2. Den Hauptstoß richtet man gegen einen feindli- chen Flügel, indem man ihn von vorn und von der Seite angreift oder auch ganz umgeht und von hinten kommt. Nur wenn man im Siegen den Feind von seiner Rück- zugslinie abdrängt, hat man große Erfolge.
3. Wenn man auch stark ist, so wählt man doch nur einen Punkt worauf man den Hauptstoß richten will und giebt sich auf diesem dafür um so mehr Stärke; denn eine Armee förmlich einzuschließen ist in den wenig- sten Fällen möglich oder würde eine ungeheure physische oder moralische Überlegenheit voraussetzen. Von den Rück- zugslinien abdrängen kann man aber den Feind auch von einem Punkte seiner Flanke aus und das giebt schon große Erfolge.
4. Überhaupt ist die Gewißheit (hohe Wahrschein- lichkeit) des Sieges, d. h. die Gewißheit den Feind vom Schlachtfelde zu vertreiben, die Hauptsache. Darauf muß die Anlage der Schlacht gerichtet sein, denn es ist leicht einen erhaltenen nicht entschiedenen Sieg durch Ener- gie im Verfolgen entscheidend zu machen.
5. Man sucht den Feind auf dem Flügel wo man ihn mit der Hauptstärke angreift, konzentrisch anzufallen, d. h. so, daß seine Truppen sich von allen Seiten bekämpft sehen. Gesetzt auch, der Feind hat hier Truppen genug um nach allen Seiten Fronte zu machen, so werden die Truppen unter solchen Umständen doch leichter muthlos, sie leiden mehr, kommen in Unordnung etc., kurz man hat die Hoffnung sie eher zum Weichen zu bringen.
6. Dieses Umfassen des Feindes nöthigt den Angrei- fenden seine Kräfte in der Fronte mehr zu entwickeln als der Vertheidiger.
2. Den Hauptſtoß richtet man gegen einen feindli- chen Fluͤgel, indem man ihn von vorn und von der Seite angreift oder auch ganz umgeht und von hinten kommt. Nur wenn man im Siegen den Feind von ſeiner Ruͤck- zugslinie abdraͤngt, hat man große Erfolge.
3. Wenn man auch ſtark iſt, ſo waͤhlt man doch nur einen Punkt worauf man den Hauptſtoß richten will und giebt ſich auf dieſem dafuͤr um ſo mehr Staͤrke; denn eine Armee foͤrmlich einzuſchließen iſt in den wenig- ſten Faͤllen moͤglich oder wuͤrde eine ungeheure phyſiſche oder moraliſche Überlegenheit vorausſetzen. Von den Ruͤck- zugslinien abdraͤngen kann man aber den Feind auch von einem Punkte ſeiner Flanke aus und das giebt ſchon große Erfolge.
4. Überhaupt iſt die Gewißheit (hohe Wahrſchein- lichkeit) des Sieges, d. h. die Gewißheit den Feind vom Schlachtfelde zu vertreiben, die Hauptſache. Darauf muß die Anlage der Schlacht gerichtet ſein, denn es iſt leicht einen erhaltenen nicht entſchiedenen Sieg durch Ener- gie im Verfolgen entſcheidend zu machen.
5. Man ſucht den Feind auf dem Fluͤgel wo man ihn mit der Hauptſtaͤrke angreift, konzentriſch anzufallen, d. h. ſo, daß ſeine Truppen ſich von allen Seiten bekaͤmpft ſehen. Geſetzt auch, der Feind hat hier Truppen genug um nach allen Seiten Fronte zu machen, ſo werden die Truppen unter ſolchen Umſtaͤnden doch leichter muthlos, ſie leiden mehr, kommen in Unordnung ꝛc., kurz man hat die Hoffnung ſie eher zum Weichen zu bringen.
6. Dieſes Umfaſſen des Feindes noͤthigt den Angrei- fenden ſeine Kraͤfte in der Fronte mehr zu entwickeln als der Vertheidiger.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><pbfacs="#f0233"n="219"/><p>2. Den Hauptſtoß richtet man gegen einen feindli-<lb/>
chen Fluͤgel, indem man ihn von vorn und von der Seite<lb/>
angreift oder auch ganz umgeht und von hinten kommt.<lb/>
Nur wenn man im Siegen den Feind von ſeiner Ruͤck-<lb/>
zugslinie abdraͤngt, hat man große Erfolge.</p><lb/><p>3. Wenn man auch ſtark iſt, ſo waͤhlt man doch<lb/>
nur einen Punkt worauf man den Hauptſtoß richten will<lb/>
und giebt ſich auf dieſem dafuͤr um ſo mehr Staͤrke;<lb/>
denn eine Armee foͤrmlich einzuſchließen iſt in den wenig-<lb/>ſten Faͤllen moͤglich oder wuͤrde eine ungeheure phyſiſche<lb/>
oder moraliſche Überlegenheit vorausſetzen. Von den Ruͤck-<lb/>
zugslinien abdraͤngen kann man aber den Feind auch von<lb/>
einem Punkte ſeiner Flanke aus und das giebt ſchon große<lb/>
Erfolge.</p><lb/><p>4. Überhaupt iſt die Gewißheit (hohe Wahrſchein-<lb/>
lichkeit) des Sieges, d. h. die Gewißheit den Feind<lb/>
vom Schlachtfelde zu vertreiben, die Hauptſache. Darauf<lb/>
muß die Anlage der Schlacht gerichtet ſein, denn es iſt<lb/>
leicht einen erhaltenen nicht entſchiedenen Sieg durch Ener-<lb/>
gie im Verfolgen entſcheidend zu machen.</p><lb/><p>5. Man ſucht den Feind auf dem Fluͤgel wo man<lb/>
ihn mit der Hauptſtaͤrke angreift, konzentriſch anzufallen,<lb/>
d. h. ſo, daß ſeine Truppen ſich von allen Seiten bekaͤmpft<lb/>ſehen. Geſetzt auch, der Feind hat hier Truppen genug<lb/>
um nach allen Seiten Fronte zu machen, ſo werden die<lb/>
Truppen unter ſolchen Umſtaͤnden doch leichter muthlos,<lb/>ſie leiden mehr, kommen in Unordnung ꝛc., kurz man hat<lb/>
die Hoffnung ſie eher zum Weichen zu bringen.</p><lb/><p>6. Dieſes Umfaſſen des Feindes noͤthigt den Angrei-<lb/>
fenden ſeine Kraͤfte in der Fronte mehr zu entwickeln<lb/>
als der Vertheidiger.</p><lb/></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[219/0233]
2. Den Hauptſtoß richtet man gegen einen feindli-
chen Fluͤgel, indem man ihn von vorn und von der Seite
angreift oder auch ganz umgeht und von hinten kommt.
Nur wenn man im Siegen den Feind von ſeiner Ruͤck-
zugslinie abdraͤngt, hat man große Erfolge.
3. Wenn man auch ſtark iſt, ſo waͤhlt man doch
nur einen Punkt worauf man den Hauptſtoß richten will
und giebt ſich auf dieſem dafuͤr um ſo mehr Staͤrke;
denn eine Armee foͤrmlich einzuſchließen iſt in den wenig-
ſten Faͤllen moͤglich oder wuͤrde eine ungeheure phyſiſche
oder moraliſche Überlegenheit vorausſetzen. Von den Ruͤck-
zugslinien abdraͤngen kann man aber den Feind auch von
einem Punkte ſeiner Flanke aus und das giebt ſchon große
Erfolge.
4. Überhaupt iſt die Gewißheit (hohe Wahrſchein-
lichkeit) des Sieges, d. h. die Gewißheit den Feind
vom Schlachtfelde zu vertreiben, die Hauptſache. Darauf
muß die Anlage der Schlacht gerichtet ſein, denn es iſt
leicht einen erhaltenen nicht entſchiedenen Sieg durch Ener-
gie im Verfolgen entſcheidend zu machen.
5. Man ſucht den Feind auf dem Fluͤgel wo man
ihn mit der Hauptſtaͤrke angreift, konzentriſch anzufallen,
d. h. ſo, daß ſeine Truppen ſich von allen Seiten bekaͤmpft
ſehen. Geſetzt auch, der Feind hat hier Truppen genug
um nach allen Seiten Fronte zu machen, ſo werden die
Truppen unter ſolchen Umſtaͤnden doch leichter muthlos,
ſie leiden mehr, kommen in Unordnung ꝛc., kurz man hat
die Hoffnung ſie eher zum Weichen zu bringen.
6. Dieſes Umfaſſen des Feindes noͤthigt den Angrei-
fenden ſeine Kraͤfte in der Fronte mehr zu entwickeln
als der Vertheidiger.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten de… [mehr]
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten des Autors nicht als selbstständige Publikation. Es wurde posthum, zwischen 1832 und 1834, als Bde. 1-3 der "Hinterlassenen Werke des Generals Carl von Clausewitz" von dessen Witwe Marie von Clausewitz herausgegeben.
Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/233>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.