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Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752.

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Sechstes Capitel,
derungen, Eigenschafften der Dinge ihre eige-
ne Nahmen
und Wörter, deren man sich bey
und in der Erzehlung bedienen kan; allein diese
Worte wollen doch nicht allemahl, die Eigenschaff-
ten der Dinge, die wir im Sinne haben, klar
und vollständig genug ausdrucken; so daß wir
zu Gleichnissen unsere Zuflucht zu nehmen uns
genöthiget sehen, die theils unter dem Nahmen
der Metaphern, theils unter dem Nahmen der
Vergleichungen bekannt sind. Also kan man
z. E. die Geschwindigkeit eines Strohmes nicht
mit eignen Worten ausdrücken, wie sich solche
dem Auge vorstellt; sondern man sagt: Der
Strohm schüsse fort wie ein Pfeil. Die Wen-
dungen der Bäche in Gebürgen weiß man nicht
anders zu geben, als daß sie schlangenweise
lauffen. Das Blitzen, welches einige in der
Atmosphäre des Mondes gesehen, wird wohl
nur in Ermangelung eines eigenen und vollkom-
men bequemen Wortes seyn gebraucht worden.
Nun ist kaum zu verlangen, daß die Hörer und
Leser eines solchen Ausdrucks gantz genau eben die-
jenigen Begriffe damit verknüpffen sollen, den
der Anschauer und Erzehler damit verknüpfft:
denn dieser weiß die Begebenheit an und vor sich,
und hält sie gegen den Ausdruck: der andere aber
soll die Begebenheit aus der Beschreibung erst
lernen. Wie leicht geschiehet es, daß er den
Ausdruck stärcker annimmt, als es der Sinn
des Erzehlers mit sich bringet.

§. 14.

Sechſtes Capitel,
derungen, Eigenſchafften der Dinge ihre eige-
ne Nahmen
und Woͤrter, deren man ſich bey
und in der Erzehlung bedienen kan; allein dieſe
Worte wollen doch nicht allemahl, die Eigenſchaff-
ten der Dinge, die wir im Sinne haben, klar
und vollſtaͤndig genug ausdrucken; ſo daß wir
zu Gleichniſſen unſere Zuflucht zu nehmen uns
genoͤthiget ſehen, die theils unter dem Nahmen
der Metaphern, theils unter dem Nahmen der
Vergleichungen bekannt ſind. Alſo kan man
z. E. die Geſchwindigkeit eines Strohmes nicht
mit eignen Worten ausdruͤcken, wie ſich ſolche
dem Auge vorſtellt; ſondern man ſagt: Der
Strohm ſchuͤſſe fort wie ein Pfeil. Die Wen-
dungen der Baͤche in Gebuͤrgen weiß man nicht
anders zu geben, als daß ſie ſchlangenweiſe
lauffen. Das Blitzen, welches einige in der
Atmoſphaͤre des Mondes geſehen, wird wohl
nur in Ermangelung eines eigenen und vollkom-
men bequemen Wortes ſeyn gebraucht worden.
Nun iſt kaum zu verlangen, daß die Hoͤrer und
Leſer eines ſolchen Ausdrucks gantz genau eben die-
jenigen Begriffe damit verknuͤpffen ſollen, den
der Anſchauer und Erzehler damit verknuͤpfft:
denn dieſer weiß die Begebenheit an und vor ſich,
und haͤlt ſie gegen den Ausdruck: der andere aber
ſoll die Begebenheit aus der Beſchreibung erſt
lernen. Wie leicht geſchiehet es, daß er den
Ausdruck ſtaͤrcker annimmt, als es der Sinn
des Erzehlers mit ſich bringet.

§. 14.
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[128/0164] Sechſtes Capitel, derungen, Eigenſchafften der Dinge ihre eige- ne Nahmen und Woͤrter, deren man ſich bey und in der Erzehlung bedienen kan; allein dieſe Worte wollen doch nicht allemahl, die Eigenſchaff- ten der Dinge, die wir im Sinne haben, klar und vollſtaͤndig genug ausdrucken; ſo daß wir zu Gleichniſſen unſere Zuflucht zu nehmen uns genoͤthiget ſehen, die theils unter dem Nahmen der Metaphern, theils unter dem Nahmen der Vergleichungen bekannt ſind. Alſo kan man z. E. die Geſchwindigkeit eines Strohmes nicht mit eignen Worten ausdruͤcken, wie ſich ſolche dem Auge vorſtellt; ſondern man ſagt: Der Strohm ſchuͤſſe fort wie ein Pfeil. Die Wen- dungen der Baͤche in Gebuͤrgen weiß man nicht anders zu geben, als daß ſie ſchlangenweiſe lauffen. Das Blitzen, welches einige in der Atmoſphaͤre des Mondes geſehen, wird wohl nur in Ermangelung eines eigenen und vollkom- men bequemen Wortes ſeyn gebraucht worden. Nun iſt kaum zu verlangen, daß die Hoͤrer und Leſer eines ſolchen Ausdrucks gantz genau eben die- jenigen Begriffe damit verknuͤpffen ſollen, den der Anſchauer und Erzehler damit verknuͤpfft: denn dieſer weiß die Begebenheit an und vor ſich, und haͤlt ſie gegen den Ausdruck: der andere aber ſoll die Begebenheit aus der Beſchreibung erſt lernen. Wie leicht geſchiehet es, daß er den Ausdruck ſtaͤrcker annimmt, als es der Sinn des Erzehlers mit ſich bringet. §. 14.

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Zitationshilfe: Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752. , S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752/164>, abgerufen am 23.11.2024.