Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl's wundersame Geschichte. Nürnberg, 1814.

Bild:
<< vorherige Seite

ließ mich stumm auf einen Sitz nieder, und es
erfolgte ein langes Schweigen, das selbst die gute
Mutter nicht zu unterbrechen wagte.

Der Forstmeister stürmte immer noch unglei¬
chen Schrittes die Laube auf und ab, er stand
mit einem Mal vor mir still, blickte ins Papier,
das er hielt, und fragte mich mit prüfendem Blick:
"Sollte Ihnen, Herr Graf, ein gewisser Peter
Schlemihl
wirklich nicht unbekannt seyn?"
Ich schwieg -- "ein Mann von vorzüglichem Cha¬
rakter und von besonderen Gaben." Er erwar¬
tete eine Antwort. -- "Und wenn ich selber der
Mann wäre?" "dem," fügte er heftig hinzu,
"sein Schatten abhanden gekommen ist!!" "O
meine Ahnung, meine Ahnung," rief Mina
aus, "ja, ich weiß es längst, er hat keinen Schat¬
ten!" und sie warf sich in die Arme der Mut¬
ter, welche erschreckt, sie krampfhaft an sich schlies¬
send, ihr Vorwürfe machte, daß sie zum Unheil
solch ein Geheimniß in sich verschlossen. Sie aber
war, wie Arethusa, in einen Thränenquell ge¬
wandelt, der beim Klang meiner Stimme häufiger
floß, und bei meinem Nahen stürmisch aufbrauste.

ließ mich ſtumm auf einen Sitz nieder, und es
erfolgte ein langes Schweigen, das ſelbſt die gute
Mutter nicht zu unterbrechen wagte.

Der Forſtmeiſter ſtuͤrmte immer noch unglei¬
chen Schrittes die Laube auf und ab, er ſtand
mit einem Mal vor mir ſtill, blickte ins Papier,
das er hielt, und fragte mich mit pruͤfendem Blick:
“Sollte Ihnen, Herr Graf, ein gewiſſer Peter
Schlemihl
wirklich nicht unbekannt ſeyn?„
Ich ſchwieg — “ein Mann von vorzuͤglichem Cha¬
rakter und von beſonderen Gaben.„ Er erwar¬
tete eine Antwort. — “Und wenn ich ſelber der
Mann waͤre?„ “dem,„ fuͤgte er heftig hinzu,
“ſein Schatten abhanden gekommen iſt!!„ “O
meine Ahnung, meine Ahnung,„ rief Mina
aus, “ja, ich weiß es laͤngſt, er hat keinen Schat¬
ten!„ und ſie warf ſich in die Arme der Mut¬
ter, welche erſchreckt, ſie krampfhaft an ſich ſchlieſ¬
ſend, ihr Vorwuͤrfe machte, daß ſie zum Unheil
ſolch ein Geheimniß in ſich verſchloſſen. Sie aber
war, wie Arethuſa, in einen Thraͤnenquell ge¬
wandelt, der beim Klang meiner Stimme haͤufiger
floß, und bei meinem Nahen ſtuͤrmiſch aufbrauſte.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0079" n="59"/>
ließ mich &#x017F;tumm auf einen Sitz nieder, und es<lb/>
erfolgte ein langes Schweigen, das &#x017F;elb&#x017F;t die gute<lb/>
Mutter nicht zu unterbrechen wagte.</p><lb/>
        <p>Der For&#x017F;tmei&#x017F;ter &#x017F;tu&#x0364;rmte immer noch unglei¬<lb/>
chen Schrittes die Laube auf und ab, er &#x017F;tand<lb/>
mit einem Mal vor mir &#x017F;till, blickte ins Papier,<lb/>
das er hielt, und fragte mich mit pru&#x0364;fendem Blick:<lb/>
&#x201C;Sollte Ihnen, Herr Graf, ein gewi&#x017F;&#x017F;er <hi rendition="#g">Peter<lb/>
Schlemihl</hi> wirklich nicht unbekannt &#x017F;eyn?&#x201E;<lb/>
Ich &#x017F;chwieg &#x2014; &#x201C;ein Mann von vorzu&#x0364;glichem Cha¬<lb/>
rakter und von be&#x017F;onderen Gaben.&#x201E; Er erwar¬<lb/>
tete eine Antwort. &#x2014; &#x201C;Und wenn ich &#x017F;elber der<lb/>
Mann wa&#x0364;re?&#x201E; &#x201C;dem,&#x201E; fu&#x0364;gte er heftig hinzu,<lb/>
&#x201C;&#x017F;ein Schatten abhanden gekommen i&#x017F;t!!&#x201E; &#x201C;O<lb/>
meine Ahnung, meine Ahnung,&#x201E; rief <hi rendition="#g">Mina</hi><lb/>
aus, &#x201C;ja, ich weiß es la&#x0364;ng&#x017F;t, er hat keinen Schat¬<lb/>
ten!&#x201E; und &#x017F;ie warf &#x017F;ich in die Arme der Mut¬<lb/>
ter, welche er&#x017F;chreckt, &#x017F;ie krampfhaft an &#x017F;ich &#x017F;chlie&#x017F;¬<lb/>
&#x017F;end, ihr Vorwu&#x0364;rfe machte, daß &#x017F;ie zum Unheil<lb/>
&#x017F;olch ein Geheimniß in &#x017F;ich ver&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en. Sie aber<lb/>
war, wie Arethu&#x017F;a, in einen Thra&#x0364;nenquell ge¬<lb/>
wandelt, der beim Klang meiner Stimme ha&#x0364;ufiger<lb/>
floß, und bei meinem Nahen &#x017F;tu&#x0364;rmi&#x017F;ch aufbrau&#x017F;te.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[59/0079] ließ mich ſtumm auf einen Sitz nieder, und es erfolgte ein langes Schweigen, das ſelbſt die gute Mutter nicht zu unterbrechen wagte. Der Forſtmeiſter ſtuͤrmte immer noch unglei¬ chen Schrittes die Laube auf und ab, er ſtand mit einem Mal vor mir ſtill, blickte ins Papier, das er hielt, und fragte mich mit pruͤfendem Blick: “Sollte Ihnen, Herr Graf, ein gewiſſer Peter Schlemihl wirklich nicht unbekannt ſeyn?„ Ich ſchwieg — “ein Mann von vorzuͤglichem Cha¬ rakter und von beſonderen Gaben.„ Er erwar¬ tete eine Antwort. — “Und wenn ich ſelber der Mann waͤre?„ “dem,„ fuͤgte er heftig hinzu, “ſein Schatten abhanden gekommen iſt!!„ “O meine Ahnung, meine Ahnung,„ rief Mina aus, “ja, ich weiß es laͤngſt, er hat keinen Schat¬ ten!„ und ſie warf ſich in die Arme der Mut¬ ter, welche erſchreckt, ſie krampfhaft an ſich ſchlieſ¬ ſend, ihr Vorwuͤrfe machte, daß ſie zum Unheil ſolch ein Geheimniß in ſich verſchloſſen. Sie aber war, wie Arethuſa, in einen Thraͤnenquell ge¬ wandelt, der beim Klang meiner Stimme haͤufiger floß, und bei meinem Nahen ſtuͤrmiſch aufbrauſte.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Beigebunden im Anhang des für das DTA gewählten E… [mehr]

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/chamisso_schlemihl_1814
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/chamisso_schlemihl_1814/79
Zitationshilfe: Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl's wundersame Geschichte. Nürnberg, 1814, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chamisso_schlemihl_1814/79>, abgerufen am 18.05.2024.