als ein Fehler der Unklarheit zu betrachten. Er soll also mit seinen Kolonnen nur in solcher Breite vorrücken, daß alle zugleich schlagen können. Hat der Feind selbst seine Macht getheilt, so wird das dem Angreifenden um so mehr zum Vortheil gereichen, nur können dabei freilich kleine Demonstrationen vorkommen, die gewissermaßen die strate- gischen fausses attaques sind und die Bestimmung haben jene Vortheile festzuhalten; die dadurch veranlaßte Thei- lung der Macht wäre dann gerechtfertigt.
Die ohnehin nothwendige Theilung in mehrere Kolon- nen muß zur umfassenden Anordnung des taktischen An- griffs benutzt werden, denn diese Form ist dem Angriff natürlich und darf nicht ohne Noth versäumt werden. Aber sie muß taktischer Natur bleiben, denn ein strategisches Umfassen, während ein großer Schlag geschieht, ist voll- kommene Kraftverschwendung. Es wäre also nur zu ent- schuldigen, wenn der Angreifende so stark wäre daß der Erfolg gar nicht als zweifelhaft betrachtet werden könnte.
6. Aber auch der Angriff hat seine Vorsicht, denn der Angreifende hat auch einen Rücken, hat Verbindungen, die gesichert werden müssen. Diese Sicherung muß aber wo möglich durch die Art geschehen wie er sich vorbewegt, d. h. also eo ipso durch die Armee selbst. Wenn dazu besondere Kräfte bestimmt werden müssen, also eine Thei- lung der Kräfte hervorgerufen wird, so kann dies natürlich der Kraft des Stoßes selbst nur schaden. -- Da eine beträchtliche Armee immer in der Breite von wenigstens einem Marsch vorzurücken pflegt, so wird, wenn die Rück- zugsverbindungslinien nicht zu sehr von der senkrechten ab- weichen, die Deckung derselben meistens schon durch die Fronte der Armee erreicht.
Die Gefahren dieser Art, welchen der Angreifende
als ein Fehler der Unklarheit zu betrachten. Er ſoll alſo mit ſeinen Kolonnen nur in ſolcher Breite vorruͤcken, daß alle zugleich ſchlagen koͤnnen. Hat der Feind ſelbſt ſeine Macht getheilt, ſo wird das dem Angreifenden um ſo mehr zum Vortheil gereichen, nur koͤnnen dabei freilich kleine Demonſtrationen vorkommen, die gewiſſermaßen die ſtrate- giſchen fausses attaques ſind und die Beſtimmung haben jene Vortheile feſtzuhalten; die dadurch veranlaßte Thei- lung der Macht waͤre dann gerechtfertigt.
Die ohnehin nothwendige Theilung in mehrere Kolon- nen muß zur umfaſſenden Anordnung des taktiſchen An- griffs benutzt werden, denn dieſe Form iſt dem Angriff natuͤrlich und darf nicht ohne Noth verſaͤumt werden. Aber ſie muß taktiſcher Natur bleiben, denn ein ſtrategiſches Umfaſſen, waͤhrend ein großer Schlag geſchieht, iſt voll- kommene Kraftverſchwendung. Es waͤre alſo nur zu ent- ſchuldigen, wenn der Angreifende ſo ſtark waͤre daß der Erfolg gar nicht als zweifelhaft betrachtet werden koͤnnte.
6. Aber auch der Angriff hat ſeine Vorſicht, denn der Angreifende hat auch einen Ruͤcken, hat Verbindungen, die geſichert werden muͤſſen. Dieſe Sicherung muß aber wo moͤglich durch die Art geſchehen wie er ſich vorbewegt, d. h. alſo eo ipso durch die Armee ſelbſt. Wenn dazu beſondere Kraͤfte beſtimmt werden muͤſſen, alſo eine Thei- lung der Kraͤfte hervorgerufen wird, ſo kann dies natuͤrlich der Kraft des Stoßes ſelbſt nur ſchaden. — Da eine betraͤchtliche Armee immer in der Breite von wenigſtens einem Marſch vorzuruͤcken pflegt, ſo wird, wenn die Ruͤck- zugsverbindungslinien nicht zu ſehr von der ſenkrechten ab- weichen, die Deckung derſelben meiſtens ſchon durch die Fronte der Armee erreicht.
Die Gefahren dieſer Art, welchen der Angreifende
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als ein Fehler der Unklarheit zu betrachten. Er ſoll alſo
mit ſeinen Kolonnen nur in ſolcher Breite vorruͤcken, daß
alle zugleich ſchlagen koͤnnen. Hat der Feind ſelbſt ſeine
Macht getheilt, ſo wird das dem Angreifenden um ſo mehr
zum Vortheil gereichen, nur koͤnnen dabei freilich kleine
Demonſtrationen vorkommen, die gewiſſermaßen die ſtrate-
giſchen fausses attaques ſind und die Beſtimmung haben
jene Vortheile feſtzuhalten; die dadurch veranlaßte Thei-
lung der Macht waͤre dann gerechtfertigt.
Die ohnehin nothwendige Theilung in mehrere Kolon-
nen muß zur umfaſſenden Anordnung des taktiſchen An-
griffs benutzt werden, denn dieſe Form iſt dem Angriff
natuͤrlich und darf nicht ohne Noth verſaͤumt werden. Aber
ſie muß taktiſcher Natur bleiben, denn ein ſtrategiſches
Umfaſſen, waͤhrend ein großer Schlag geſchieht, iſt voll-
kommene Kraftverſchwendung. Es waͤre alſo nur zu ent-
ſchuldigen, wenn der Angreifende ſo ſtark waͤre daß der
Erfolg gar nicht als zweifelhaft betrachtet werden koͤnnte.
6. Aber auch der Angriff hat ſeine Vorſicht, denn
der Angreifende hat auch einen Ruͤcken, hat Verbindungen,
die geſichert werden muͤſſen. Dieſe Sicherung muß aber
wo moͤglich durch die Art geſchehen wie er ſich vorbewegt,
d. h. alſo eo ipso durch die Armee ſelbſt. Wenn dazu
beſondere Kraͤfte beſtimmt werden muͤſſen, alſo eine Thei-
lung der Kraͤfte hervorgerufen wird, ſo kann dies natuͤrlich
der Kraft des Stoßes ſelbſt nur ſchaden. — Da eine
betraͤchtliche Armee immer in der Breite von wenigſtens
einem Marſch vorzuruͤcken pflegt, ſo wird, wenn die Ruͤck-
zugsverbindungslinien nicht zu ſehr von der ſenkrechten ab-
weichen, die Deckung derſelben meiſtens ſchon durch die
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten de… [mehr]
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten des Autors nicht als selbstständige Publikation. Es wurde posthum, zwischen 1832 und 1834, als Bde. 1-3 der "Hinterlassenen Werke des Generals Carl von Clausewitz" von dessen Witwe Marie von Clausewitz herausgegeben.
Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/54>, abgerufen am 22.11.2024.
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