Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

Strategie über und wirkt also in entscheidenden Zügen.
Aber wie gesagt, es gehört eine seltene Hingebung von
Seiten der Regierung dazu. Im Jahr 1813 drängte die
Noth alle in diese Richtung, und doch ist es nicht genug
zu preisen daß der Kaiser von Rußland, der mit der
stärksten Streitkraft auftrat und das größte Verdienst
um den Umschwung des Glücks hatte, seine Truppen den
preußischen und östreichischen Befehlshabern unterordnete,
ohne den Ehrgeiz zu haben, mit einer selbstständigen russi-
schen Armee aufzutreten.

Ist nun eine solche Vereinigung der Streitkräfte
nicht zu erhalten, so ist eine vollkommene Trennung der-
selben allerdings besser als eine halbe und das Schlimmste
ist immer wenn zwei unabhängige Feldherren verschiedener
Mächte sich auf ein und demselben Kriegstheater befinden,
wie das im siebenjährigen Kriege mit den Russen, Östrei-
chern und der Reichsarmee häufig der Fall war. Bei
einer vollkommenen Trennung der Kräfte sind auch die
Lasten, welche überwunden werden sollen, mehr getrennt,
und es wird dann jeder von der seinigen gedrückt, also
durch die Gewalt der Umstände mehr zur Thätigkeit ge-
drängt; befinden sie sich aber in naher Verbindung oder
gar auf einem Kriegstheater, so ist dies nicht der Fall,
und außerdem lähmt der üble Wille des Einen die Kräfte
des Andern mit.

Im ersten der drei angegebenen Fälle wird die völlige
Trennung keine Schwierigkeiten haben, weil das natürliche
Interesse jeder Macht ihr gewöhnlich schon eine andere
Richtung ihrer Kräfte zuweist; im zweiten Fall kann es
daran fehlen, und dann bleibt in der Regel Nichts übrig,
als sich der Hülfsarmee, wenn ihre Stärke einigermaßen
dazu geeignet ist, ganz unterzuordnen, wie die Östreicher

Strategie uͤber und wirkt alſo in entſcheidenden Zuͤgen.
Aber wie geſagt, es gehoͤrt eine ſeltene Hingebung von
Seiten der Regierung dazu. Im Jahr 1813 draͤngte die
Noth alle in dieſe Richtung, und doch iſt es nicht genug
zu preiſen daß der Kaiſer von Rußland, der mit der
ſtaͤrkſten Streitkraft auftrat und das groͤßte Verdienſt
um den Umſchwung des Gluͤcks hatte, ſeine Truppen den
preußiſchen und oͤſtreichiſchen Befehlshabern unterordnete,
ohne den Ehrgeiz zu haben, mit einer ſelbſtſtaͤndigen ruſſi-
ſchen Armee aufzutreten.

Iſt nun eine ſolche Vereinigung der Streitkraͤfte
nicht zu erhalten, ſo iſt eine vollkommene Trennung der-
ſelben allerdings beſſer als eine halbe und das Schlimmſte
iſt immer wenn zwei unabhaͤngige Feldherren verſchiedener
Maͤchte ſich auf ein und demſelben Kriegstheater befinden,
wie das im ſiebenjaͤhrigen Kriege mit den Ruſſen, Öſtrei-
chern und der Reichsarmee haͤufig der Fall war. Bei
einer vollkommenen Trennung der Kraͤfte ſind auch die
Laſten, welche uͤberwunden werden ſollen, mehr getrennt,
und es wird dann jeder von der ſeinigen gedruͤckt, alſo
durch die Gewalt der Umſtaͤnde mehr zur Thaͤtigkeit ge-
draͤngt; befinden ſie ſich aber in naher Verbindung oder
gar auf einem Kriegstheater, ſo iſt dies nicht der Fall,
und außerdem laͤhmt der uͤble Wille des Einen die Kraͤfte
des Andern mit.

Im erſten der drei angegebenen Faͤlle wird die voͤllige
Trennung keine Schwierigkeiten haben, weil das natuͤrliche
Intereſſe jeder Macht ihr gewoͤhnlich ſchon eine andere
Richtung ihrer Kraͤfte zuweiſt; im zweiten Fall kann es
daran fehlen, und dann bleibt in der Regel Nichts uͤbrig,
als ſich der Huͤlfsarmee, wenn ihre Staͤrke einigermaßen
dazu geeignet iſt, ganz unterzuordnen, wie die Öſtreicher

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0206" n="192"/>
Strategie u&#x0364;ber und wirkt al&#x017F;o in ent&#x017F;cheidenden Zu&#x0364;gen.<lb/>
Aber wie ge&#x017F;agt, es geho&#x0364;rt eine &#x017F;eltene Hingebung von<lb/>
Seiten der Regierung dazu. Im Jahr 1813 dra&#x0364;ngte die<lb/>
Noth alle in die&#x017F;e Richtung, und doch i&#x017F;t es nicht genug<lb/>
zu prei&#x017F;en daß der Kai&#x017F;er von Rußland, der mit der<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;rk&#x017F;ten Streitkraft auftrat und das gro&#x0364;ßte Verdien&#x017F;t<lb/>
um den Um&#x017F;chwung des Glu&#x0364;cks hatte, &#x017F;eine Truppen den<lb/>
preußi&#x017F;chen und o&#x0364;&#x017F;treichi&#x017F;chen Befehlshabern unterordnete,<lb/>
ohne den Ehrgeiz zu haben, mit einer &#x017F;elb&#x017F;t&#x017F;ta&#x0364;ndigen ru&#x017F;&#x017F;i-<lb/>
&#x017F;chen Armee aufzutreten.</p><lb/>
          <p>I&#x017F;t nun eine &#x017F;olche Vereinigung der Streitkra&#x0364;fte<lb/>
nicht zu erhalten, &#x017F;o i&#x017F;t eine vollkommene Trennung der-<lb/>
&#x017F;elben allerdings be&#x017F;&#x017F;er als eine halbe und das Schlimm&#x017F;te<lb/>
i&#x017F;t immer wenn zwei unabha&#x0364;ngige Feldherren ver&#x017F;chiedener<lb/>
Ma&#x0364;chte &#x017F;ich auf ein und dem&#x017F;elben Kriegstheater befinden,<lb/>
wie das im &#x017F;iebenja&#x0364;hrigen Kriege mit den Ru&#x017F;&#x017F;en, Ö&#x017F;trei-<lb/>
chern und der Reichsarmee ha&#x0364;ufig der Fall war. Bei<lb/>
einer vollkommenen Trennung der Kra&#x0364;fte &#x017F;ind auch die<lb/>
La&#x017F;ten, welche u&#x0364;berwunden werden &#x017F;ollen, mehr getrennt,<lb/>
und es wird dann jeder von der &#x017F;einigen gedru&#x0364;ckt, al&#x017F;o<lb/><choice><sic>dnrch</sic><corr>durch</corr></choice> die Gewalt der Um&#x017F;ta&#x0364;nde mehr zur Tha&#x0364;tigkeit ge-<lb/>
dra&#x0364;ngt; befinden &#x017F;ie &#x017F;ich aber in naher Verbindung oder<lb/>
gar auf einem Kriegstheater, &#x017F;o i&#x017F;t dies nicht der Fall,<lb/>
und außerdem la&#x0364;hmt der u&#x0364;ble Wille des Einen die Kra&#x0364;fte<lb/>
des Andern mit.</p><lb/>
          <p>Im er&#x017F;ten der drei angegebenen Fa&#x0364;lle wird die vo&#x0364;llige<lb/>
Trennung keine Schwierigkeiten haben, weil das natu&#x0364;rliche<lb/>
Intere&#x017F;&#x017F;e jeder Macht ihr gewo&#x0364;hnlich &#x017F;chon eine andere<lb/>
Richtung ihrer Kra&#x0364;fte zuwei&#x017F;t; im zweiten Fall kann es<lb/>
daran fehlen, und dann bleibt in der Regel Nichts u&#x0364;brig,<lb/>
als &#x017F;ich der Hu&#x0364;lfsarmee, wenn ihre Sta&#x0364;rke einigermaßen<lb/>
dazu geeignet i&#x017F;t, ganz unterzuordnen, wie die Ö&#x017F;treicher<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[192/0206] Strategie uͤber und wirkt alſo in entſcheidenden Zuͤgen. Aber wie geſagt, es gehoͤrt eine ſeltene Hingebung von Seiten der Regierung dazu. Im Jahr 1813 draͤngte die Noth alle in dieſe Richtung, und doch iſt es nicht genug zu preiſen daß der Kaiſer von Rußland, der mit der ſtaͤrkſten Streitkraft auftrat und das groͤßte Verdienſt um den Umſchwung des Gluͤcks hatte, ſeine Truppen den preußiſchen und oͤſtreichiſchen Befehlshabern unterordnete, ohne den Ehrgeiz zu haben, mit einer ſelbſtſtaͤndigen ruſſi- ſchen Armee aufzutreten. Iſt nun eine ſolche Vereinigung der Streitkraͤfte nicht zu erhalten, ſo iſt eine vollkommene Trennung der- ſelben allerdings beſſer als eine halbe und das Schlimmſte iſt immer wenn zwei unabhaͤngige Feldherren verſchiedener Maͤchte ſich auf ein und demſelben Kriegstheater befinden, wie das im ſiebenjaͤhrigen Kriege mit den Ruſſen, Öſtrei- chern und der Reichsarmee haͤufig der Fall war. Bei einer vollkommenen Trennung der Kraͤfte ſind auch die Laſten, welche uͤberwunden werden ſollen, mehr getrennt, und es wird dann jeder von der ſeinigen gedruͤckt, alſo durch die Gewalt der Umſtaͤnde mehr zur Thaͤtigkeit ge- draͤngt; befinden ſie ſich aber in naher Verbindung oder gar auf einem Kriegstheater, ſo iſt dies nicht der Fall, und außerdem laͤhmt der uͤble Wille des Einen die Kraͤfte des Andern mit. Im erſten der drei angegebenen Faͤlle wird die voͤllige Trennung keine Schwierigkeiten haben, weil das natuͤrliche Intereſſe jeder Macht ihr gewoͤhnlich ſchon eine andere Richtung ihrer Kraͤfte zuweiſt; im zweiten Fall kann es daran fehlen, und dann bleibt in der Regel Nichts uͤbrig, als ſich der Huͤlfsarmee, wenn ihre Staͤrke einigermaßen dazu geeignet iſt, ganz unterzuordnen, wie die Öſtreicher

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten de… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/206
Zitationshilfe: Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/206>, abgerufen am 30.04.2024.