Einladendes. Im letzten Kriege war einmal ein junger Pole bei ihnen gewesen, richtig, Potocky hieß er; der liebte auch das Theestündchen über Alles. Da war sie nur noch so ein Backfischchen; aber sie gefiel dem jungen freundlichen Kriegs¬ manne recht wohl, er nannte sie immer seine kleine Hebe, weil sie ihm den dampfenden Thee¬ becher jedesmal selbst credenzte. Zuletzt sang er dann eins und das andere seiner reizenden Na¬ tionallieder, und erzählte vom Kriege. -- -- Aber nun herauf, im Wohnzimmer schimmerte bereits Licht! --
Blauenstein erzählte von seinen Reisen; mit dem Thee war es heute nichts, weil der Graf früher als gewöhnlich zu essen wünschte; aber auch bei Tische, war es Zufall, oder hatte es Tante Letty einmal wieder nach ihrer alten Ma¬ nier so gekartet, mußte er gerade neben dieser sitzen, und die arme Tina, welche sich auf die sinnige Unterhaltung mit dem Gaste so gefreut, sie kannte ihn ja auch schon länger, und hatte gewissermaßen ein Vorrecht, erhielt ihren Platz neben Oncle Heinrich und dem alten Verwalter Herrn Sander. Was war hier für eine Ent¬ schädigung für das arme Kind zu erwarten? Sander sprach von nichts, als seiner faden,
Einladendes. Im letzten Kriege war einmal ein junger Pole bei ihnen geweſen, richtig, Potocky hieß er; der liebte auch das Theeſtuͤndchen uͤber Alles. Da war ſie nur noch ſo ein Backfiſchchen; aber ſie gefiel dem jungen freundlichen Kriegs¬ manne recht wohl, er nannte ſie immer ſeine kleine Hebe, weil ſie ihm den dampfenden Thee¬ becher jedesmal ſelbſt credenzte. Zuletzt ſang er dann eins und das andere ſeiner reizenden Na¬ tionallieder, und erzaͤhlte vom Kriege. — — Aber nun herauf, im Wohnzimmer ſchimmerte bereits Licht! —
Blauenſtein erzaͤhlte von ſeinen Reiſen; mit dem Thee war es heute nichts, weil der Graf fruͤher als gewoͤhnlich zu eſſen wuͤnſchte; aber auch bei Tiſche, war es Zufall, oder hatte es Tante Letty einmal wieder nach ihrer alten Ma¬ nier ſo gekartet, mußte er gerade neben dieſer ſitzen, und die arme Tina, welche ſich auf die ſinnige Unterhaltung mit dem Gaſte ſo gefreut, ſie kannte ihn ja auch ſchon laͤnger, und hatte gewiſſermaßen ein Vorrecht, erhielt ihren Platz neben Oncle Heinrich und dem alten Verwalter Herrn Sander. Was war hier fuͤr eine Ent¬ ſchaͤdigung fuͤr das arme Kind zu erwarten? Sander ſprach von nichts, als ſeiner faden,
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Einladendes. Im letzten Kriege war einmal ein
junger Pole bei ihnen geweſen, richtig, Potocky
hieß er; der liebte auch das Theeſtuͤndchen uͤber
Alles. Da war ſie nur noch ſo ein Backfiſchchen;
aber ſie gefiel dem jungen freundlichen Kriegs¬
manne recht wohl, er nannte ſie immer ſeine
kleine Hebe, weil ſie ihm den dampfenden Thee¬
becher jedesmal ſelbſt credenzte. Zuletzt ſang er
dann eins und das andere ſeiner reizenden Na¬
tionallieder, und erzaͤhlte vom Kriege. — —
Aber nun herauf, im Wohnzimmer ſchimmerte
bereits Licht! —
Blauenſtein erzaͤhlte von ſeinen Reiſen; mit
dem Thee war es heute nichts, weil der Graf
fruͤher als gewoͤhnlich zu eſſen wuͤnſchte; aber
auch bei Tiſche, war es Zufall, oder hatte es
Tante Letty einmal wieder nach ihrer alten Ma¬
nier ſo gekartet, mußte er gerade neben dieſer
ſitzen, und die arme Tina, welche ſich auf die
ſinnige Unterhaltung mit dem Gaſte ſo gefreut,
ſie kannte ihn ja auch ſchon laͤnger, und hatte
gewiſſermaßen ein Vorrecht, erhielt ihren Platz
neben Oncle Heinrich und dem alten Verwalter
Herrn Sander. Was war hier fuͤr eine Ent¬
ſchaͤdigung fuͤr das arme Kind zu erwarten?
Sander ſprach von nichts, als ſeiner faden,
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Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827/28>, abgerufen am 27.07.2024.
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