Chladni, Ernst Florens Friedrich: Die Akustik. Leipzig, 1802.oder diese Schwebung wie einzelne abgebrochene Stöße, die eine sehr widrige Würkung auf 38. Es ist ein unbezweifelter Erfahrungssatz, daß, wenn man ein Jntervall hört, wel- 39. Jn der gleichschwebenden Temperatur sind alle gleichartigen Jntervalle von gleicher oder dieſe Schwebung wie einzelne abgebrochene Stoͤße, die eine ſehr widrige Wuͤrkung auf 38. Es iſt ein unbezweifelter Erfahrungsſatz, daß, wenn man ein Jntervall hoͤrt, wel- 39. Jn der gleichſchwebenden Temperatur ſind alle gleichartigen Jntervalle von gleicher <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0079" n="45"/> oder dieſe Schwebung wie einzelne abgebrochene Stoͤße, die eine ſehr widrige Wuͤrkung auf<lb/> das Gehoͤr thun, aber bey einer guten Temperatur muß ſie beſonders bey conſonirenden Jnter-<lb/> vallen nie ſo betraͤchtlich ſeyn, daß man ſie auf dieſe Art empfindet. Daß uͤberhaupt eine<lb/> Temperatur nothwendig ſey, und daß das pythagoriſche Comma unter 12 Quinten, die kleine<lb/> Dieſts unter 3 große Terzen, und die groͤßere Dieſes unter 4 kleine Terzen vertheilt werden<lb/> muͤſſe, iſt keinem Zweifel unterworfen; nur uͤber die beſte Art der Vertheilung ſind die Mey-<lb/> nungen verſchieden. Wenn die nothwendig zu vertheilende Unreinigkeit ganz gleichfoͤrmig ver-<lb/> theilt wird, ſo nennt man dieſes eine <hi rendition="#g">gleichſchwebende Temperatur,</hi> wenn aber die<lb/> Vertheilung ungleichfoͤrmig geſchieht, eine <hi rendition="#g">ungleichſchwebende Temperatur.</hi></p> </div><lb/> <div n="3"> <head>38.</head><lb/> <p>Es iſt ein unbezweifelter Erfahrungsſatz, daß, wenn man ein Jntervall hoͤrt, wel-<lb/> ches nur aͤußerſt wenig von einem durch einfachere Zahlen auszudruͤckenden Jntervalle abweicht,<lb/> man das einfachere zu hoͤren glaubt, und daß dieſe Taͤuſchung deſto vollkommener iſt, je we-<lb/> niger die Abweichung betraͤgt. Daß eine ſolche Taͤuſchung des Gehoͤres Statt findet, iſt auch<lb/> ſehr wohlthaͤtig fuͤr uns, weil außerdem ſchtechterdings keine brauchbare Muſik exiſtiren koͤnnte,<lb/> wie im 30ſten §. gezeigt worden. Ob das Jntervall, welches man wuͤrklich hoͤrt, durch ganze<lb/> Zahlen, oder nur durch Jrrationalzahlen ausgedruͤckt werden kann, macht keinen Unterſchied<lb/> in der Wuͤrkung. Da nun die Abſicht einer Temperatur keine andere ſeyn kann, als, die<lb/> nothwendig zu vertheilende Unreinigkeit ſo unmerklich, als moͤglich, zu machen, da man auch<lb/> bey dem jetzigen Zuſtande der Tonkunſt von allen Jntervallen und von allen Tonarten muß<lb/> koͤnnen einen vortheilhaften Gebrauch machen, und kein Grund vorhanden iſt, ein Jntervall<lb/> oder eine Tonart reiner oder unreiner als die andern auszuuͤben, ſo ſolgt, daß die <hi rendition="#g">gleich-<lb/> ſchwebende Temperatur</hi> der Natur am gemaͤßeſten iſt, indem bey derſelben zwar alle<lb/> Jntervalle, die Octave ausgenemmen, unrein ſind, jedoch wegen der ganz gleichen Verthei-<lb/> lung der Unreinigkeit die Abweichung eines jeden Jntervalles ſo gering iſt, daß das Gehoͤr<lb/> nirgends beleidigt wird, und jedes Jntervall eine eben ſo gute Wuͤrkung thut, als ob es ganz<lb/> rein waͤre.</p> </div><lb/> <div n="3"> <head>39.</head><lb/> <p>Jn der gleichſchwebenden Temperatur ſind alle gleichartigen Jntervalle von gleicher<lb/> Groͤße, und die in der Octave enthaltenen 12 halben Toͤne machen eine geometriſche Progreſſion.<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [45/0079]
oder dieſe Schwebung wie einzelne abgebrochene Stoͤße, die eine ſehr widrige Wuͤrkung auf
das Gehoͤr thun, aber bey einer guten Temperatur muß ſie beſonders bey conſonirenden Jnter-
vallen nie ſo betraͤchtlich ſeyn, daß man ſie auf dieſe Art empfindet. Daß uͤberhaupt eine
Temperatur nothwendig ſey, und daß das pythagoriſche Comma unter 12 Quinten, die kleine
Dieſts unter 3 große Terzen, und die groͤßere Dieſes unter 4 kleine Terzen vertheilt werden
muͤſſe, iſt keinem Zweifel unterworfen; nur uͤber die beſte Art der Vertheilung ſind die Mey-
nungen verſchieden. Wenn die nothwendig zu vertheilende Unreinigkeit ganz gleichfoͤrmig ver-
theilt wird, ſo nennt man dieſes eine gleichſchwebende Temperatur, wenn aber die
Vertheilung ungleichfoͤrmig geſchieht, eine ungleichſchwebende Temperatur.
38.
Es iſt ein unbezweifelter Erfahrungsſatz, daß, wenn man ein Jntervall hoͤrt, wel-
ches nur aͤußerſt wenig von einem durch einfachere Zahlen auszudruͤckenden Jntervalle abweicht,
man das einfachere zu hoͤren glaubt, und daß dieſe Taͤuſchung deſto vollkommener iſt, je we-
niger die Abweichung betraͤgt. Daß eine ſolche Taͤuſchung des Gehoͤres Statt findet, iſt auch
ſehr wohlthaͤtig fuͤr uns, weil außerdem ſchtechterdings keine brauchbare Muſik exiſtiren koͤnnte,
wie im 30ſten §. gezeigt worden. Ob das Jntervall, welches man wuͤrklich hoͤrt, durch ganze
Zahlen, oder nur durch Jrrationalzahlen ausgedruͤckt werden kann, macht keinen Unterſchied
in der Wuͤrkung. Da nun die Abſicht einer Temperatur keine andere ſeyn kann, als, die
nothwendig zu vertheilende Unreinigkeit ſo unmerklich, als moͤglich, zu machen, da man auch
bey dem jetzigen Zuſtande der Tonkunſt von allen Jntervallen und von allen Tonarten muß
koͤnnen einen vortheilhaften Gebrauch machen, und kein Grund vorhanden iſt, ein Jntervall
oder eine Tonart reiner oder unreiner als die andern auszuuͤben, ſo ſolgt, daß die gleich-
ſchwebende Temperatur der Natur am gemaͤßeſten iſt, indem bey derſelben zwar alle
Jntervalle, die Octave ausgenemmen, unrein ſind, jedoch wegen der ganz gleichen Verthei-
lung der Unreinigkeit die Abweichung eines jeden Jntervalles ſo gering iſt, daß das Gehoͤr
nirgends beleidigt wird, und jedes Jntervall eine eben ſo gute Wuͤrkung thut, als ob es ganz
rein waͤre.
39.
Jn der gleichſchwebenden Temperatur ſind alle gleichartigen Jntervalle von gleicher
Groͤße, und die in der Octave enthaltenen 12 halben Toͤne machen eine geometriſche Progreſſion.
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