ungeheurer Unterschied statt, aber das ist nur ein Unter- schied in den Graden, nicht in der Art. -- Man könnte sich wohl denken daß auch der Angreifende einmal die ver- theidigende Form wählte um besser zum Ziele zu kommen, daß er sich z. B. in einer guten Stellung aufstellte um sich darin angreifen zu lassen; aber diese Fälle sind so sel- ten daß wir in unserer Gruppirung der Begriffe und der Sachen, wo wir immer von dem Praktischen ausgehen, nicht darauf Rücksicht zu nehmen brauchen. Es findet also beim Angriff keine solche Steigerung statt wie sie die Wi- derstandsarten darbieten.
Endlich besteht der Umfang der Angriffsmittel in der Regel nur aus der Streitkraft; zu dieser muß man dann freilich auch die Festungen rechnen, die, in der Nähe des feindlichen Kriegstheaters gelegen, auf den Angriff einen merklichen Einfluß haben. Aber dieser Einfluß wird mit dem Vorschreiten immer schwächer, und es ist begreiflich daß beim Angriffe die eigenen Festungen niemals eine so wesentliche Rolle spielen können wie bei der Vertheidigung, wo sie oftmals eine Hauptsache werden. Der Beistand des Volkes läßt sich mit dem Angriff in solchen Fällen verbunden denken, wo die Einwohner dem Angreifenden mehr zugethan sind als ihrem eigenen Heere; endlich kann der Angreifende auch Bundesgenossen haben, aber sie sind dann bloß das Ergebniß besonderer oder zufälliger Ver- hältnisse, nicht eine aus der Natur des Angriffs hervorge- hende Hülfe. Wenn wir also in der Vertheidigung Fe- stungen, Volksaufstand und Bundesgenossen in den Um- fang der Widerstandsmittel aufgenommen haben, so kön- nen wir dies nicht auch beim Angriff thun; dort gehören sie zur Natur der Sache, hier finden sie sich selten und sind dann meistens zufällig.
ungeheurer Unterſchied ſtatt, aber das iſt nur ein Unter- ſchied in den Graden, nicht in der Art. — Man koͤnnte ſich wohl denken daß auch der Angreifende einmal die ver- theidigende Form waͤhlte um beſſer zum Ziele zu kommen, daß er ſich z. B. in einer guten Stellung aufſtellte um ſich darin angreifen zu laſſen; aber dieſe Faͤlle ſind ſo ſel- ten daß wir in unſerer Gruppirung der Begriffe und der Sachen, wo wir immer von dem Praktiſchen ausgehen, nicht darauf Ruͤckſicht zu nehmen brauchen. Es findet alſo beim Angriff keine ſolche Steigerung ſtatt wie ſie die Wi- derſtandsarten darbieten.
Endlich beſteht der Umfang der Angriffsmittel in der Regel nur aus der Streitkraft; zu dieſer muß man dann freilich auch die Feſtungen rechnen, die, in der Naͤhe des feindlichen Kriegstheaters gelegen, auf den Angriff einen merklichen Einfluß haben. Aber dieſer Einfluß wird mit dem Vorſchreiten immer ſchwaͤcher, und es iſt begreiflich daß beim Angriffe die eigenen Feſtungen niemals eine ſo weſentliche Rolle ſpielen koͤnnen wie bei der Vertheidigung, wo ſie oftmals eine Hauptſache werden. Der Beiſtand des Volkes laͤßt ſich mit dem Angriff in ſolchen Faͤllen verbunden denken, wo die Einwohner dem Angreifenden mehr zugethan ſind als ihrem eigenen Heere; endlich kann der Angreifende auch Bundesgenoſſen haben, aber ſie ſind dann bloß das Ergebniß beſonderer oder zufaͤlliger Ver- haͤltniſſe, nicht eine aus der Natur des Angriffs hervorge- hende Huͤlfe. Wenn wir alſo in der Vertheidigung Fe- ſtungen, Volksaufſtand und Bundesgenoſſen in den Um- fang der Widerſtandsmittel aufgenommen haben, ſo koͤn- nen wir dies nicht auch beim Angriff thun; dort gehoͤren ſie zur Natur der Sache, hier finden ſie ſich ſelten und ſind dann meiſtens zufaͤllig.
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ungeheurer Unterſchied ſtatt, aber das iſt nur ein Unter-
ſchied in den Graden, nicht in der Art. — Man koͤnnte
ſich wohl denken daß auch der Angreifende einmal die ver-
theidigende Form waͤhlte um beſſer zum Ziele zu kommen,
daß er ſich z. B. in einer guten Stellung aufſtellte um
ſich darin angreifen zu laſſen; aber dieſe Faͤlle ſind ſo ſel-
ten daß wir in unſerer Gruppirung der Begriffe und der
Sachen, wo wir immer von dem Praktiſchen ausgehen,
nicht darauf Ruͤckſicht zu nehmen brauchen. Es findet alſo
beim Angriff keine ſolche Steigerung ſtatt wie ſie die Wi-
derſtandsarten darbieten.
Endlich beſteht der Umfang der Angriffsmittel in der
Regel nur aus der Streitkraft; zu dieſer muß man dann
freilich auch die Feſtungen rechnen, die, in der Naͤhe des
feindlichen Kriegstheaters gelegen, auf den Angriff einen
merklichen Einfluß haben. Aber dieſer Einfluß wird mit
dem Vorſchreiten immer ſchwaͤcher, und es iſt begreiflich
daß beim Angriffe die eigenen Feſtungen niemals eine ſo
weſentliche Rolle ſpielen koͤnnen wie bei der Vertheidigung,
wo ſie oftmals eine Hauptſache werden. Der Beiſtand
des Volkes laͤßt ſich mit dem Angriff in ſolchen Faͤllen
verbunden denken, wo die Einwohner dem Angreifenden
mehr zugethan ſind als ihrem eigenen Heere; endlich kann
der Angreifende auch Bundesgenoſſen haben, aber ſie ſind
dann bloß das Ergebniß beſonderer oder zufaͤlliger Ver-
haͤltniſſe, nicht eine aus der Natur des Angriffs hervorge-
hende Huͤlfe. Wenn wir alſo in der Vertheidigung Fe-
ſtungen, Volksaufſtand und Bundesgenoſſen in den Um-
fang der Widerſtandsmittel aufgenommen haben, ſo koͤn-
nen wir dies nicht auch beim Angriff thun; dort gehoͤren
ſie zur Natur der Sache, hier finden ſie ſich ſelten und
ſind dann meiſtens zufaͤllig.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten de… [mehr]
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten des Autors nicht als selbstständige Publikation. Es wurde posthum, zwischen 1832 und 1834, als Bde. 1-3 der "Hinterlassenen Werke des Generals Carl von Clausewitz" von dessen Witwe Marie von Clausewitz herausgegeben.
Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/22>, abgerufen am 24.11.2024.
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