Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827."Nicht das Mindeste!" entgegnete Tina. "Wie kommst Du auf diesen, lieber Oncle?" „Nicht das Mindeſte!“ entgegnete Tina. „Wie kommſt Du auf dieſen, lieber Oncle?“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0100" n="94"/> <p>„Nicht das Mindeſte!“ entgegnete Tina.<lb/> „Was koͤnnte das auch ſein? Überdies mag ich<lb/> es nicht leiden, wenn Verlobte in Geſellſchaften<lb/> und an dritten Orten immer und ewig bei einan¬<lb/> der ſitzen und ſtehn, mit niemand beinahe reden,<lb/> als nur unter ſich, und dergleichen Poſſen mehr.<lb/> Iſt es ein Wunder, wenn man jetzt von ſo vielen<lb/> ungluͤcklichen Ehen hoͤrt? Die Leute werden ſich<lb/> vor der Zeit zu laͤſtig, ſie vermoͤgen das gegen¬<lb/> ſeitige Intereſſe nicht mehr zu erhalten, und nach<lb/> und nach erſchlafft das Band, das ſie zuſammen¬<lb/> halten ſollte.“ „Du ſprichſt ja wie ein Buch!“<lb/> ſagte Heinrich, und ſchien mit Tinas Grundſaͤtzen<lb/> nicht ganz zufrieden. „Aber Du ſcheinſt auch ein<lb/> wenig zu uͤbertreiben. Ich muß Dir geſtehn,<lb/> mir kam es beinahe vor, als habeſt Du Vetter<lb/> Staunitz einen Theil Deiner Liebe entzogen.<lb/> Sitzt Dir etwa der ſchoͤne Blauenſtein im Kopfe?<lb/> He?“</p><lb/> <p>„Wie kommſt Du auf dieſen, lieber Oncle?“<lb/> ſagte Tina mit einem leiſen Erroͤthen, und ſah<lb/> nach einer Schaar wilder Enten, welche ſich uͤber<lb/> dem See ausbreitete. „Es bleibt uns Allen ein<lb/> intereſſanter Menſch, dem wir ſehr verpflichtet<lb/> ſind; was koͤnnte mich auch ſonſt zu ſeiner Freun¬<lb/> din machen, als der Dienſt, den er meines Va¬<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [94/0100]
„Nicht das Mindeſte!“ entgegnete Tina.
„Was koͤnnte das auch ſein? Überdies mag ich
es nicht leiden, wenn Verlobte in Geſellſchaften
und an dritten Orten immer und ewig bei einan¬
der ſitzen und ſtehn, mit niemand beinahe reden,
als nur unter ſich, und dergleichen Poſſen mehr.
Iſt es ein Wunder, wenn man jetzt von ſo vielen
ungluͤcklichen Ehen hoͤrt? Die Leute werden ſich
vor der Zeit zu laͤſtig, ſie vermoͤgen das gegen¬
ſeitige Intereſſe nicht mehr zu erhalten, und nach
und nach erſchlafft das Band, das ſie zuſammen¬
halten ſollte.“ „Du ſprichſt ja wie ein Buch!“
ſagte Heinrich, und ſchien mit Tinas Grundſaͤtzen
nicht ganz zufrieden. „Aber Du ſcheinſt auch ein
wenig zu uͤbertreiben. Ich muß Dir geſtehn,
mir kam es beinahe vor, als habeſt Du Vetter
Staunitz einen Theil Deiner Liebe entzogen.
Sitzt Dir etwa der ſchoͤne Blauenſtein im Kopfe?
He?“
„Wie kommſt Du auf dieſen, lieber Oncle?“
ſagte Tina mit einem leiſen Erroͤthen, und ſah
nach einer Schaar wilder Enten, welche ſich uͤber
dem See ausbreitete. „Es bleibt uns Allen ein
intereſſanter Menſch, dem wir ſehr verpflichtet
ſind; was koͤnnte mich auch ſonſt zu ſeiner Freun¬
din machen, als der Dienſt, den er meines Va¬
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