Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Chladni, Ernst Florens Friedrich: Entdeckungen über die Theorie des Klanges. Leipzig, 1787.

Bild:
<< vorherige Seite

hat, daß ein Cylinder mehr als einen Ton geben könne, und mithin den er-
sten gehörten Klang eines Cylinders für den einzigen gehalten hat. Auch
hat er darinnen sehr Unrecht, daß er das Wesen eines Klanges in Erzitte-
rung der kleinsten Theile sucht, die er fremissemens nennet, und bey einem
Cylinder sowohl Erzitterungen nach seinem Umfange, als nach seiner Länge
(vibrations tant circulaires, que longitudinales) annimmt. Den nämli-
chen Jrrthum begeht de la Hire, k) welcher die Beobachtung, daß ein
Cylinder oder eine Feuerzange mehrere Töne geben kann, aus einer Erzitte-
rung der kleinsten Theile zu erklären sich bemüht. Unter andern sucht er aus
dem Umstande, daß eine Feuerzange nicht klingt, wenn man ihre beyden
Hälften mit den Fingern zusammendrückt und sie schnell losläßt, aber höhe-
re und stärkere Töne giebt, wenn sie an verschiedenen Stellen angeschlagen
wird, darzuthun, daß der Klang nicht blos in pendelartigen Schwingungen
des klingenden Körpers bestehe, sondern daß Erzitterungen der kleinsten Thei-
le dazu erfordert würden. Hr. Prof. Funkl) behauptet zwar mit Recht,
daß de la Hire nicht gut untersucht habe, und daß keine Erzitterung der klein-
sten Theile Statt finde; erklärt aber den Versuch mit der Feuerzange eben
so unrichtig, als de la Hire. Er sagt, eine Feuerzange klinge bey Loslas-
sung der vorher mit den Fingern zusammengehaltenen beyden Enden deswe-
gen nicht, weil man die Finger nicht schnell genug zurückziehen könne, um
die Schwingungen nicht zu hindern, dahingegen bey dem Anschlagen die Be-
wegung des Fingers oder eines andern anschlagenden Körpers geschwinder

sey,
k) in der Histoire und den Memoires de l'academie royale des sciences 1716.
l) in seinem Versuch über Schall und Ton, (sollte heißen: über Schall und
Klang,) welcher in dem Leipziger Magazin für Naturkunde, Mathematik
und Oeconomie, herausgegeben von Funk, Leske und Hindenburg, Jahrg.
1781. befindlich ist, S. 90, s. auch dessen Schrift: de sono et tono, Lips.
1779. S. 3.

hat, daß ein Cylinder mehr als einen Ton geben koͤnne, und mithin den er-
ſten gehoͤrten Klang eines Cylinders fuͤr den einzigen gehalten hat. Auch
hat er darinnen ſehr Unrecht, daß er das Weſen eines Klanges in Erzitte-
rung der kleinſten Theile ſucht, die er frémiſſemens nennet, und bey einem
Cylinder ſowohl Erzitterungen nach ſeinem Umfange, als nach ſeiner Laͤnge
(vibrations tant circulaires, que longitudinales) annimmt. Den naͤmli-
chen Jrrthum begeht de la Hire, k) welcher die Beobachtung, daß ein
Cylinder oder eine Feuerzange mehrere Toͤne geben kann, aus einer Erzitte-
rung der kleinſten Theile zu erklaͤren ſich bemuͤht. Unter andern ſucht er aus
dem Umſtande, daß eine Feuerzange nicht klingt, wenn man ihre beyden
Haͤlften mit den Fingern zuſammendruͤckt und ſie ſchnell loslaͤßt, aber hoͤhe-
re und ſtaͤrkere Toͤne giebt, wenn ſie an verſchiedenen Stellen angeſchlagen
wird, darzuthun, daß der Klang nicht blos in pendelartigen Schwingungen
des klingenden Koͤrpers beſtehe, ſondern daß Erzitterungen der kleinſten Thei-
le dazu erfordert wuͤrden. Hr. Prof. Funkl) behauptet zwar mit Recht,
daß de la Hire nicht gut unterſucht habe, und daß keine Erzitterung der klein-
ſten Theile Statt finde; erklaͤrt aber den Verſuch mit der Feuerzange eben
ſo unrichtig, als de la Hire. Er ſagt, eine Feuerzange klinge bey Loslaſ-
ſung der vorher mit den Fingern zuſammengehaltenen beyden Enden deswe-
gen nicht, weil man die Finger nicht ſchnell genug zuruͤckziehen koͤnne, um
die Schwingungen nicht zu hindern, dahingegen bey dem Anſchlagen die Be-
wegung des Fingers oder eines andern anſchlagenden Koͤrpers geſchwinder

ſey,
k) in der Hiſtoire und den Memoires de l’academie royale des ſciences 1716.
l) in ſeinem Verſuch uͤber Schall und Ton, (ſollte heißen: uͤber Schall und
Klang,) welcher in dem Leipziger Magazin fuͤr Naturkunde, Mathematik
und Oeconomie, herausgegeben von Funk, Leske und Hindenburg, Jahrg.
1781. befindlich iſt, S. 90, ſ. auch deſſen Schrift: de ſono et tono, Lipſ.
1779. S. 3.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0022" n="14"/>
hat, daß ein Cylinder mehr als einen Ton geben ko&#x0364;nne, und mithin den er-<lb/>
&#x017F;ten geho&#x0364;rten Klang eines Cylinders fu&#x0364;r den einzigen gehalten hat. Auch<lb/>
hat er darinnen &#x017F;ehr Unrecht, daß er das We&#x017F;en eines Klanges in Erzitte-<lb/>
rung der klein&#x017F;ten Theile &#x017F;ucht, die er <hi rendition="#aq">frémi&#x017F;&#x017F;emens</hi> nennet, und bey einem<lb/>
Cylinder &#x017F;owohl Erzitterungen nach &#x017F;einem Umfange, als nach &#x017F;einer La&#x0364;nge<lb/><hi rendition="#aq">(vibrations tant circulaires, que longitudinales)</hi> annimmt. Den na&#x0364;mli-<lb/>
chen Jrrthum begeht <hi rendition="#fr">de la Hire,</hi> <note place="foot" n="k)">in der <hi rendition="#aq">Hi&#x017F;toire</hi> und den <hi rendition="#aq">Memoires de l&#x2019;academie royale des &#x017F;ciences</hi> 1716.</note> welcher die Beobachtung, daß ein<lb/>
Cylinder oder eine Feuerzange mehrere To&#x0364;ne geben kann, aus einer Erzitte-<lb/>
rung der klein&#x017F;ten Theile zu erkla&#x0364;ren &#x017F;ich bemu&#x0364;ht. Unter andern &#x017F;ucht er aus<lb/>
dem Um&#x017F;tande, daß eine Feuerzange nicht klingt, wenn man ihre beyden<lb/>
Ha&#x0364;lften mit den Fingern zu&#x017F;ammendru&#x0364;ckt und &#x017F;ie &#x017F;chnell losla&#x0364;ßt, aber ho&#x0364;he-<lb/>
re und &#x017F;ta&#x0364;rkere To&#x0364;ne giebt, wenn &#x017F;ie an ver&#x017F;chiedenen Stellen ange&#x017F;chlagen<lb/>
wird, darzuthun, daß der Klang nicht blos in pendelartigen Schwingungen<lb/>
des klingenden Ko&#x0364;rpers be&#x017F;tehe, &#x017F;ondern daß Erzitterungen der klein&#x017F;ten Thei-<lb/>
le dazu erfordert wu&#x0364;rden. Hr. Prof. <hi rendition="#fr">Funk</hi><note place="foot" n="l)">in &#x017F;einem Ver&#x017F;uch u&#x0364;ber Schall und Ton, (&#x017F;ollte heißen: u&#x0364;ber Schall und<lb/>
Klang,) welcher in dem Leipziger Magazin fu&#x0364;r Naturkunde, Mathematik<lb/>
und Oeconomie, herausgegeben von Funk, Leske und Hindenburg, Jahrg.<lb/>
1781. befindlich i&#x017F;t, S. 90, &#x017F;. auch de&#x017F;&#x017F;en Schrift: <hi rendition="#aq">de &#x017F;ono et tono, Lip&#x017F;.</hi><lb/>
1779. S. 3.</note> behauptet zwar mit Recht,<lb/>
daß de la Hire nicht gut unter&#x017F;ucht habe, und daß keine Erzitterung der klein-<lb/>
&#x017F;ten Theile Statt finde; erkla&#x0364;rt aber den Ver&#x017F;uch mit der Feuerzange eben<lb/>
&#x017F;o unrichtig, als de la Hire. Er &#x017F;agt, eine Feuerzange klinge bey Losla&#x017F;-<lb/>
&#x017F;ung der vorher mit den Fingern zu&#x017F;ammengehaltenen beyden Enden deswe-<lb/>
gen nicht, weil man die Finger nicht &#x017F;chnell genug zuru&#x0364;ckziehen ko&#x0364;nne, um<lb/>
die Schwingungen nicht zu hindern, dahingegen bey dem An&#x017F;chlagen die Be-<lb/>
wegung des Fingers oder eines andern an&#x017F;chlagenden Ko&#x0364;rpers ge&#x017F;chwinder<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;ey,</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[14/0022] hat, daß ein Cylinder mehr als einen Ton geben koͤnne, und mithin den er- ſten gehoͤrten Klang eines Cylinders fuͤr den einzigen gehalten hat. Auch hat er darinnen ſehr Unrecht, daß er das Weſen eines Klanges in Erzitte- rung der kleinſten Theile ſucht, die er frémiſſemens nennet, und bey einem Cylinder ſowohl Erzitterungen nach ſeinem Umfange, als nach ſeiner Laͤnge (vibrations tant circulaires, que longitudinales) annimmt. Den naͤmli- chen Jrrthum begeht de la Hire, k) welcher die Beobachtung, daß ein Cylinder oder eine Feuerzange mehrere Toͤne geben kann, aus einer Erzitte- rung der kleinſten Theile zu erklaͤren ſich bemuͤht. Unter andern ſucht er aus dem Umſtande, daß eine Feuerzange nicht klingt, wenn man ihre beyden Haͤlften mit den Fingern zuſammendruͤckt und ſie ſchnell loslaͤßt, aber hoͤhe- re und ſtaͤrkere Toͤne giebt, wenn ſie an verſchiedenen Stellen angeſchlagen wird, darzuthun, daß der Klang nicht blos in pendelartigen Schwingungen des klingenden Koͤrpers beſtehe, ſondern daß Erzitterungen der kleinſten Thei- le dazu erfordert wuͤrden. Hr. Prof. Funk l) behauptet zwar mit Recht, daß de la Hire nicht gut unterſucht habe, und daß keine Erzitterung der klein- ſten Theile Statt finde; erklaͤrt aber den Verſuch mit der Feuerzange eben ſo unrichtig, als de la Hire. Er ſagt, eine Feuerzange klinge bey Loslaſ- ſung der vorher mit den Fingern zuſammengehaltenen beyden Enden deswe- gen nicht, weil man die Finger nicht ſchnell genug zuruͤckziehen koͤnne, um die Schwingungen nicht zu hindern, dahingegen bey dem Anſchlagen die Be- wegung des Fingers oder eines andern anſchlagenden Koͤrpers geſchwinder ſey, k) in der Hiſtoire und den Memoires de l’academie royale des ſciences 1716. l) in ſeinem Verſuch uͤber Schall und Ton, (ſollte heißen: uͤber Schall und Klang,) welcher in dem Leipziger Magazin fuͤr Naturkunde, Mathematik und Oeconomie, herausgegeben von Funk, Leske und Hindenburg, Jahrg. 1781. befindlich iſt, S. 90, ſ. auch deſſen Schrift: de ſono et tono, Lipſ. 1779. S. 3.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_klang_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_klang_1787/22
Zitationshilfe: Chladni, Ernst Florens Friedrich: Entdeckungen über die Theorie des Klanges. Leipzig, 1787, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_klang_1787/22>, abgerufen am 22.11.2024.