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Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827.

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Für die Erhaltung meines mir von Gott und
Rechts wegen zukommenden Vermögens hatte ich
wirklich Muth, denn meine Sache lag in der
Hand eines redlichen, geistvollen Mannes, so wie
des oft stets gerechten Schicksals. Aber eine
neue Sorge ging in meinem Innern auf; ich
dachte kaum an die Erlangung von Reichthümern,
und hing meiner stillen Wehmuth nach. Ich fühlte
es, ohne Marien konnte ich nicht glücklich sein,
nur ihre Liebe vermogte meinem Leben die wahre
Bedeutung zu verleihn! War ich denn aber auch
berechtigt, so zu denken, mußte ich nicht erst prü¬
fen, ehe ich mich einer Liebe hingab, die in Lei¬
denschaft auszuarten drohte? -- Das liebende
Herz wählt stets seinen eigenen Weg, es frägt
die Vernunft nicht lange um Rath, will zum
Ziele gelangen, oder in seinem Grame vergehn!
-- Ich hatte seit jenem Abende Marien nicht
wiedergesehn, und ich sehnte mich so innig nach
ihrem Anblick. Aber wie es anfangen? --

Eines Tags kam der Legationsrath zu mir,
und fragte, ob ich die neue Gemäldesammlung
schon gesehn, welche seit einiger Zeit im Gebäude
der Kunstacademie aufgestellt sei. Ich mußte
verneinen, aber beschloß, die neuen Schätze sogleich
in Augenschein zu nehmen. Der Legationsrath

Fuͤr die Erhaltung meines mir von Gott und
Rechts wegen zukommenden Vermoͤgens hatte ich
wirklich Muth, denn meine Sache lag in der
Hand eines redlichen, geiſtvollen Mannes, ſo wie
des oft ſtets gerechten Schickſals. Aber eine
neue Sorge ging in meinem Innern auf; ich
dachte kaum an die Erlangung von Reichthuͤmern,
und hing meiner ſtillen Wehmuth nach. Ich fuͤhlte
es, ohne Marien konnte ich nicht gluͤcklich ſein,
nur ihre Liebe vermogte meinem Leben die wahre
Bedeutung zu verleihn! War ich denn aber auch
berechtigt, ſo zu denken, mußte ich nicht erſt pruͤ¬
fen, ehe ich mich einer Liebe hingab, die in Lei¬
denſchaft auszuarten drohte? — Das liebende
Herz waͤhlt ſtets ſeinen eigenen Weg, es fraͤgt
die Vernunft nicht lange um Rath, will zum
Ziele gelangen, oder in ſeinem Grame vergehn!
— Ich hatte ſeit jenem Abende Marien nicht
wiedergeſehn, und ich ſehnte mich ſo innig nach
ihrem Anblick. Aber wie es anfangen? —

Eines Tags kam der Legationsrath zu mir,
und fragte, ob ich die neue Gemaͤldeſammlung
ſchon geſehn, welche ſeit einiger Zeit im Gebaͤude
der Kunſtacademie aufgeſtellt ſei. Ich mußte
verneinen, aber beſchloß, die neuen Schaͤtze ſogleich
in Augenſchein zu nehmen. Der Legationsrath

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[134/0140] Fuͤr die Erhaltung meines mir von Gott und Rechts wegen zukommenden Vermoͤgens hatte ich wirklich Muth, denn meine Sache lag in der Hand eines redlichen, geiſtvollen Mannes, ſo wie des oft ſtets gerechten Schickſals. Aber eine neue Sorge ging in meinem Innern auf; ich dachte kaum an die Erlangung von Reichthuͤmern, und hing meiner ſtillen Wehmuth nach. Ich fuͤhlte es, ohne Marien konnte ich nicht gluͤcklich ſein, nur ihre Liebe vermogte meinem Leben die wahre Bedeutung zu verleihn! War ich denn aber auch berechtigt, ſo zu denken, mußte ich nicht erſt pruͤ¬ fen, ehe ich mich einer Liebe hingab, die in Lei¬ denſchaft auszuarten drohte? — Das liebende Herz waͤhlt ſtets ſeinen eigenen Weg, es fraͤgt die Vernunft nicht lange um Rath, will zum Ziele gelangen, oder in ſeinem Grame vergehn! — Ich hatte ſeit jenem Abende Marien nicht wiedergeſehn, und ich ſehnte mich ſo innig nach ihrem Anblick. Aber wie es anfangen? — Eines Tags kam der Legationsrath zu mir, und fragte, ob ich die neue Gemaͤldeſammlung ſchon geſehn, welche ſeit einiger Zeit im Gebaͤude der Kunſtacademie aufgeſtellt ſei. Ich mußte verneinen, aber beſchloß, die neuen Schaͤtze ſogleich in Augenſchein zu nehmen. Der Legationsrath

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Zitationshilfe: Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827/140>, abgerufen am 18.05.2024.