gelang, indem er sich mit einer und derselben Armee erst gegen die Östreicher wandte, und diesen Vortheil verdankte er nur der Vertheidigung.
Im Jahre 1758, wo seine Feinde den Kreis schon enger um ihn gezogen hatten und seine Streitkräfte an- fingen in ein sehr ungleiches Verhältniß zu kommen, wollte er noch eine kleine Offensive in Mähren versuchen; er ge- dachte Olmütz zu nehmen ehe seine Gegner recht unter den Waffen wären; nicht in der Hoffnung es zu behalten oder gar von da aus weiter vorzuschreiten, sondern es als ein Außenwerk, eine contre-approche gegen die Östreicher zu benutzen, die dann den übrigen Feldzug, vielleicht auch noch einen zweiten, darauf verwenden mußten um es wieder zu nehmen. Auch dieser Angriff mißlang. Friedrich gab nun den Gedanken an jede wirkliche Offensive auf, weil er fühlte wie sie nur das Mißverhältniß in den Streit- kräften vermehrte. Eine zusammengezogene Aufstellung in der Mitte seiner Länder, in Sachsen und Schlesien, eine Benutzung der kurzen Linien, um die Streitkräfte plötzlich auf dem bedrohten Punkte zu vermehren, eine Schlacht wo sie unvermeidlich wurde, kleine Invasionen wo sich die Gelegenheit darbot, und demnächst ein ruhiges Abwarten, ein Aufsparen seiner Mittel für bessere Zeiten, war nun sein Kriegsplan im Großen. Nach und nach wurde die Ausführung immer passiver. Da er sah daß auch die Siege ihm zu viel kosteten, so versuchte er es mit Wenigerem auszukommen; es kam ihm nur auf Zeitgewinn an, nur auf die Erhaltung dessen was er noch besaß, er wurde mit dem Boden immer ökonomischer und scheuete sich nicht in ein wahrhaftes Cordonsystem überzugehn. Diesen Na- men verdienen sowohl die Stellungen des Prinzen Heinrich in Sachsen als die des Königs im schlesischen Gebirge.
gelang, indem er ſich mit einer und derſelben Armee erſt gegen die Öſtreicher wandte, und dieſen Vortheil verdankte er nur der Vertheidigung.
Im Jahre 1758, wo ſeine Feinde den Kreis ſchon enger um ihn gezogen hatten und ſeine Streitkraͤfte an- fingen in ein ſehr ungleiches Verhaͤltniß zu kommen, wollte er noch eine kleine Offenſive in Maͤhren verſuchen; er ge- dachte Olmuͤtz zu nehmen ehe ſeine Gegner recht unter den Waffen waͤren; nicht in der Hoffnung es zu behalten oder gar von da aus weiter vorzuſchreiten, ſondern es als ein Außenwerk, eine contre-approche gegen die Öſtreicher zu benutzen, die dann den uͤbrigen Feldzug, vielleicht auch noch einen zweiten, darauf verwenden mußten um es wieder zu nehmen. Auch dieſer Angriff mißlang. Friedrich gab nun den Gedanken an jede wirkliche Offenſive auf, weil er fuͤhlte wie ſie nur das Mißverhaͤltniß in den Streit- kraͤften vermehrte. Eine zuſammengezogene Aufſtellung in der Mitte ſeiner Laͤnder, in Sachſen und Schleſien, eine Benutzung der kurzen Linien, um die Streitkraͤfte ploͤtzlich auf dem bedrohten Punkte zu vermehren, eine Schlacht wo ſie unvermeidlich wurde, kleine Invaſionen wo ſich die Gelegenheit darbot, und demnaͤchſt ein ruhiges Abwarten, ein Aufſparen ſeiner Mittel fuͤr beſſere Zeiten, war nun ſein Kriegsplan im Großen. Nach und nach wurde die Ausfuͤhrung immer paſſiver. Da er ſah daß auch die Siege ihm zu viel koſteten, ſo verſuchte er es mit Wenigerem auszukommen; es kam ihm nur auf Zeitgewinn an, nur auf die Erhaltung deſſen was er noch beſaß, er wurde mit dem Boden immer oͤkonomiſcher und ſcheuete ſich nicht in ein wahrhaftes Cordonſyſtem uͤberzugehn. Dieſen Na- men verdienen ſowohl die Stellungen des Prinzen Heinrich in Sachſen als die des Koͤnigs im ſchleſiſchen Gebirge.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0172"n="158"/>
gelang, indem er ſich mit einer und derſelben Armee erſt<lb/>
gegen die Öſtreicher wandte, und dieſen Vortheil verdankte<lb/>
er nur der Vertheidigung.</p><lb/><p>Im Jahre 1758, wo ſeine Feinde den Kreis ſchon<lb/>
enger um ihn gezogen hatten und ſeine Streitkraͤfte an-<lb/>
fingen in ein ſehr ungleiches Verhaͤltniß zu kommen, wollte<lb/>
er noch eine kleine Offenſive in Maͤhren verſuchen; er ge-<lb/>
dachte Olmuͤtz zu nehmen ehe ſeine Gegner recht unter den<lb/>
Waffen waͤren; nicht in der Hoffnung es zu behalten oder<lb/>
gar von da aus weiter vorzuſchreiten, ſondern es als ein<lb/>
Außenwerk, eine <hirendition="#aq">contre-approche</hi> gegen die Öſtreicher zu<lb/>
benutzen, die dann den uͤbrigen Feldzug, vielleicht auch<lb/>
noch einen zweiten, darauf verwenden mußten um es wieder<lb/>
zu nehmen. Auch dieſer Angriff mißlang. Friedrich gab<lb/>
nun den Gedanken an jede wirkliche Offenſive auf, weil<lb/>
er fuͤhlte wie ſie nur das Mißverhaͤltniß in den Streit-<lb/>
kraͤften vermehrte. Eine zuſammengezogene Aufſtellung in<lb/>
der Mitte ſeiner Laͤnder, in Sachſen und Schleſien, eine<lb/>
Benutzung der kurzen Linien, um die Streitkraͤfte ploͤtzlich<lb/>
auf dem bedrohten Punkte zu vermehren, eine Schlacht<lb/>
wo ſie unvermeidlich wurde, kleine Invaſionen wo ſich die<lb/>
Gelegenheit darbot, und demnaͤchſt ein ruhiges Abwarten,<lb/>
ein Aufſparen ſeiner Mittel fuͤr beſſere Zeiten, war nun<lb/>ſein Kriegsplan im Großen. Nach und nach wurde die<lb/>
Ausfuͤhrung immer paſſiver. Da er ſah daß auch die Siege<lb/>
ihm zu viel koſteten, ſo verſuchte er es mit Wenigerem<lb/>
auszukommen; es kam ihm nur auf Zeitgewinn an,<lb/>
nur auf die Erhaltung deſſen was er noch beſaß, er wurde<lb/>
mit dem Boden immer oͤkonomiſcher und ſcheuete ſich nicht<lb/>
in ein wahrhaftes Cordonſyſtem uͤberzugehn. Dieſen Na-<lb/>
men verdienen ſowohl die Stellungen des Prinzen Heinrich<lb/>
in Sachſen als die des Koͤnigs im ſchleſiſchen Gebirge.<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[158/0172]
gelang, indem er ſich mit einer und derſelben Armee erſt
gegen die Öſtreicher wandte, und dieſen Vortheil verdankte
er nur der Vertheidigung.
Im Jahre 1758, wo ſeine Feinde den Kreis ſchon
enger um ihn gezogen hatten und ſeine Streitkraͤfte an-
fingen in ein ſehr ungleiches Verhaͤltniß zu kommen, wollte
er noch eine kleine Offenſive in Maͤhren verſuchen; er ge-
dachte Olmuͤtz zu nehmen ehe ſeine Gegner recht unter den
Waffen waͤren; nicht in der Hoffnung es zu behalten oder
gar von da aus weiter vorzuſchreiten, ſondern es als ein
Außenwerk, eine contre-approche gegen die Öſtreicher zu
benutzen, die dann den uͤbrigen Feldzug, vielleicht auch
noch einen zweiten, darauf verwenden mußten um es wieder
zu nehmen. Auch dieſer Angriff mißlang. Friedrich gab
nun den Gedanken an jede wirkliche Offenſive auf, weil
er fuͤhlte wie ſie nur das Mißverhaͤltniß in den Streit-
kraͤften vermehrte. Eine zuſammengezogene Aufſtellung in
der Mitte ſeiner Laͤnder, in Sachſen und Schleſien, eine
Benutzung der kurzen Linien, um die Streitkraͤfte ploͤtzlich
auf dem bedrohten Punkte zu vermehren, eine Schlacht
wo ſie unvermeidlich wurde, kleine Invaſionen wo ſich die
Gelegenheit darbot, und demnaͤchſt ein ruhiges Abwarten,
ein Aufſparen ſeiner Mittel fuͤr beſſere Zeiten, war nun
ſein Kriegsplan im Großen. Nach und nach wurde die
Ausfuͤhrung immer paſſiver. Da er ſah daß auch die Siege
ihm zu viel koſteten, ſo verſuchte er es mit Wenigerem
auszukommen; es kam ihm nur auf Zeitgewinn an,
nur auf die Erhaltung deſſen was er noch beſaß, er wurde
mit dem Boden immer oͤkonomiſcher und ſcheuete ſich nicht
in ein wahrhaftes Cordonſyſtem uͤberzugehn. Dieſen Na-
men verdienen ſowohl die Stellungen des Prinzen Heinrich
in Sachſen als die des Koͤnigs im ſchleſiſchen Gebirge.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten de… [mehr]
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten des Autors nicht als selbstständige Publikation. Es wurde posthum, zwischen 1832 und 1834, als Bde. 1-3 der "Hinterlassenen Werke des Generals Carl von Clausewitz" von dessen Witwe Marie von Clausewitz herausgegeben.
Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/172>, abgerufen am 26.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.