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Chladni, Ernst Florens Friedrich: Die Akustik. Leipzig, 1802.

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II. Von den Gegenständen des Gehöres.
243.

Dasjenige, was man hört, sind alle Arten von Erschütterungen, die schnell und stark
genug geschehen, um auf die Gehörwerkzeuge zu würken. Der Grund, warum (§. 3.) sehr
langsame Schwingungen nicht als Schall empfunden werden, liegt unstreitig darin, weil
solche Schwingungen meistens nicht verhältnißmäßig stark genug geschehen. Wenn nähmlich
langsamere Schwingungen eben so stark, als schnellere sollen empfunden werden, so wird
(nach Giord. Riccati delle corde ovvero fibre elastiche, Schediasm. VI.) erfordert, daß
die Stärke der einzelnen Schwingungen im Verhältnisse ihrer Dauer stehe, oder mit andern
Worten, daß bey verschiedenen Tönen die Stärke der Schwingungen sich wie die umgekehr-
ten Zahlen der in einerley Zeit geschehenden Schwingungen verhalte. Sowohl deshalb, als
auch wegen der so verschiedenen Gehörfähigkeiten bey Menschen und verschiedenen Thlerarten
giebt es keine allgemeine, sondern nur bey einem jeden Menschen oder Thiere eine subjective
Gränze der Hörbarkeit.

Es scheint der Natur nicht zu widersprechen, wenn man annimmt, daß auch ein
einfacher hinlänglich starker Stoß könne von den Gehörwerkzeugen als Schall empfunden wer-
den; wie es vielleicht bey manchen Explosionen, bey einem Peitschenknalle, bey einem plötz-
lichen Eindringen der Luft in einen ganz oder beynahe lustleeren Raum u. s. w. der Fall seyn
mag. Jndessen halte ich für glaublicher, daß durch einen dergleichen einfachen Stoß, sowohl
in den umher befindlichen festen Körpern, als auch in der Luft wegen der mannigfaltigen Stem-
mungen der verschiedenen Luftstrecken gegen die Erde oder gegen den Fußboden, und gegen
andere umher befindliche Körper meistens einige mehr oder weniger regelmäßige Hin- und
Herbewegungen entstehen, wie man denn auch bey gehöriger Aufmerksamkeit einen solchen
Schall meistens nicht ganz momentan, sondern mit einiger, wiewohl geringer, Fortdauer
empfinden, und öfters auch als einen mehr oder weniger genau bestimmbaren Ton hören wird.
Bey einem Donner zeigt sich die Erregung eines fortdauernden Schalles durch eine augenblick-
lich geschehende ursprüngliche Bewegung am auffallendsten.

Eine schnelle fortschreitende Bewegung wird (§. 1.) nur dadurch hörbar, daß durch
dieselbe in der umher befindlichen Luft oder andern Körpern Erschütterungen veranlaßt werden.
Bey einem schnellen Vorübergehen einer abgeschossenen Kugel hört man einen Schall, welcher

O o 2
II. Von den Gegenſtaͤnden des Gehoͤres.
243.

Dasjenige, was man hoͤrt, ſind alle Arten von Erſchuͤtterungen, die ſchnell und ſtark
genug geſchehen, um auf die Gehoͤrwerkzeuge zu wuͤrken. Der Grund, warum (§. 3.) ſehr
langſame Schwingungen nicht als Schall empfunden werden, liegt unſtreitig darin, weil
ſolche Schwingungen meiſtens nicht verhaͤltnißmaͤßig ſtark genug geſchehen. Wenn naͤhmlich
langſamere Schwingungen eben ſo ſtark, als ſchnellere ſollen empfunden werden, ſo wird
(nach Giord. Riccati delle corde ovvero fibre elastiche, Schediasm. VI.) erfordert, daß
die Staͤrke der einzelnen Schwingungen im Verhaͤltniſſe ihrer Dauer ſtehe, oder mit andern
Worten, daß bey verſchiedenen Toͤnen die Staͤrke der Schwingungen ſich wie die umgekehr-
ten Zahlen der in einerley Zeit geſchehenden Schwingungen verhalte. Sowohl deshalb, als
auch wegen der ſo verſchiedenen Gehoͤrfaͤhigkeiten bey Menſchen und verſchiedenen Thlerarten
giebt es keine allgemeine, ſondern nur bey einem jeden Menſchen oder Thiere eine ſubjective
Graͤnze der Hoͤrbarkeit.

Es ſcheint der Natur nicht zu widerſprechen, wenn man annimmt, daß auch ein
einfacher hinlaͤnglich ſtarker Stoß koͤnne von den Gehoͤrwerkzeugen als Schall empfunden wer-
den; wie es vielleicht bey manchen Exploſionen, bey einem Peitſchenknalle, bey einem ploͤtz-
lichen Eindringen der Luft in einen ganz oder beynahe luſtleeren Raum u. ſ. w. der Fall ſeyn
mag. Jndeſſen halte ich fuͤr glaublicher, daß durch einen dergleichen einfachen Stoß, ſowohl
in den umher befindlichen feſten Koͤrpern, als auch in der Luft wegen der mannigfaltigen Stem-
mungen der verſchiedenen Luftſtrecken gegen die Erde oder gegen den Fußboden, und gegen
andere umher befindliche Koͤrper meiſtens einige mehr oder weniger regelmaͤßige Hin- und
Herbewegungen entſtehen, wie man denn auch bey gehoͤriger Aufmerkſamkeit einen ſolchen
Schall meiſtens nicht ganz momentan, ſondern mit einiger, wiewohl geringer, Fortdauer
empfinden, und oͤfters auch als einen mehr oder weniger genau beſtimmbaren Ton hoͤren wird.
Bey einem Donner zeigt ſich die Erregung eines fortdauernden Schalles durch eine augenblick-
lich geſchehende urſpruͤngliche Bewegung am auffallendſten.

Eine ſchnelle fortſchreitende Bewegung wird (§. 1.) nur dadurch hoͤrbar, daß durch
dieſelbe in der umher befindlichen Luft oder andern Koͤrpern Erſchuͤtterungen veranlaßt werden.
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[291/0325] II. Von den Gegenſtaͤnden des Gehoͤres. 243. Dasjenige, was man hoͤrt, ſind alle Arten von Erſchuͤtterungen, die ſchnell und ſtark genug geſchehen, um auf die Gehoͤrwerkzeuge zu wuͤrken. Der Grund, warum (§. 3.) ſehr langſame Schwingungen nicht als Schall empfunden werden, liegt unſtreitig darin, weil ſolche Schwingungen meiſtens nicht verhaͤltnißmaͤßig ſtark genug geſchehen. Wenn naͤhmlich langſamere Schwingungen eben ſo ſtark, als ſchnellere ſollen empfunden werden, ſo wird (nach Giord. Riccati delle corde ovvero fibre elastiche, Schediasm. VI.) erfordert, daß die Staͤrke der einzelnen Schwingungen im Verhaͤltniſſe ihrer Dauer ſtehe, oder mit andern Worten, daß bey verſchiedenen Toͤnen die Staͤrke der Schwingungen ſich wie die umgekehr- ten Zahlen der in einerley Zeit geſchehenden Schwingungen verhalte. Sowohl deshalb, als auch wegen der ſo verſchiedenen Gehoͤrfaͤhigkeiten bey Menſchen und verſchiedenen Thlerarten giebt es keine allgemeine, ſondern nur bey einem jeden Menſchen oder Thiere eine ſubjective Graͤnze der Hoͤrbarkeit. Es ſcheint der Natur nicht zu widerſprechen, wenn man annimmt, daß auch ein einfacher hinlaͤnglich ſtarker Stoß koͤnne von den Gehoͤrwerkzeugen als Schall empfunden wer- den; wie es vielleicht bey manchen Exploſionen, bey einem Peitſchenknalle, bey einem ploͤtz- lichen Eindringen der Luft in einen ganz oder beynahe luſtleeren Raum u. ſ. w. der Fall ſeyn mag. Jndeſſen halte ich fuͤr glaublicher, daß durch einen dergleichen einfachen Stoß, ſowohl in den umher befindlichen feſten Koͤrpern, als auch in der Luft wegen der mannigfaltigen Stem- mungen der verſchiedenen Luftſtrecken gegen die Erde oder gegen den Fußboden, und gegen andere umher befindliche Koͤrper meiſtens einige mehr oder weniger regelmaͤßige Hin- und Herbewegungen entſtehen, wie man denn auch bey gehoͤriger Aufmerkſamkeit einen ſolchen Schall meiſtens nicht ganz momentan, ſondern mit einiger, wiewohl geringer, Fortdauer empfinden, und oͤfters auch als einen mehr oder weniger genau beſtimmbaren Ton hoͤren wird. Bey einem Donner zeigt ſich die Erregung eines fortdauernden Schalles durch eine augenblick- lich geſchehende urſpruͤngliche Bewegung am auffallendſten. Eine ſchnelle fortſchreitende Bewegung wird (§. 1.) nur dadurch hoͤrbar, daß durch dieſelbe in der umher befindlichen Luft oder andern Koͤrpern Erſchuͤtterungen veranlaßt werden. Bey einem ſchnellen Voruͤbergehen einer abgeſchoſſenen Kugel hoͤrt man einen Schall, welcher O o 2

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Zitationshilfe: Chladni, Ernst Florens Friedrich: Die Akustik. Leipzig, 1802, S. 291. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_akustik_1802/325>, abgerufen am 24.11.2024.