Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl's wundersame Geschichte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 17. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–98. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

anderes gemeint sei, als Chamisso der Naturforscher, der auf schnellem Schiff die Welt umsegelt: nur ist dem Dichter dieser Wunsch, den er so theuer bezahlen sollte, erst drei Jahre nach Abfassung des Schlemihl erfüllt worden, und aus der vermeinten Allegorie wird eine unbewußte Prophezeiung, also nur eben wieder ein Stückchen Poesie weiter. Daß aber in dieser Erzählung das äußere und innere Leben eines Menschen, und dazu eines unvergänglich theuren Menschen, abgespiegelt wird, das eben giebt ihr etwas wesentlich Novellistisches.

Dennoch sind wir uns herzhaft bewußt, durch ihre Aufnahme das herkommensrechtliche Gebiet der Novellistik zu überschreiten. Allein bei Licht betrachtet haben wir das gleich zu Beginn unserer Sammlung in noch weit höherem Grade gethan. Denn die "Neue Melusine" ist ja trotz der Einkleidung in eine Rahmenerzählung weit mehr Märchen als Novelle: sie hat aber neben dem Märchenelement noch ein anderes, auf das wir damals hindeuteten, einen Anklang an persönliche Schicksale, wodurch wir uns berechtigt glaubten, sie neben dem Märchen zugleich als Novelle anzusprechen. Ein Tadel dieses Verfahrens ist uns nicht kund geworden. Und so wagen wir es denn auch mit Freund Schlemihl, da es sich hier um das berühmte Werk eines Dichters handelt, der sonst unter den Meistern prosaischer Erzählung unvertreten bliebe, indem wir die in diesem Falle kaum erforderliche Rechtfertigung künftigen ähnlichen Ueberschreitungen, deren wir uns schuldig machen dürsten, vorbehalten.

anderes gemeint sei, als Chamisso der Naturforscher, der auf schnellem Schiff die Welt umsegelt: nur ist dem Dichter dieser Wunsch, den er so theuer bezahlen sollte, erst drei Jahre nach Abfassung des Schlemihl erfüllt worden, und aus der vermeinten Allegorie wird eine unbewußte Prophezeiung, also nur eben wieder ein Stückchen Poesie weiter. Daß aber in dieser Erzählung das äußere und innere Leben eines Menschen, und dazu eines unvergänglich theuren Menschen, abgespiegelt wird, das eben giebt ihr etwas wesentlich Novellistisches.

Dennoch sind wir uns herzhaft bewußt, durch ihre Aufnahme das herkommensrechtliche Gebiet der Novellistik zu überschreiten. Allein bei Licht betrachtet haben wir das gleich zu Beginn unserer Sammlung in noch weit höherem Grade gethan. Denn die „Neue Melusine“ ist ja trotz der Einkleidung in eine Rahmenerzählung weit mehr Märchen als Novelle: sie hat aber neben dem Märchenelement noch ein anderes, auf das wir damals hindeuteten, einen Anklang an persönliche Schicksale, wodurch wir uns berechtigt glaubten, sie neben dem Märchen zugleich als Novelle anzusprechen. Ein Tadel dieses Verfahrens ist uns nicht kund geworden. Und so wagen wir es denn auch mit Freund Schlemihl, da es sich hier um das berühmte Werk eines Dichters handelt, der sonst unter den Meistern prosaischer Erzählung unvertreten bliebe, indem wir die in diesem Falle kaum erforderliche Rechtfertigung künftigen ähnlichen Ueberschreitungen, deren wir uns schuldig machen dürsten, vorbehalten.

<TEI>
  <text>
    <front>
      <div type="preface">
        <p><pb facs="#f0009"/>
anderes gemeint sei, als Chamisso der             Naturforscher, der auf schnellem Schiff die Welt umsegelt: nur ist dem Dichter dieser             Wunsch, den er so theuer bezahlen sollte, erst drei Jahre nach Abfassung des Schlemihl             erfüllt worden, und aus der vermeinten Allegorie wird eine unbewußte Prophezeiung, also             nur eben wieder ein Stückchen Poesie weiter. Daß aber in dieser Erzählung das äußere und             innere Leben eines Menschen, und dazu eines unvergänglich theuren Menschen, abgespiegelt             wird, das eben giebt ihr etwas wesentlich Novellistisches.</p><lb/>
        <p>Dennoch sind wir uns herzhaft bewußt, durch ihre Aufnahme das herkommensrechtliche             Gebiet der Novellistik zu überschreiten. Allein bei Licht betrachtet haben wir das             gleich zu Beginn unserer Sammlung in noch weit höherem Grade gethan. Denn die &#x201E;Neue             Melusine&#x201C; ist ja trotz der Einkleidung in eine Rahmenerzählung weit mehr Märchen als             Novelle: sie hat aber neben dem Märchenelement noch ein anderes, auf das wir damals             hindeuteten, einen Anklang an persönliche Schicksale, wodurch wir uns berechtigt             glaubten, sie neben dem Märchen zugleich als Novelle anzusprechen. Ein Tadel dieses             Verfahrens ist uns nicht kund geworden. Und so wagen wir es denn auch mit Freund             Schlemihl, da es sich hier um das berühmte Werk eines Dichters handelt, der sonst unter             den Meistern prosaischer Erzählung unvertreten bliebe, indem wir die in diesem Falle             kaum erforderliche Rechtfertigung künftigen ähnlichen Ueberschreitungen, deren wir uns             schuldig machen dürsten, vorbehalten.</p><lb/>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[0009] anderes gemeint sei, als Chamisso der Naturforscher, der auf schnellem Schiff die Welt umsegelt: nur ist dem Dichter dieser Wunsch, den er so theuer bezahlen sollte, erst drei Jahre nach Abfassung des Schlemihl erfüllt worden, und aus der vermeinten Allegorie wird eine unbewußte Prophezeiung, also nur eben wieder ein Stückchen Poesie weiter. Daß aber in dieser Erzählung das äußere und innere Leben eines Menschen, und dazu eines unvergänglich theuren Menschen, abgespiegelt wird, das eben giebt ihr etwas wesentlich Novellistisches. Dennoch sind wir uns herzhaft bewußt, durch ihre Aufnahme das herkommensrechtliche Gebiet der Novellistik zu überschreiten. Allein bei Licht betrachtet haben wir das gleich zu Beginn unserer Sammlung in noch weit höherem Grade gethan. Denn die „Neue Melusine“ ist ja trotz der Einkleidung in eine Rahmenerzählung weit mehr Märchen als Novelle: sie hat aber neben dem Märchenelement noch ein anderes, auf das wir damals hindeuteten, einen Anklang an persönliche Schicksale, wodurch wir uns berechtigt glaubten, sie neben dem Märchen zugleich als Novelle anzusprechen. Ein Tadel dieses Verfahrens ist uns nicht kund geworden. Und so wagen wir es denn auch mit Freund Schlemihl, da es sich hier um das berühmte Werk eines Dichters handelt, der sonst unter den Meistern prosaischer Erzählung unvertreten bliebe, indem wir die in diesem Falle kaum erforderliche Rechtfertigung künftigen ähnlichen Ueberschreitungen, deren wir uns schuldig machen dürsten, vorbehalten.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T13:49:40Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-14T13:49:40Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/chamisso_schlemihl_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/chamisso_schlemihl_1910/9
Zitationshilfe: Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl's wundersame Geschichte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 17. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–98. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chamisso_schlemihl_1910/9>, abgerufen am 24.11.2024.