weiter um mich. Die Gesellschaft war sehr auf¬ geräumt, es ward getändelt und gescherzt, man sprach zuweilen von leichtsinnigen Dingen wichtig, von wichtigen öfters leichtsinnig, und gemächlich erging besonders der Witz über abwesende Freunde und deren Verhältnisse. Ich war da zu fremd, um von alle dem Vieles zu verstehen, zu beküm¬ mert und in mich gekehrt, um den Sinn auf solche Räthsel zu haben.
Wir hatten den Rosenhain erreicht. Die schöne Fanny, wie es schien, die Herrin des Tages, wollte aus Eigensinn einen blühenden Zweig selbst brechen, sie verletzte sich an einem Dorn, und wie von den dunkeln Rosen, floß Pur¬ pur auf ihre zarte Hand. Dieses Ereigniß brach¬ te die ganze Gesellschaft in Bewegung. Es wur¬ de Englisch Pflaster gesucht. Ein stiller, dünner, hag'rer, länglichter, ältlicher Mann, der neben mir ging, und den ich noch nicht bemerkt hatte, steckte sogleich die Hand in die knapp anliegende Schoßtasche seines altfränkischen grautaffentnen Rockes, brachte eine kleine Brieftasche daraus her¬ vor, öffnete sie, und reichte der Dame mit devoter
weiter um mich. Die Geſellſchaft war ſehr auf¬ geraͤumt, es ward getaͤndelt und geſcherzt, man ſprach zuweilen von leichtſinnigen Dingen wichtig, von wichtigen oͤfters leichtſinnig, und gemaͤchlich erging beſonders der Witz uͤber abweſende Freunde und deren Verhaͤltniſſe. Ich war da zu fremd, um von alle dem Vieles zu verſtehen, zu bekuͤm¬ mert und in mich gekehrt, um den Sinn auf ſolche Raͤthſel zu haben.
Wir hatten den Roſenhain erreicht. Die ſchoͤne Fanny, wie es ſchien, die Herrin des Tages, wollte aus Eigenſinn einen bluͤhenden Zweig ſelbſt brechen, ſie verletzte ſich an einem Dorn, und wie von den dunkeln Roſen, floß Pur¬ pur auf ihre zarte Hand. Dieſes Ereigniß brach¬ te die ganze Geſellſchaft in Bewegung. Es wur¬ de Engliſch Pflaſter geſucht. Ein ſtiller, duͤnner, hag'rer, laͤnglichter, aͤltlicher Mann, der neben mir ging, und den ich noch nicht bemerkt hatte, ſteckte ſogleich die Hand in die knapp anliegende Schoßtaſche ſeines altfraͤnkiſchen grautaffentnen Rockes, brachte eine kleine Brieftaſche daraus her¬ vor, oͤffnete ſie, und reichte der Dame mit devoter
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0024"n="4"/>
weiter um mich. Die Geſellſchaft war ſehr auf¬<lb/>
geraͤumt, es ward getaͤndelt und geſcherzt, man<lb/>ſprach zuweilen von leichtſinnigen Dingen wichtig,<lb/>
von wichtigen oͤfters leichtſinnig, und gemaͤchlich<lb/>
erging beſonders der Witz uͤber abweſende Freunde<lb/>
und deren Verhaͤltniſſe. Ich war da zu fremd,<lb/>
um von alle dem Vieles zu verſtehen, zu bekuͤm¬<lb/>
mert und in mich gekehrt, um den Sinn auf<lb/>ſolche Raͤthſel zu haben.</p><lb/><p>Wir hatten den Roſenhain erreicht. Die<lb/>ſchoͤne <hirendition="#g">Fanny</hi>, wie es ſchien, die Herrin des<lb/>
Tages, wollte aus Eigenſinn einen bluͤhenden<lb/>
Zweig ſelbſt brechen, ſie verletzte ſich an einem<lb/>
Dorn, und wie von den dunkeln Roſen, floß Pur¬<lb/>
pur auf ihre zarte Hand. Dieſes Ereigniß brach¬<lb/>
te die ganze Geſellſchaft in Bewegung. Es wur¬<lb/>
de Engliſch Pflaſter geſucht. Ein ſtiller, duͤnner,<lb/>
hag'rer, laͤnglichter, aͤltlicher Mann, der neben<lb/><choice><sic>mit</sic><corr>mir</corr></choice> ging, und den ich noch nicht bemerkt hatte,<lb/>ſteckte ſogleich die Hand in die knapp anliegende<lb/>
Schoßtaſche ſeines altfraͤnkiſchen grautaffentnen<lb/>
Rockes, brachte eine kleine Brieftaſche daraus her¬<lb/>
vor, oͤffnete ſie, und reichte der Dame mit devoter<lb/></p></div></body></text></TEI>
[4/0024]
weiter um mich. Die Geſellſchaft war ſehr auf¬
geraͤumt, es ward getaͤndelt und geſcherzt, man
ſprach zuweilen von leichtſinnigen Dingen wichtig,
von wichtigen oͤfters leichtſinnig, und gemaͤchlich
erging beſonders der Witz uͤber abweſende Freunde
und deren Verhaͤltniſſe. Ich war da zu fremd,
um von alle dem Vieles zu verſtehen, zu bekuͤm¬
mert und in mich gekehrt, um den Sinn auf
ſolche Raͤthſel zu haben.
Wir hatten den Roſenhain erreicht. Die
ſchoͤne Fanny, wie es ſchien, die Herrin des
Tages, wollte aus Eigenſinn einen bluͤhenden
Zweig ſelbſt brechen, ſie verletzte ſich an einem
Dorn, und wie von den dunkeln Roſen, floß Pur¬
pur auf ihre zarte Hand. Dieſes Ereigniß brach¬
te die ganze Geſellſchaft in Bewegung. Es wur¬
de Engliſch Pflaſter geſucht. Ein ſtiller, duͤnner,
hag'rer, laͤnglichter, aͤltlicher Mann, der neben
mir ging, und den ich noch nicht bemerkt hatte,
ſteckte ſogleich die Hand in die knapp anliegende
Schoßtaſche ſeines altfraͤnkiſchen grautaffentnen
Rockes, brachte eine kleine Brieftaſche daraus her¬
vor, oͤffnete ſie, und reichte der Dame mit devoter
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Beigebunden im Anhang des für das DTA gewählten E… [mehr]
Beigebunden im Anhang des für das DTA gewählten Exemplars aus der SBB-PK sind sechs Kupfer von George Cruikshank aus der 2. Aufl. (1827).
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl's wundersame Geschichte. Nürnberg, 1814, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chamisso_schlemihl_1814/24>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.