Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl's wundersame Geschichte. Nürnberg, 1814.

Bild:
<< vorherige Seite

fend, langsam aus dem Zimmer. Ich stand mit
Bendel da wie versteint, gedanken- und re¬
gungslos ihm nachsehend.

Schwer -- aufseufzend, und den Tod im
Herzen, schickt' ich mich endlich an, mein Wort
zu lösen, und, wie ein Verbrecher vor seinen Rich¬
tern, in dem Förstergarten zu erscheinen. Ich
stieg in der dunklen Laube ab, welche nach mir
benannt war, und wo sie mich auch diesmal er¬
warten mußten. Die Mutter kam mir sorgenfrei
und freudig entgegen. Mina saß da, bleich und
schön, wie der erste Schnee, der manchmal im
Herbste die letzten Blumen küßt, und gleich in
bitt'res Wasser zerfließen wird. Der Forstmeister,
ein geschriebenes Blatt in der Hand, ging heftig
auf und ab, und schien Vieles in sich zu unter¬
drücken, was mit fliegender Röthe und Blässe
wechselnd, sich auf seinem sonst unbeweglichen Ge¬
sichte malte. Er kam auf mich zu, als ich her¬
eintrat, und verlangte mit oft unterbrochenen Wor¬
ten, mich allein zu sprechen. Der Gang, auf den
er mich, ihm zu folgen, einlud, führte nach ei¬
nem freien, besonnten Theile des Gartens -- ich

fend, langſam aus dem Zimmer. Ich ſtand mit
Bendel da wie verſteint, gedanken- und re¬
gungslos ihm nachſehend.

Schwer — aufſeufzend, und den Tod im
Herzen, ſchickt' ich mich endlich an, mein Wort
zu loͤſen, und, wie ein Verbrecher vor ſeinen Rich¬
tern, in dem Foͤrſtergarten zu erſcheinen. Ich
ſtieg in der dunklen Laube ab, welche nach mir
benannt war, und wo ſie mich auch diesmal er¬
warten mußten. Die Mutter kam mir ſorgenfrei
und freudig entgegen. Mina ſaß da, bleich und
ſchoͤn, wie der erſte Schnee, der manchmal im
Herbſte die letzten Blumen kuͤßt, und gleich in
bitt’res Waſſer zerfließen wird. Der Forſtmeiſter,
ein geſchriebenes Blatt in der Hand, ging heftig
auf und ab, und ſchien Vieles in ſich zu unter¬
druͤcken, was mit fliegender Roͤthe und Blaͤſſe
wechſelnd, ſich auf ſeinem ſonſt unbeweglichen Ge¬
ſichte malte. Er kam auf mich zu, als ich her¬
eintrat, und verlangte mit oft unterbrochenen Wor¬
ten, mich allein zu ſprechen. Der Gang, auf den
er mich, ihm zu folgen, einlud, fuͤhrte nach ei¬
nem freien, beſonnten Theile des Gartens — ich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0078" n="58"/>
fend, lang&#x017F;am aus dem Zimmer. Ich &#x017F;tand mit<lb/><hi rendition="#g">Bendel</hi> da wie ver&#x017F;teint, gedanken- und re¬<lb/>
gungslos ihm nach&#x017F;ehend.</p><lb/>
        <p>Schwer &#x2014; auf&#x017F;eufzend, und den Tod im<lb/>
Herzen, &#x017F;chickt' ich mich endlich an, mein Wort<lb/>
zu lo&#x0364;&#x017F;en, und, wie ein Verbrecher vor &#x017F;einen Rich¬<lb/>
tern, in dem Fo&#x0364;r&#x017F;tergarten zu er&#x017F;cheinen. Ich<lb/>
&#x017F;tieg in der dunklen Laube ab, welche nach mir<lb/>
benannt war, und wo &#x017F;ie mich auch diesmal er¬<lb/>
warten mußten. Die Mutter kam mir &#x017F;orgenfrei<lb/>
und freudig entgegen. <hi rendition="#g">Mina</hi> &#x017F;aß da, bleich und<lb/>
&#x017F;cho&#x0364;n, wie der er&#x017F;te Schnee, der manchmal im<lb/>
Herb&#x017F;te die letzten Blumen ku&#x0364;ßt, und gleich in<lb/>
bitt&#x2019;res Wa&#x017F;&#x017F;er zerfließen wird. Der For&#x017F;tmei&#x017F;ter,<lb/>
ein ge&#x017F;chriebenes Blatt in der Hand, ging heftig<lb/>
auf und ab, und &#x017F;chien Vieles in &#x017F;ich zu unter¬<lb/>
dru&#x0364;cken, was mit fliegender Ro&#x0364;the und Bla&#x0364;&#x017F;&#x017F;e<lb/>
wech&#x017F;elnd, &#x017F;ich auf &#x017F;einem &#x017F;on&#x017F;t unbeweglichen Ge¬<lb/>
&#x017F;ichte malte. Er kam auf mich zu, als ich her¬<lb/>
eintrat, und verlangte mit oft unterbrochenen Wor¬<lb/>
ten, mich allein zu &#x017F;prechen. Der Gang, auf den<lb/>
er mich, ihm zu folgen, einlud, fu&#x0364;hrte nach ei¬<lb/>
nem freien, be&#x017F;onnten Theile des Gartens &#x2014; ich<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[58/0078] fend, langſam aus dem Zimmer. Ich ſtand mit Bendel da wie verſteint, gedanken- und re¬ gungslos ihm nachſehend. Schwer — aufſeufzend, und den Tod im Herzen, ſchickt' ich mich endlich an, mein Wort zu loͤſen, und, wie ein Verbrecher vor ſeinen Rich¬ tern, in dem Foͤrſtergarten zu erſcheinen. Ich ſtieg in der dunklen Laube ab, welche nach mir benannt war, und wo ſie mich auch diesmal er¬ warten mußten. Die Mutter kam mir ſorgenfrei und freudig entgegen. Mina ſaß da, bleich und ſchoͤn, wie der erſte Schnee, der manchmal im Herbſte die letzten Blumen kuͤßt, und gleich in bitt’res Waſſer zerfließen wird. Der Forſtmeiſter, ein geſchriebenes Blatt in der Hand, ging heftig auf und ab, und ſchien Vieles in ſich zu unter¬ druͤcken, was mit fliegender Roͤthe und Blaͤſſe wechſelnd, ſich auf ſeinem ſonſt unbeweglichen Ge¬ ſichte malte. Er kam auf mich zu, als ich her¬ eintrat, und verlangte mit oft unterbrochenen Wor¬ ten, mich allein zu ſprechen. Der Gang, auf den er mich, ihm zu folgen, einlud, fuͤhrte nach ei¬ nem freien, beſonnten Theile des Gartens — ich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Beigebunden im Anhang des für das DTA gewählten E… [mehr]

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/chamisso_schlemihl_1814
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/chamisso_schlemihl_1814/78
Zitationshilfe: Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl's wundersame Geschichte. Nürnberg, 1814, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chamisso_schlemihl_1814/78>, abgerufen am 24.05.2024.