Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827.

Bild:
<< vorherige Seite

Freiherr, Mariens Vater, erkundigte sich lebhaft
nach Ihnen, als er Sie im Gespräch mit seiner
Tochter erblickte. Er ist ein feiner Menschenkenner,
und mogte Sie vielleicht ergründet haben, ehe
Sie es vermutheten. Sie trafen uns neulich in
der Gemäldegallerie; vor dem Hause mußten
wir, wie Sie sich erinnern, auf den ausbleibenden
Wagen warten, und wurden vom Freiherrn gesehn,
der sich zufällig gegenüber im Hotel de Saxe
bei einem eben angekommenen Fremden befand.
Er schöpft nach seiner kalten, ach wohl herzlosen
Weise Verdacht, und schickt unserm Wagen seinen
Diener nach. Ich mußte mir die bittersten Dinge
sagen lassen, denn er bildete sich ein, ich sei Ihre
Vertraute, und wünsche eine Zusammenkunft
zwischen Marien und Ihnen zu bewerkstelligen.
Marie wurde einem strengen Verhör unterworfen;
nach Ihnen wurde geforscht, man zog Erkundi¬
gungen aller Art über Sie ein. Den Grund
mögen Sie selbst errathen. Marie hat mir seit
der Zeit nur schreiben können, weil sie mich auf
Befehl ihres Vaters vermeiden mußte."

Antonie schwieg, und meine Verwunderung
war meinem Schmerze gleich. Es traten Thränen
in meine Augen, ich ergriff Antoniens Hand, ich
beschwor sie, mir Gelegenheit zu verschaffen,

Freiherr, Mariens Vater, erkundigte ſich lebhaft
nach Ihnen, als er Sie im Geſpraͤch mit ſeiner
Tochter erblickte. Er iſt ein feiner Menſchenkenner,
und mogte Sie vielleicht ergruͤndet haben, ehe
Sie es vermutheten. Sie trafen uns neulich in
der Gemaͤldegallerie; vor dem Hauſe mußten
wir, wie Sie ſich erinnern, auf den ausbleibenden
Wagen warten, und wurden vom Freiherrn geſehn,
der ſich zufaͤllig gegenuͤber im Hotel de Saxe
bei einem eben angekommenen Fremden befand.
Er ſchoͤpft nach ſeiner kalten, ach wohl herzloſen
Weiſe Verdacht, und ſchickt unſerm Wagen ſeinen
Diener nach. Ich mußte mir die bitterſten Dinge
ſagen laſſen, denn er bildete ſich ein, ich ſei Ihre
Vertraute, und wuͤnſche eine Zuſammenkunft
zwiſchen Marien und Ihnen zu bewerkſtelligen.
Marie wurde einem ſtrengen Verhoͤr unterworfen;
nach Ihnen wurde geforſcht, man zog Erkundi¬
gungen aller Art uͤber Sie ein. Den Grund
moͤgen Sie ſelbſt errathen. Marie hat mir ſeit
der Zeit nur ſchreiben koͤnnen, weil ſie mich auf
Befehl ihres Vaters vermeiden mußte.“

Antonie ſchwieg, und meine Verwunderung
war meinem Schmerze gleich. Es traten Thraͤnen
in meine Augen, ich ergriff Antoniens Hand, ich
beſchwor ſie, mir Gelegenheit zu verſchaffen,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0148" n="142"/>
Freiherr, Mariens Vater, erkundigte &#x017F;ich lebhaft<lb/>
nach Ihnen, als er Sie im Ge&#x017F;pra&#x0364;ch mit &#x017F;einer<lb/>
Tochter erblickte. Er i&#x017F;t ein feiner Men&#x017F;chenkenner,<lb/>
und mogte Sie vielleicht ergru&#x0364;ndet haben, ehe<lb/>
Sie es vermutheten. Sie trafen uns neulich in<lb/>
der Gema&#x0364;ldegallerie; vor dem Hau&#x017F;e mußten<lb/>
wir, wie Sie &#x017F;ich erinnern, auf den ausbleibenden<lb/>
Wagen warten, und wurden vom Freiherrn ge&#x017F;ehn,<lb/>
der &#x017F;ich zufa&#x0364;llig gegenu&#x0364;ber im Hotel <hi rendition="#aq">de Saxe</hi><lb/>
bei einem eben angekommenen Fremden befand.<lb/>
Er &#x017F;cho&#x0364;pft nach &#x017F;einer kalten, ach wohl herzlo&#x017F;en<lb/>
Wei&#x017F;e Verdacht, und &#x017F;chickt un&#x017F;erm Wagen &#x017F;einen<lb/>
Diener nach. Ich mußte mir die bitter&#x017F;ten Dinge<lb/>
&#x017F;agen la&#x017F;&#x017F;en, denn er bildete &#x017F;ich ein, ich &#x017F;ei Ihre<lb/>
Vertraute, und wu&#x0364;n&#x017F;che eine Zu&#x017F;ammenkunft<lb/>
zwi&#x017F;chen Marien und Ihnen zu bewerk&#x017F;telligen.<lb/>
Marie wurde einem &#x017F;trengen Verho&#x0364;r unterworfen;<lb/>
nach Ihnen wurde gefor&#x017F;cht, man zog Erkundi¬<lb/>
gungen aller Art u&#x0364;ber Sie ein. Den Grund<lb/>
mo&#x0364;gen Sie &#x017F;elb&#x017F;t errathen. Marie hat mir &#x017F;eit<lb/>
der Zeit nur &#x017F;chreiben ko&#x0364;nnen, weil &#x017F;ie mich auf<lb/>
Befehl ihres Vaters vermeiden mußte.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Antonie &#x017F;chwieg, und meine Verwunderung<lb/>
war meinem Schmerze gleich. Es traten Thra&#x0364;nen<lb/>
in meine Augen, ich ergriff Antoniens Hand, ich<lb/>
be&#x017F;chwor &#x017F;ie, mir Gelegenheit zu ver&#x017F;chaffen,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[142/0148] Freiherr, Mariens Vater, erkundigte ſich lebhaft nach Ihnen, als er Sie im Geſpraͤch mit ſeiner Tochter erblickte. Er iſt ein feiner Menſchenkenner, und mogte Sie vielleicht ergruͤndet haben, ehe Sie es vermutheten. Sie trafen uns neulich in der Gemaͤldegallerie; vor dem Hauſe mußten wir, wie Sie ſich erinnern, auf den ausbleibenden Wagen warten, und wurden vom Freiherrn geſehn, der ſich zufaͤllig gegenuͤber im Hotel de Saxe bei einem eben angekommenen Fremden befand. Er ſchoͤpft nach ſeiner kalten, ach wohl herzloſen Weiſe Verdacht, und ſchickt unſerm Wagen ſeinen Diener nach. Ich mußte mir die bitterſten Dinge ſagen laſſen, denn er bildete ſich ein, ich ſei Ihre Vertraute, und wuͤnſche eine Zuſammenkunft zwiſchen Marien und Ihnen zu bewerkſtelligen. Marie wurde einem ſtrengen Verhoͤr unterworfen; nach Ihnen wurde geforſcht, man zog Erkundi¬ gungen aller Art uͤber Sie ein. Den Grund moͤgen Sie ſelbſt errathen. Marie hat mir ſeit der Zeit nur ſchreiben koͤnnen, weil ſie mich auf Befehl ihres Vaters vermeiden mußte.“ Antonie ſchwieg, und meine Verwunderung war meinem Schmerze gleich. Es traten Thraͤnen in meine Augen, ich ergriff Antoniens Hand, ich beſchwor ſie, mir Gelegenheit zu verſchaffen,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827/148
Zitationshilfe: Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827/148>, abgerufen am 05.12.2024.