Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl's wundersame Geschichte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 17. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–98. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Ich hatte mich auf den heutigen Tag angemeldet, Sie haben die Zeit nicht erwarten können. Es steht aber Alles noch gut, Sie nehmen Rath an, tauschen Ihren Schatten wieder ein, der Ihnen zu Gebote steht, und kehren sogleich wieder um. Sie sollen in dem Förstergarten willkommen sein, und Alles ist nur ein Scherz gewesen; den Rascal, der Sie verrathen hat und um Ihre Braut wirbt, nehm' ich auf mich, der Kerl ist reif. Ich stand noch wie im Schlafe da. -- Auf den heutigen Tag angemeldet --? Ich überdachte noch einmal die Zeit -- er hatte Recht, ich hatte mich stets um einen Tag verrechnet. Ich suchte mit der rechten Hand nach dem Seckel auf meiner Brust, -- er errieth meine Meinung und trat zwei Schritte zurück. Nein, Herr Graf, der ist in zu guten Händen, den behalten Sie. -- Ich sah ihn mit stieren Augen, verwundert fragend an, er fuhr fort: Ich erbitte mir bloß eine Kleinigkeit zum Andenken: Sie sind nur so gut und unterschreiben mir den Zettel da. -- Auf dem Pergament standen die Worte: Kraft dieser meiner Unterschrift vermache ich dem Inhaber dieses meine Seele nach ihrer natürlichen Trennung von meinem Leibe. Ich sah mit stummem Staunen die Schrift und den grauen Unbekannten abwechselnd an. -- Er hatte unterdessen mit einer neu geschnittenen Feder einen Ich hatte mich auf den heutigen Tag angemeldet, Sie haben die Zeit nicht erwarten können. Es steht aber Alles noch gut, Sie nehmen Rath an, tauschen Ihren Schatten wieder ein, der Ihnen zu Gebote steht, und kehren sogleich wieder um. Sie sollen in dem Förstergarten willkommen sein, und Alles ist nur ein Scherz gewesen; den Rascal, der Sie verrathen hat und um Ihre Braut wirbt, nehm' ich auf mich, der Kerl ist reif. Ich stand noch wie im Schlafe da. — Auf den heutigen Tag angemeldet —? Ich überdachte noch einmal die Zeit — er hatte Recht, ich hatte mich stets um einen Tag verrechnet. Ich suchte mit der rechten Hand nach dem Seckel auf meiner Brust, — er errieth meine Meinung und trat zwei Schritte zurück. Nein, Herr Graf, der ist in zu guten Händen, den behalten Sie. — Ich sah ihn mit stieren Augen, verwundert fragend an, er fuhr fort: Ich erbitte mir bloß eine Kleinigkeit zum Andenken: Sie sind nur so gut und unterschreiben mir den Zettel da. — Auf dem Pergament standen die Worte: Kraft dieser meiner Unterschrift vermache ich dem Inhaber dieses meine Seele nach ihrer natürlichen Trennung von meinem Leibe. Ich sah mit stummem Staunen die Schrift und den grauen Unbekannten abwechselnd an. — Er hatte unterdessen mit einer neu geschnittenen Feder einen <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="5"> <pb facs="#f0055"/> <p>Ich hatte mich auf den heutigen Tag angemeldet, Sie haben die Zeit nicht erwarten können. Es steht aber Alles noch gut, Sie nehmen Rath an, tauschen Ihren Schatten wieder ein, der Ihnen zu Gebote steht, und kehren sogleich wieder um. Sie sollen in dem Förstergarten willkommen sein, und Alles ist nur ein Scherz gewesen; den Rascal, der Sie verrathen hat und um Ihre Braut wirbt, nehm' ich auf mich, der Kerl ist reif.</p><lb/> <p>Ich stand noch wie im Schlafe da. — Auf den heutigen Tag angemeldet —? Ich überdachte noch einmal die Zeit — er hatte Recht, ich hatte mich stets um einen Tag verrechnet. Ich suchte mit der rechten Hand nach dem Seckel auf meiner Brust, — er errieth meine Meinung und trat zwei Schritte zurück.</p><lb/> <p>Nein, Herr Graf, der ist in zu guten Händen, den behalten Sie. — Ich sah ihn mit stieren Augen, verwundert fragend an, er fuhr fort: Ich erbitte mir bloß eine Kleinigkeit zum Andenken: Sie sind nur so gut und unterschreiben mir den Zettel da. — Auf dem Pergament standen die Worte:</p><lb/> <quote> <hi rendition="#et">Kraft dieser meiner Unterschrift vermache ich dem Inhaber dieses meine Seele nach ihrer natürlichen Trennung von meinem Leibe.</hi> </quote><lb/> <p>Ich sah mit stummem Staunen die Schrift und den grauen Unbekannten abwechselnd an. — Er hatte unterdessen mit einer neu geschnittenen Feder einen<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0055]
Ich hatte mich auf den heutigen Tag angemeldet, Sie haben die Zeit nicht erwarten können. Es steht aber Alles noch gut, Sie nehmen Rath an, tauschen Ihren Schatten wieder ein, der Ihnen zu Gebote steht, und kehren sogleich wieder um. Sie sollen in dem Förstergarten willkommen sein, und Alles ist nur ein Scherz gewesen; den Rascal, der Sie verrathen hat und um Ihre Braut wirbt, nehm' ich auf mich, der Kerl ist reif.
Ich stand noch wie im Schlafe da. — Auf den heutigen Tag angemeldet —? Ich überdachte noch einmal die Zeit — er hatte Recht, ich hatte mich stets um einen Tag verrechnet. Ich suchte mit der rechten Hand nach dem Seckel auf meiner Brust, — er errieth meine Meinung und trat zwei Schritte zurück.
Nein, Herr Graf, der ist in zu guten Händen, den behalten Sie. — Ich sah ihn mit stieren Augen, verwundert fragend an, er fuhr fort: Ich erbitte mir bloß eine Kleinigkeit zum Andenken: Sie sind nur so gut und unterschreiben mir den Zettel da. — Auf dem Pergament standen die Worte:
Kraft dieser meiner Unterschrift vermache ich dem Inhaber dieses meine Seele nach ihrer natürlichen Trennung von meinem Leibe.
Ich sah mit stummem Staunen die Schrift und den grauen Unbekannten abwechselnd an. — Er hatte unterdessen mit einer neu geschnittenen Feder einen
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Zitationshilfe: | Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl's wundersame Geschichte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 17. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–98. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chamisso_schlemihl_1910/55>, abgerufen am 16.07.2024. |