kunst, zum größten Nachtheil derselben, gehabt hatte und wodurch diese zu einem Halbdinge, oft zu einer wahren Spiegelfechterei herabgesunken war. Das Faktum war richtig, aber es war nur falsch dasselbe als ein zufällig entstandenes, vermeidliches Verhältniß anzusehen.
Andere glaubten Alles aus dem augenblicklichen Ein- fluß der individuellen Politik Östreichs, Preußens, Eng- lands u. s. w. erklären zu können.
Ist es aber wahr daß der eigentliche Überfall, wovon sich die Intelligenz getroffen fühlte, innerhalb der Krieg- führung fällt und nicht innerhalb der Politik selbst? d. h. nach unserer Sprache zu reden: ist das Unglück entstanden aus dem Einfluß der Politik auf den Krieg oder aus der falschen Politik selbst?
Die ungeheuren Wirkungen der französischen Revo- lution nach Außen sind aber offenbar viel weniger in neuen Mitteln und Ansichten ihrer Kriegführung, als in der ganz veränderten Staats- und Verwaltungskunst, in dem Charakter der Regierung, in dem Zustande des Volks u. s. w. zu suchen. Daß die andern Regierungen alle diese Dinge unrichtig ansahen, daß sie mit gewöhnlichen Mit- teln Kräften die Wage halten wollten, die neu und über- wältigend waren: das Alles sind Fehler der Politik.
Hätte man nun diese Fehler von dem Standpunkte einer rein militärischen Auffassung des Krieges einsehen und verbessern können? Unmöglich. Denn wenn es auch wirklich einen philosophischen Strategen gegeben hätte, welcher bloß aus der Natur des feindseligen Elementes alle Folgen hätte herleiten und dadurch eine Prophezeiung entfernter Möglichkeiten aufstellen wollen: so wäre es doch rein unmöglich gewesen solchen Hirnngespinnsten die geringste Folge zu geben.
kunſt, zum groͤßten Nachtheil derſelben, gehabt hatte und wodurch dieſe zu einem Halbdinge, oft zu einer wahren Spiegelfechterei herabgeſunken war. Das Faktum war richtig, aber es war nur falſch daſſelbe als ein zufaͤllig entſtandenes, vermeidliches Verhaͤltniß anzuſehen.
Andere glaubten Alles aus dem augenblicklichen Ein- fluß der individuellen Politik Öſtreichs, Preußens, Eng- lands u. ſ. w. erklaͤren zu koͤnnen.
Iſt es aber wahr daß der eigentliche Überfall, wovon ſich die Intelligenz getroffen fuͤhlte, innerhalb der Krieg- fuͤhrung faͤllt und nicht innerhalb der Politik ſelbſt? d. h. nach unſerer Sprache zu reden: iſt das Ungluͤck entſtanden aus dem Einfluß der Politik auf den Krieg oder aus der falſchen Politik ſelbſt?
Die ungeheuren Wirkungen der franzoͤſiſchen Revo- lution nach Außen ſind aber offenbar viel weniger in neuen Mitteln und Anſichten ihrer Kriegfuͤhrung, als in der ganz veraͤnderten Staats- und Verwaltungskunſt, in dem Charakter der Regierung, in dem Zuſtande des Volks u. ſ. w. zu ſuchen. Daß die andern Regierungen alle dieſe Dinge unrichtig anſahen, daß ſie mit gewoͤhnlichen Mit- teln Kraͤften die Wage halten wollten, die neu und uͤber- waͤltigend waren: das Alles ſind Fehler der Politik.
Haͤtte man nun dieſe Fehler von dem Standpunkte einer rein militaͤriſchen Auffaſſung des Krieges einſehen und verbeſſern koͤnnen? Unmoͤglich. Denn wenn es auch wirklich einen philoſophiſchen Strategen gegeben haͤtte, welcher bloß aus der Natur des feindſeligen Elementes alle Folgen haͤtte herleiten und dadurch eine Prophezeiung entfernter Moͤglichkeiten aufſtellen wollen: ſo waͤre es doch rein unmoͤglich geweſen ſolchen Hirnngeſpinnſten die geringſte Folge zu geben.
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kunſt, zum groͤßten Nachtheil derſelben, gehabt hatte und
wodurch dieſe zu einem Halbdinge, oft zu einer wahren
Spiegelfechterei herabgeſunken war. Das Faktum war
richtig, aber es war nur falſch daſſelbe als ein zufaͤllig
entſtandenes, vermeidliches Verhaͤltniß anzuſehen.
Andere glaubten Alles aus dem augenblicklichen Ein-
fluß der individuellen Politik Öſtreichs, Preußens, Eng-
lands u. ſ. w. erklaͤren zu koͤnnen.
Iſt es aber wahr daß der eigentliche Überfall, wovon
ſich die Intelligenz getroffen fuͤhlte, innerhalb der Krieg-
fuͤhrung faͤllt und nicht innerhalb der Politik ſelbſt? d. h.
nach unſerer Sprache zu reden: iſt das Ungluͤck entſtanden
aus dem Einfluß der Politik auf den Krieg oder aus
der falſchen Politik ſelbſt?
Die ungeheuren Wirkungen der franzoͤſiſchen Revo-
lution nach Außen ſind aber offenbar viel weniger in neuen
Mitteln und Anſichten ihrer Kriegfuͤhrung, als in der
ganz veraͤnderten Staats- und Verwaltungskunſt, in dem
Charakter der Regierung, in dem Zuſtande des Volks u.
ſ. w. zu ſuchen. Daß die andern Regierungen alle dieſe
Dinge unrichtig anſahen, daß ſie mit gewoͤhnlichen Mit-
teln Kraͤften die Wage halten wollten, die neu und uͤber-
waͤltigend waren: das Alles ſind Fehler der Politik.
Haͤtte man nun dieſe Fehler von dem Standpunkte
einer rein militaͤriſchen Auffaſſung des Krieges einſehen
und verbeſſern koͤnnen? Unmoͤglich. Denn wenn es auch
wirklich einen philoſophiſchen Strategen gegeben haͤtte,
welcher bloß aus der Natur des feindſeligen Elementes
alle Folgen haͤtte herleiten und dadurch eine Prophezeiung
entfernter Moͤglichkeiten aufſtellen wollen: ſo waͤre es doch
rein unmoͤglich geweſen ſolchen Hirnngeſpinnſten die geringſte
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten de… [mehr]
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten des Autors nicht als selbstständige Publikation. Es wurde posthum, zwischen 1832 und 1834, als Bde. 1-3 der "Hinterlassenen Werke des Generals Carl von Clausewitz" von dessen Witwe Marie von Clausewitz herausgegeben.
Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/162>, abgerufen am 25.11.2024.
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