jdeale p1c_043.023
ausser
dem Schöpfergeist zu realisiren. Das höchste p1c_043.024
Gut und Objekt, welches vom Gesetz aufgestellt wird, kann p1c_043.025
nie Begriff werden, ein materieller Zweck allein, wird p1c_043.026
ewig Ahnung bleiben. Bezeichnen kann man es mit dem p1c_043.027
Begriff und Wort ideale Welt, Seligkeit. Durch die p1c_043.028
Form geläuterte Anschauung und Sinnlichkeit, und durch

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0101" n="43"/><lb n="p1c_043.001"/>
soll. Denn als <hi rendition="#g">Vernunftwesen</hi> muß ich <hi rendition="#g">vernehmen,</hi> <lb n="p1c_043.002"/>
wonach ich <hi rendition="#g">hingehen</hi> soll, ich <hi rendition="#g">muß</hi> einen <hi rendition="#g">Zweck</hi> <lb n="p1c_043.003"/>
haben. Jn dieser Rücksicht hat schon vor Kanten Platner <lb n="p1c_043.004"/>
das praktische Gesetz weit besser ausgedrückt: &#x201E;Folge deiner <lb n="p1c_043.005"/>
Ueberzeugung von dem was du für wahr und gut erkennst.&#x201C; <lb n="p1c_043.006"/>
&#x2500; Nun hat Kant darinnen vollkommen recht, daß dies von <lb n="p1c_043.007"/>
dem <hi rendition="#g">Gesetz</hi> zur Hervorbringung aufgegebene Objekt des <lb n="p1c_043.008"/>
Handelns kein <hi rendition="#g">endlich bedingtes seyn könne,</hi> nichts <lb n="p1c_043.009"/> <hi rendition="#g">materielles.</hi> Das endlich bedingte Objekt könnte erreicht <lb n="p1c_043.010"/>
werden, und dann wäre alles Handeln am Ende. Das <lb n="p1c_043.011"/> <hi rendition="#g">Begehren</hi> von etwas <hi rendition="#g">Materiellen,</hi> als solchem, <lb n="p1c_043.012"/>
würde der Achtung für die <hi rendition="#g">Form</hi> schaden, welche allerdings <lb n="p1c_043.013"/>
höher ist, als die Materie. Daher muß das <hi rendition="#g">Materielle</hi> <lb n="p1c_043.014"/>
vom vernünftigen Willen gewollt werden, <hi rendition="#g">um</hi> <lb n="p1c_043.015"/>
die <hi rendition="#g">Form</hi> daran zeigen zu können, und dies Objekt muß in <lb n="p1c_043.016"/>
der Formel aufgestellt seyn. Das <hi rendition="#g">Objekt</hi> ist also in der <lb n="p1c_043.017"/>
Aufgabe eben so unendlich, wie die <hi rendition="#g">innere Form,</hi> es ist <lb n="p1c_043.018"/>
durch Begriffe unbedingbar. Der vernünftige Wille soll <lb n="p1c_043.019"/>
streben, die <hi rendition="#g">innern ewigen</hi> Vernunftideen <hi rendition="#g">wirklich</hi> <lb n="p1c_043.020"/>
zu machen, sich des <hi rendition="#g">Wahren</hi> und <hi rendition="#g">Guten</hi> (Jdealen <lb n="p1c_043.021"/>
oder <hi rendition="#g">innerlich Realen</hi>) immer mehr <hi rendition="#g">anschaulich,</hi> d. <lb n="p1c_043.022"/>
h. im <hi rendition="#g">äußerlich Realen</hi> bewußt zu werden, das <hi rendition="#g">Jdeale <lb n="p1c_043.023"/>
ausser</hi> dem Schöpfergeist zu <hi rendition="#g">realisiren.</hi> Das höchste <lb n="p1c_043.024"/>
Gut und Objekt, welches vom Gesetz aufgestellt wird, kann <lb n="p1c_043.025"/>
nie Begriff werden, ein <hi rendition="#g">materieller</hi> Zweck allein, wird <lb n="p1c_043.026"/>
ewig Ahnung bleiben. Bezeichnen kann man es mit dem <lb n="p1c_043.027"/>
Begriff und Wort <hi rendition="#g">ideale</hi> Welt, <hi rendition="#g">Seligkeit.</hi> Durch die <lb n="p1c_043.028"/>
Form geläuterte <hi rendition="#g">Anschauung</hi> und Sinnlichkeit, und durch
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[43/0101] p1c_043.001 soll. Denn als Vernunftwesen muß ich vernehmen, p1c_043.002 wonach ich hingehen soll, ich muß einen Zweck p1c_043.003 haben. Jn dieser Rücksicht hat schon vor Kanten Platner p1c_043.004 das praktische Gesetz weit besser ausgedrückt: „Folge deiner p1c_043.005 Ueberzeugung von dem was du für wahr und gut erkennst.“ p1c_043.006 ─ Nun hat Kant darinnen vollkommen recht, daß dies von p1c_043.007 dem Gesetz zur Hervorbringung aufgegebene Objekt des p1c_043.008 Handelns kein endlich bedingtes seyn könne, nichts p1c_043.009 materielles. Das endlich bedingte Objekt könnte erreicht p1c_043.010 werden, und dann wäre alles Handeln am Ende. Das p1c_043.011 Begehren von etwas Materiellen, als solchem, p1c_043.012 würde der Achtung für die Form schaden, welche allerdings p1c_043.013 höher ist, als die Materie. Daher muß das Materielle p1c_043.014 vom vernünftigen Willen gewollt werden, um p1c_043.015 die Form daran zeigen zu können, und dies Objekt muß in p1c_043.016 der Formel aufgestellt seyn. Das Objekt ist also in der p1c_043.017 Aufgabe eben so unendlich, wie die innere Form, es ist p1c_043.018 durch Begriffe unbedingbar. Der vernünftige Wille soll p1c_043.019 streben, die innern ewigen Vernunftideen wirklich p1c_043.020 zu machen, sich des Wahren und Guten (Jdealen p1c_043.021 oder innerlich Realen) immer mehr anschaulich, d. p1c_043.022 h. im äußerlich Realen bewußt zu werden, das Jdeale p1c_043.023 ausser dem Schöpfergeist zu realisiren. Das höchste p1c_043.024 Gut und Objekt, welches vom Gesetz aufgestellt wird, kann p1c_043.025 nie Begriff werden, ein materieller Zweck allein, wird p1c_043.026 ewig Ahnung bleiben. Bezeichnen kann man es mit dem p1c_043.027 Begriff und Wort ideale Welt, Seligkeit. Durch die p1c_043.028 Form geläuterte Anschauung und Sinnlichkeit, und durch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription. (2015-09-30T09:54:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik01_1804
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik01_1804/101
Zitationshilfe: Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik01_1804/101>, abgerufen am 23.11.2024.