"Wenn Sie darüber klagen wollen," entgeg¬ nete ich mit einem Seufzer, "was soll ich da sagen? Ihre Aussichten in die Zukunft sind die angenehmsten; Sie werden ein Sie ehrendes Amt erhalten, eine reiche Erbschaft fehlt eben so wenig; was wollen Sie noch?" Mein Begleiter lachte, daß es in der öden Straße wiederhallte, und fuhr fort: "Da sind Sie im Irrthum; wenn ich ein Graf wäre, ein Gesandter selbst, oder so ein ähnliches Wunderthier, da wäre das ein anderes. Aber Sie kennen diese eigentlich erbärmlichen Menschen noch nicht! -- Ich weiß durch meinen Oheim, den Probst, der den Freiherrn genau kennt, was er für Pläne macht. Und stände mein Oheim nicht so gut bei Hofe angeschrieben, hätte er nicht alle Dienstverbesserungen bloß darum abgelehnt, weil er reich, und durch seinen alten Adel vornehm genug ist, wer weiß, ob der alte Struen in ihm seinen Verwandten ehrte!"
"Sind sie denn verwandt?" fragte ich. "Nun auf diese Weise müssen Sie, mein Freund, leichtes Spiel haben. Ich wünsche Glück!"
"Nein," erwiederte der Legationsrath, und schlug mit mir rasch einen Seitenweg ein, der mich von meiner Wohnung immer mehr entfernte,
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„Wenn Sie daruͤber klagen wollen,“ entgeg¬ nete ich mit einem Seufzer, „was ſoll ich da ſagen? Ihre Ausſichten in die Zukunft ſind die angenehmſten; Sie werden ein Sie ehrendes Amt erhalten, eine reiche Erbſchaft fehlt eben ſo wenig; was wollen Sie noch?“ Mein Begleiter lachte, daß es in der oͤden Straße wiederhallte, und fuhr fort: „Da ſind Sie im Irrthum; wenn ich ein Graf waͤre, ein Geſandter ſelbſt, oder ſo ein aͤhnliches Wunderthier, da waͤre das ein anderes. Aber Sie kennen dieſe eigentlich erbaͤrmlichen Menſchen noch nicht! — Ich weiß durch meinen Oheim, den Probſt, der den Freiherrn genau kennt, was er fuͤr Plaͤne macht. Und ſtaͤnde mein Oheim nicht ſo gut bei Hofe angeſchrieben, haͤtte er nicht alle Dienſtverbeſſerungen bloß darum abgelehnt, weil er reich, und durch ſeinen alten Adel vornehm genug iſt, wer weiß, ob der alte Struen in ihm ſeinen Verwandten ehrte!“
„Sind ſie denn verwandt?“ fragte ich. „Nun auf dieſe Weiſe muͤſſen Sie, mein Freund, leichtes Spiel haben. Ich wuͤnſche Gluͤck!“
„Nein,“ erwiederte der Legationsrath, und ſchlug mit mir raſch einen Seitenweg ein, der mich von meiner Wohnung immer mehr entfernte,
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„Wenn Sie daruͤber klagen wollen,“ entgeg¬
nete ich mit einem Seufzer, „was ſoll ich da
ſagen? Ihre Ausſichten in die Zukunft ſind die
angenehmſten; Sie werden ein Sie ehrendes
Amt erhalten, eine reiche Erbſchaft fehlt eben ſo
wenig; was wollen Sie noch?“ Mein Begleiter
lachte, daß es in der oͤden Straße wiederhallte,
und fuhr fort: „Da ſind Sie im Irrthum; wenn
ich ein Graf waͤre, ein Geſandter ſelbſt, oder ſo
ein aͤhnliches Wunderthier, da waͤre das ein anderes.
Aber Sie kennen dieſe eigentlich erbaͤrmlichen
Menſchen noch nicht! — Ich weiß durch meinen
Oheim, den Probſt, der den Freiherrn genau
kennt, was er fuͤr Plaͤne macht. Und ſtaͤnde
mein Oheim nicht ſo gut bei Hofe angeſchrieben,
haͤtte er nicht alle Dienſtverbeſſerungen bloß darum
abgelehnt, weil er reich, und durch ſeinen alten
Adel vornehm genug iſt, wer weiß, ob der alte
Struen in ihm ſeinen Verwandten ehrte!“
„Sind ſie denn verwandt?“ fragte ich. „Nun
auf dieſe Weiſe muͤſſen Sie, mein Freund, leichtes
Spiel haben. Ich wuͤnſche Gluͤck!“
„Nein,“ erwiederte der Legationsrath, und
ſchlug mit mir raſch einen Seitenweg ein, der
mich von meiner Wohnung immer mehr entfernte,
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Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827/137>, abgerufen am 27.07.2024.
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