Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

428. Diese Tendenz aber wird geschwächt oder ganz
aufgehoben wenn der Vertheidiger sich zu sehr ausge-
dehnt hat.

429. Zwar kann der Vertheidiger unter diesen Um-
ständen, da es ihm an zurückgestellten Massen fehlt, den
Angreifenden für seine eigne große Ausdehnung beim Um-
fassen nicht bestrafen, aber die Vortheile des Umfassens
werden eo ipso zu gering.

430. Der Angreifende wird also die Vortheile des
Umfassens nun nicht mehr suchen, wenn er nicht seiner
Verhältnisse wegen einen sehr großen Werth auf das Ab-
schneiden legen muß. Auf diese Weise ist also die Ten-
denz zum Umfassen geschwächt.

431. Sie wird aber ganz aufgehoben wenn der Ver-
theidiger eine so große Fronte genommen hat daß der An-
greifende einen großen Theil derselben müßig lassen kann,
denn dies ist ihm ein höchst wirksamer Gewinn.

432. In solchen Fällen kommt also der Angreifende
dazu seine Vortheile gar nicht mehr in der Ausdehnung
und dem Umfassen, sondern auf der entgegengesetzten Seite,
nämlich in der Konzentrirung seiner Kräfte gegen einen
Punkt zu suchen. Daß aber dies mit einer tieferen Auf-
stellung gleichbedeutend ist lehrt der Augenschein.

433. Wie weit der Angreifende die Verkleinerung
seiner Fronte treiben darf hängt ab

a) von der Größe der Massen;
b) von der Größe der feindlichen Fronte;
c) von seiner Bereitschaft zur Gegenoffensive.

434. Bei kleinen Massen kann man keinen Theil
der feindlichen Fronte mit Vortheil unbeschäftigt lassen;
denn diese Theile können, da Alles übersehen wird und die

428. Dieſe Tendenz aber wird geſchwaͤcht oder ganz
aufgehoben wenn der Vertheidiger ſich zu ſehr ausge-
dehnt hat.

429. Zwar kann der Vertheidiger unter dieſen Um-
ſtaͤnden, da es ihm an zuruͤckgeſtellten Maſſen fehlt, den
Angreifenden fuͤr ſeine eigne große Ausdehnung beim Um-
faſſen nicht beſtrafen, aber die Vortheile des Umfaſſens
werden eo ipso zu gering.

430. Der Angreifende wird alſo die Vortheile des
Umfaſſens nun nicht mehr ſuchen, wenn er nicht ſeiner
Verhaͤltniſſe wegen einen ſehr großen Werth auf das Ab-
ſchneiden legen muß. Auf dieſe Weiſe iſt alſo die Ten-
denz zum Umfaſſen geſchwaͤcht.

431. Sie wird aber ganz aufgehoben wenn der Ver-
theidiger eine ſo große Fronte genommen hat daß der An-
greifende einen großen Theil derſelben muͤßig laſſen kann,
denn dies iſt ihm ein hoͤchſt wirkſamer Gewinn.

432. In ſolchen Faͤllen kommt alſo der Angreifende
dazu ſeine Vortheile gar nicht mehr in der Ausdehnung
und dem Umfaſſen, ſondern auf der entgegengeſetzten Seite,
naͤmlich in der Konzentrirung ſeiner Kraͤfte gegen einen
Punkt zu ſuchen. Daß aber dies mit einer tieferen Auf-
ſtellung gleichbedeutend iſt lehrt der Augenſchein.

433. Wie weit der Angreifende die Verkleinerung
ſeiner Fronte treiben darf haͤngt ab

a) von der Groͤße der Maſſen;
b) von der Groͤße der feindlichen Fronte;
c) von ſeiner Bereitſchaft zur Gegenoffenſive.

434. Bei kleinen Maſſen kann man keinen Theil
der feindlichen Fronte mit Vortheil unbeſchaͤftigt laſſen;
denn dieſe Theile koͤnnen, da Alles uͤberſehen wird und die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <pb facs="#f0370" n="356"/>
                <p>428. Die&#x017F;e Tendenz aber wird ge&#x017F;chwa&#x0364;cht oder ganz<lb/>
aufgehoben wenn der Vertheidiger &#x017F;ich zu &#x017F;ehr ausge-<lb/>
dehnt hat.</p><lb/>
                <p>429. Zwar kann der Vertheidiger unter die&#x017F;en Um-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;nden, da es ihm an zuru&#x0364;ckge&#x017F;tellten Ma&#x017F;&#x017F;en fehlt, den<lb/>
Angreifenden fu&#x0364;r &#x017F;eine eigne große Ausdehnung beim Um-<lb/>
fa&#x017F;&#x017F;en nicht be&#x017F;trafen, aber die Vortheile des Umfa&#x017F;&#x017F;ens<lb/>
werden <hi rendition="#aq">eo ipso</hi> zu gering.</p><lb/>
                <p>430. Der Angreifende wird al&#x017F;o die Vortheile des<lb/>
Umfa&#x017F;&#x017F;ens nun nicht mehr &#x017F;uchen, wenn er nicht &#x017F;einer<lb/>
Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e wegen einen &#x017F;ehr großen Werth auf das Ab-<lb/>
&#x017F;chneiden legen muß. Auf die&#x017F;e Wei&#x017F;e i&#x017F;t al&#x017F;o die Ten-<lb/>
denz zum Umfa&#x017F;&#x017F;en ge&#x017F;chwa&#x0364;cht.</p><lb/>
                <p>431. Sie wird aber ganz aufgehoben wenn der Ver-<lb/>
theidiger eine &#x017F;o große Fronte genommen hat daß der An-<lb/>
greifende einen großen Theil der&#x017F;elben mu&#x0364;ßig la&#x017F;&#x017F;en kann,<lb/>
denn dies i&#x017F;t ihm ein ho&#x0364;ch&#x017F;t wirk&#x017F;amer Gewinn.</p><lb/>
                <p>432. In &#x017F;olchen Fa&#x0364;llen kommt al&#x017F;o der Angreifende<lb/>
dazu &#x017F;eine Vortheile gar nicht mehr in der Ausdehnung<lb/>
und dem Umfa&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;ondern auf der entgegenge&#x017F;etzten Seite,<lb/>
na&#x0364;mlich in der Konzentrirung &#x017F;einer Kra&#x0364;fte gegen einen<lb/>
Punkt zu &#x017F;uchen. Daß aber dies mit einer tieferen Auf-<lb/>
&#x017F;tellung gleichbedeutend i&#x017F;t lehrt der Augen&#x017F;chein.</p><lb/>
                <p>433. Wie weit der Angreifende die Verkleinerung<lb/>
&#x017F;einer Fronte treiben darf ha&#x0364;ngt ab</p><lb/>
                <list>
                  <item><hi rendition="#aq">a)</hi> von der Gro&#x0364;ße der Ma&#x017F;&#x017F;en;</item><lb/>
                  <item><hi rendition="#aq">b)</hi> von der Gro&#x0364;ße der feindlichen Fronte;</item><lb/>
                  <item><hi rendition="#aq">c)</hi> von &#x017F;einer Bereit&#x017F;chaft zur Gegenoffen&#x017F;ive.</item>
                </list><lb/>
                <p>434. Bei kleinen Ma&#x017F;&#x017F;en kann man keinen Theil<lb/>
der feindlichen Fronte mit Vortheil unbe&#x017F;cha&#x0364;ftigt la&#x017F;&#x017F;en;<lb/>
denn die&#x017F;e Theile ko&#x0364;nnen, da Alles u&#x0364;ber&#x017F;ehen wird und die<lb/></p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[356/0370] 428. Dieſe Tendenz aber wird geſchwaͤcht oder ganz aufgehoben wenn der Vertheidiger ſich zu ſehr ausge- dehnt hat. 429. Zwar kann der Vertheidiger unter dieſen Um- ſtaͤnden, da es ihm an zuruͤckgeſtellten Maſſen fehlt, den Angreifenden fuͤr ſeine eigne große Ausdehnung beim Um- faſſen nicht beſtrafen, aber die Vortheile des Umfaſſens werden eo ipso zu gering. 430. Der Angreifende wird alſo die Vortheile des Umfaſſens nun nicht mehr ſuchen, wenn er nicht ſeiner Verhaͤltniſſe wegen einen ſehr großen Werth auf das Ab- ſchneiden legen muß. Auf dieſe Weiſe iſt alſo die Ten- denz zum Umfaſſen geſchwaͤcht. 431. Sie wird aber ganz aufgehoben wenn der Ver- theidiger eine ſo große Fronte genommen hat daß der An- greifende einen großen Theil derſelben muͤßig laſſen kann, denn dies iſt ihm ein hoͤchſt wirkſamer Gewinn. 432. In ſolchen Faͤllen kommt alſo der Angreifende dazu ſeine Vortheile gar nicht mehr in der Ausdehnung und dem Umfaſſen, ſondern auf der entgegengeſetzten Seite, naͤmlich in der Konzentrirung ſeiner Kraͤfte gegen einen Punkt zu ſuchen. Daß aber dies mit einer tieferen Auf- ſtellung gleichbedeutend iſt lehrt der Augenſchein. 433. Wie weit der Angreifende die Verkleinerung ſeiner Fronte treiben darf haͤngt ab a) von der Groͤße der Maſſen; b) von der Groͤße der feindlichen Fronte; c) von ſeiner Bereitſchaft zur Gegenoffenſive. 434. Bei kleinen Maſſen kann man keinen Theil der feindlichen Fronte mit Vortheil unbeſchaͤftigt laſſen; denn dieſe Theile koͤnnen, da Alles uͤberſehen wird und die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten de… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/370
Zitationshilfe: Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 356. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/370>, abgerufen am 25.11.2024.