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Chladni, Ernst Florens Friedrich: Die Akustik. Leipzig, 1802.

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225.

Ob die Richtung, in welcher diese einem festen Körper mitgetheilten Schwingungen
geschehen, longitudinal oder transversal ist, kann sowohl von der Gestalt dieses mitschwingen-
den Körpers, als auch von der Richtung, nach welcher er von dem schallenden Körper gestoßen
wird, abhängen. Hat der Körper, dem die Schwingungen mitgetheilt werden, eine stab-
förmige Gestalt, so wird er in beyderley Richtungen mit gleicher Leichtigkeit schwingen; ist er
aber eine dünne Fläche, wie z. B. ein Resonanzboden, so wird er geneigter seyn, transversal
zu schwingen. Uebrigens möchten wohl auch in den meisten Fällen durch die bey etwas starken
Transversalschwingungen seitwärts geschehende Dehnung der schwingenden Theile auch Longitu-
dinalschwingungen, d. i. Zusammenziehungen und Ausdehnungen nach der Richtung der Länge,
erregt werden können. Wird ein Körper, der in beyderley Richtungen zu schwingen im
Stande ist, von dem schallenden Körper nach der Richtung der Länge gestoßen, so werden eher
Longitudinalschwingungen, durch Stöße in die Quere aber eher Transversalschwingungen her-
vorgebracht werden. Auf die Beschaffenheit der Schwingungen des schallenden Körpers selbst,
ob diese nähmlich in die Länge oder in die Quere geschehen, kann hier nichts ankommen.

226.

Die Geschwindigkeit, mit welcher der Schall durch feste Körper verbreitet wird,
möchte sich, insofern es Longitudinalschwingungen sind, meines Erachtens also am besten be-
stimmen lassen. Da der Schall durch eine Strecke von freyer Luft in eben der Zeit fortgeht,
in welcher diese Luftstrecke als selbstklingender Körper (in einer an beyden Enden offenen Pfeife)
eine Longitudinalschwingung macht; da auch feste Körper in Ansehung ihrer Longitudinalschwin-
gungen sich nach eben den Gesetzen richten, wie die Luft: so kann man füglich annehmen, daß
in jeder festen sowohl als ausdehnbarflüssigen Materie der Schall in eben der Zeit sich verbrei-
tet, in welcher sie als selbstklingender Körper betrachtet, eine Leugitudinalschwingung macht.
Jeder feste Körper wird also nach diesen Voraussetzungen den Schall um eben so viel geschwin-
der fortleiten, als der Ton, welchen er bey seinen Longitudinalschwingungen giebt, bey gleicher
Länge dieses Körpers höher ist. Die Geschwindigkeiten werden also unter sich sowohl, wie
gegen die Luft betrachtet, ungefähr in den Verhältnissen stehen, wie die §. 95. angegebenen
Töne. Nun ist der Ton eines Stabes von Zinn ungefähr um 2 Octaven und eine große Sep-

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225.

Ob die Richtung, in welcher dieſe einem feſten Koͤrper mitgetheilten Schwingungen
geſchehen, longitudinal oder transverſal iſt, kann ſowohl von der Geſtalt dieſes mitſchwingen-
den Koͤrpers, als auch von der Richtung, nach welcher er von dem ſchallenden Koͤrper geſtoßen
wird, abhaͤngen. Hat der Koͤrper, dem die Schwingungen mitgetheilt werden, eine ſtab-
foͤrmige Geſtalt, ſo wird er in beyderley Richtungen mit gleicher Leichtigkeit ſchwingen; iſt er
aber eine duͤnne Flaͤche, wie z. B. ein Reſonanzboden, ſo wird er geneigter ſeyn, transverſal
zu ſchwingen. Uebrigens moͤchten wohl auch in den meiſten Faͤllen durch die bey etwas ſtarken
Transverſalſchwingungen ſeitwaͤrts geſchehende Dehnung der ſchwingenden Theile auch Longitu-
dinalſchwingungen, d. i. Zuſammenziehungen und Ausdehnungen nach der Richtung der Laͤnge,
erregt werden koͤnnen. Wird ein Koͤrper, der in beyderley Richtungen zu ſchwingen im
Stande iſt, von dem ſchallenden Koͤrper nach der Richtung der Laͤnge geſtoßen, ſo werden eher
Longitudinalſchwingungen, durch Stoͤße in die Quere aber eher Transverſalſchwingungen her-
vorgebracht werden. Auf die Beſchaffenheit der Schwingungen des ſchallenden Koͤrpers ſelbſt,
ob dieſe naͤhmlich in die Laͤnge oder in die Quere geſchehen, kann hier nichts ankommen.

226.

Die Geſchwindigkeit, mit welcher der Schall durch feſte Koͤrper verbreitet wird,
moͤchte ſich, inſofern es Longitudinalſchwingungen ſind, meines Erachtens alſo am beſten be-
ſtimmen laſſen. Da der Schall durch eine Strecke von freyer Luft in eben der Zeit fortgeht,
in welcher dieſe Luftſtrecke als ſelbſtklingender Koͤrper (in einer an beyden Enden offenen Pfeife)
eine Longitudinalſchwingung macht; da auch feſte Koͤrper in Anſehung ihrer Longitudinalſchwin-
gungen ſich nach eben den Geſetzen richten, wie die Luft: ſo kann man fuͤglich annehmen, daß
in jeder feſten ſowohl als ausdehnbarfluͤſſigen Materie der Schall in eben der Zeit ſich verbrei-
tet, in welcher ſie als ſelbſtklingender Koͤrper betrachtet, eine Leugitudinalſchwingung macht.
Jeder feſte Koͤrper wird alſo nach dieſen Vorausſetzungen den Schall um eben ſo viel geſchwin-
der fortleiten, als der Ton, welchen er bey ſeinen Longitudinalſchwingungen giebt, bey gleicher
Laͤnge dieſes Koͤrpers hoͤher iſt. Die Geſchwindigkeiten werden alſo unter ſich ſowohl, wie
gegen die Luft betrachtet, ungefaͤhr in den Verhaͤltniſſen ſtehen, wie die §. 95. angegebenen
Toͤne. Nun iſt der Ton eines Stabes von Zinn ungefaͤhr um 2 Octaven und eine große Sep-

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[265/0299] 225. Ob die Richtung, in welcher dieſe einem feſten Koͤrper mitgetheilten Schwingungen geſchehen, longitudinal oder transverſal iſt, kann ſowohl von der Geſtalt dieſes mitſchwingen- den Koͤrpers, als auch von der Richtung, nach welcher er von dem ſchallenden Koͤrper geſtoßen wird, abhaͤngen. Hat der Koͤrper, dem die Schwingungen mitgetheilt werden, eine ſtab- foͤrmige Geſtalt, ſo wird er in beyderley Richtungen mit gleicher Leichtigkeit ſchwingen; iſt er aber eine duͤnne Flaͤche, wie z. B. ein Reſonanzboden, ſo wird er geneigter ſeyn, transverſal zu ſchwingen. Uebrigens moͤchten wohl auch in den meiſten Faͤllen durch die bey etwas ſtarken Transverſalſchwingungen ſeitwaͤrts geſchehende Dehnung der ſchwingenden Theile auch Longitu- dinalſchwingungen, d. i. Zuſammenziehungen und Ausdehnungen nach der Richtung der Laͤnge, erregt werden koͤnnen. Wird ein Koͤrper, der in beyderley Richtungen zu ſchwingen im Stande iſt, von dem ſchallenden Koͤrper nach der Richtung der Laͤnge geſtoßen, ſo werden eher Longitudinalſchwingungen, durch Stoͤße in die Quere aber eher Transverſalſchwingungen her- vorgebracht werden. Auf die Beſchaffenheit der Schwingungen des ſchallenden Koͤrpers ſelbſt, ob dieſe naͤhmlich in die Laͤnge oder in die Quere geſchehen, kann hier nichts ankommen. 226. Die Geſchwindigkeit, mit welcher der Schall durch feſte Koͤrper verbreitet wird, moͤchte ſich, inſofern es Longitudinalſchwingungen ſind, meines Erachtens alſo am beſten be- ſtimmen laſſen. Da der Schall durch eine Strecke von freyer Luft in eben der Zeit fortgeht, in welcher dieſe Luftſtrecke als ſelbſtklingender Koͤrper (in einer an beyden Enden offenen Pfeife) eine Longitudinalſchwingung macht; da auch feſte Koͤrper in Anſehung ihrer Longitudinalſchwin- gungen ſich nach eben den Geſetzen richten, wie die Luft: ſo kann man fuͤglich annehmen, daß in jeder feſten ſowohl als ausdehnbarfluͤſſigen Materie der Schall in eben der Zeit ſich verbrei- tet, in welcher ſie als ſelbſtklingender Koͤrper betrachtet, eine Leugitudinalſchwingung macht. Jeder feſte Koͤrper wird alſo nach dieſen Vorausſetzungen den Schall um eben ſo viel geſchwin- der fortleiten, als der Ton, welchen er bey ſeinen Longitudinalſchwingungen giebt, bey gleicher Laͤnge dieſes Koͤrpers hoͤher iſt. Die Geſchwindigkeiten werden alſo unter ſich ſowohl, wie gegen die Luft betrachtet, ungefaͤhr in den Verhaͤltniſſen ſtehen, wie die §. 95. angegebenen Toͤne. Nun iſt der Ton eines Stabes von Zinn ungefaͤhr um 2 Octaven und eine große Sep- L l

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Zitationshilfe: Chladni, Ernst Florens Friedrich: Die Akustik. Leipzig, 1802, S. 265. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_akustik_1802/299>, abgerufen am 24.11.2024.