Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827.

Bild:
<< vorherige Seite

er auch in Verhältnissen gestanden und operirt
hat, die mir niemals bekannt geworden sind. --

Die Leidenschaft für Marie hatte den höchsten
Grad erreicht, ich verzehrte mich selbst, schwand,
wie mich meine Verwandten versicherten, sichtlich
hin wie ein Schatten, und sah doch keine freund¬
liche Aussicht vor mir. Meine Tante schlug mir
vor, schnell nach der Residenz zu reisen, und beim
Freiherrn von Struen um die Hand seiner Tochter
anzuhalten. Es blieb mir im Grunde kein an¬
derer Weg übrig, und voll, theils süßer, theils
banger Erwartungen, reis'te ich mit nichts, als
meiner Liebe beschäftigt, nach der Residenz ab.
Der Freiherr empfing mich nebst seiner Gemahlin
unendlich freundlich; sie mogten beide die Absicht
meines Besuches kennen, und erleichterten mir
meinen Antrag, den ich machte. Der Freiherr
sagte mir, ich sei ihm als Schwiegersohn herzlich
willkommen, ich habe mit seiner Tochter einen
Glauben, und sei von ihr geachtet und geliebt. --

Meine Freude kannte keine Grenzen, ich ver¬
langte nach Marien, aber sie war nicht in der
Residenz gegenwärtig, sondern in N. bei ihrem
Großvater mütterlicher Seite, wo ich nach einigen
Monaten hinreis'te, indem der Freiherr die Resi¬

er auch in Verhaͤltniſſen geſtanden und operirt
hat, die mir niemals bekannt geworden ſind. —

Die Leidenſchaft fuͤr Marie hatte den hoͤchſten
Grad erreicht, ich verzehrte mich ſelbſt, ſchwand,
wie mich meine Verwandten verſicherten, ſichtlich
hin wie ein Schatten, und ſah doch keine freund¬
liche Ausſicht vor mir. Meine Tante ſchlug mir
vor, ſchnell nach der Reſidenz zu reiſen, und beim
Freiherrn von Struen um die Hand ſeiner Tochter
anzuhalten. Es blieb mir im Grunde kein an¬
derer Weg uͤbrig, und voll, theils ſuͤßer, theils
banger Erwartungen, reiſ'te ich mit nichts, als
meiner Liebe beſchaͤftigt, nach der Reſidenz ab.
Der Freiherr empfing mich nebſt ſeiner Gemahlin
unendlich freundlich; ſie mogten beide die Abſicht
meines Beſuches kennen, und erleichterten mir
meinen Antrag, den ich machte. Der Freiherr
ſagte mir, ich ſei ihm als Schwiegerſohn herzlich
willkommen, ich habe mit ſeiner Tochter einen
Glauben, und ſei von ihr geachtet und geliebt. —

Meine Freude kannte keine Grenzen, ich ver¬
langte nach Marien, aber ſie war nicht in der
Reſidenz gegenwaͤrtig, ſondern in N. bei ihrem
Großvater muͤtterlicher Seite, wo ich nach einigen
Monaten hinreiſ'te, indem der Freiherr die Reſi¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0252" n="246"/>
er auch in Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;en ge&#x017F;tanden und operirt<lb/>
hat, die mir niemals bekannt geworden &#x017F;ind. &#x2014;</p><lb/>
        <p>Die Leiden&#x017F;chaft fu&#x0364;r Marie hatte den ho&#x0364;ch&#x017F;ten<lb/>
Grad erreicht, ich verzehrte mich &#x017F;elb&#x017F;t, &#x017F;chwand,<lb/>
wie mich meine Verwandten ver&#x017F;icherten, &#x017F;ichtlich<lb/>
hin wie ein Schatten, und &#x017F;ah doch keine freund¬<lb/>
liche Aus&#x017F;icht vor mir. Meine Tante &#x017F;chlug mir<lb/>
vor, &#x017F;chnell nach der Re&#x017F;idenz zu rei&#x017F;en, und beim<lb/>
Freiherrn von Struen um die Hand &#x017F;einer Tochter<lb/>
anzuhalten. Es blieb mir im Grunde kein an¬<lb/>
derer Weg u&#x0364;brig, und voll, theils &#x017F;u&#x0364;ßer, theils<lb/>
banger Erwartungen, rei&#x017F;'te ich mit nichts, als<lb/>
meiner Liebe be&#x017F;cha&#x0364;ftigt, nach der Re&#x017F;idenz ab.<lb/>
Der Freiherr empfing mich neb&#x017F;t &#x017F;einer Gemahlin<lb/>
unendlich freundlich; &#x017F;ie mogten beide die Ab&#x017F;icht<lb/>
meines Be&#x017F;uches kennen, und erleichterten mir<lb/>
meinen Antrag, den ich machte. Der Freiherr<lb/>
&#x017F;agte mir, ich &#x017F;ei ihm als Schwieger&#x017F;ohn herzlich<lb/>
willkommen, ich habe mit &#x017F;einer Tochter einen<lb/>
Glauben, und &#x017F;ei von ihr geachtet und geliebt. &#x2014;</p><lb/>
        <p>Meine Freude kannte keine Grenzen, ich ver¬<lb/>
langte nach Marien, aber &#x017F;ie war nicht in der<lb/>
Re&#x017F;idenz gegenwa&#x0364;rtig, &#x017F;ondern in N. bei ihrem<lb/>
Großvater mu&#x0364;tterlicher Seite, wo ich nach einigen<lb/>
Monaten hinrei&#x017F;'te, indem der Freiherr die Re&#x017F;<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[246/0252] er auch in Verhaͤltniſſen geſtanden und operirt hat, die mir niemals bekannt geworden ſind. — Die Leidenſchaft fuͤr Marie hatte den hoͤchſten Grad erreicht, ich verzehrte mich ſelbſt, ſchwand, wie mich meine Verwandten verſicherten, ſichtlich hin wie ein Schatten, und ſah doch keine freund¬ liche Ausſicht vor mir. Meine Tante ſchlug mir vor, ſchnell nach der Reſidenz zu reiſen, und beim Freiherrn von Struen um die Hand ſeiner Tochter anzuhalten. Es blieb mir im Grunde kein an¬ derer Weg uͤbrig, und voll, theils ſuͤßer, theils banger Erwartungen, reiſ'te ich mit nichts, als meiner Liebe beſchaͤftigt, nach der Reſidenz ab. Der Freiherr empfing mich nebſt ſeiner Gemahlin unendlich freundlich; ſie mogten beide die Abſicht meines Beſuches kennen, und erleichterten mir meinen Antrag, den ich machte. Der Freiherr ſagte mir, ich ſei ihm als Schwiegerſohn herzlich willkommen, ich habe mit ſeiner Tochter einen Glauben, und ſei von ihr geachtet und geliebt. — Meine Freude kannte keine Grenzen, ich ver¬ langte nach Marien, aber ſie war nicht in der Reſidenz gegenwaͤrtig, ſondern in N. bei ihrem Großvater muͤtterlicher Seite, wo ich nach einigen Monaten hinreiſ'te, indem der Freiherr die Reſi¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827/252
Zitationshilfe: Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827/252>, abgerufen am 18.05.2024.