Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl's wundersame Geschichte. Nürnberg, 1814.

Bild:
<< vorherige Seite

und bei mir bleiben wollen, wann ich ihn wie¬
derum als rechtmäßiges Eigenthum besitzen würde.
"Ich halte Sie," fuhr er fort, "am Schatten
fest, und Sie kommen mir nicht loß. Ein rei¬
cher Mann, wie Sie, braucht einmal einen
Schatten, das ist nicht anders, Sie sind nur
darin zu tadeln, daß Sie es nicht früher einge¬
sehen haben." --

Ich setzte meine Reise auf derselben Strasse
fort; es fanden sich bei mir alle Bequemlichkeiten
des Lebens, und selbst ihre Pracht wieder ein;
ich konnte mich frei und leicht bewegen, da ich ei¬
nen, obgleich nur erborgten, Schatten besaß, und
ich flößte überall die Ehrfurcht ein, die der Reich¬
thum gebietet; aber ich hatte den Tod im Herzen.
Mein wundersamer Begleiter, der sich selbst für
den unwürdigen Diener des reichsten Mannes in
der Welt ausgab, war von einer außerordentlichen
Dienstfertigkeit, über die Maßen gewandt und ge¬
schickt, der wahre Inbegrif eines Kammerdieners
für einen reichen Mann, aber er wich nicht von
meiner Seite, und führte unaufhörlich das Wort
gegen mich, stets die größte Zuversicht an den

Tag

und bei mir bleiben wollen, wann ich ihn wie¬
derum als rechtmaͤßiges Eigenthum beſitzen wuͤrde.
“Ich halte Sie,„ fuhr er fort, “am Schatten
feſt, und Sie kommen mir nicht loß. Ein rei¬
cher Mann, wie Sie, braucht einmal einen
Schatten, das iſt nicht anders, Sie ſind nur
darin zu tadeln, daß Sie es nicht fruͤher einge¬
ſehen haben.„ —

Ich ſetzte meine Reiſe auf derſelben Straſſe
fort; es fanden ſich bei mir alle Bequemlichkeiten
des Lebens, und ſelbſt ihre Pracht wieder ein;
ich konnte mich frei und leicht bewegen, da ich ei¬
nen, obgleich nur erborgten, Schatten beſaß, und
ich floͤßte uͤberall die Ehrfurcht ein, die der Reich¬
thum gebietet; aber ich hatte den Tod im Herzen.
Mein wunderſamer Begleiter, der ſich ſelbſt fuͤr
den unwuͤrdigen Diener des reichſten Mannes in
der Welt ausgab, war von einer außerordentlichen
Dienſtfertigkeit, uͤber die Maßen gewandt und ge¬
ſchickt, der wahre Inbegrif eines Kammerdieners
fuͤr einen reichen Mann, aber er wich nicht von
meiner Seite, und fuͤhrte unaufhoͤrlich das Wort
gegen mich, ſtets die groͤßte Zuverſicht an den

Tag
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0116" n="96"/>
und bei mir bleiben wollen, wann ich ihn wie¬<lb/>
derum als rechtma&#x0364;ßiges Eigenthum be&#x017F;itzen wu&#x0364;rde.<lb/>
&#x201C;Ich halte Sie,&#x201E; fuhr er fort, &#x201C;am Schatten<lb/>
fe&#x017F;t, und Sie kommen mir nicht loß. Ein rei¬<lb/>
cher Mann, wie Sie, braucht einmal einen<lb/>
Schatten, das i&#x017F;t nicht anders, Sie &#x017F;ind nur<lb/>
darin zu tadeln, daß Sie es nicht fru&#x0364;her einge¬<lb/>
&#x017F;ehen haben.&#x201E; &#x2014;</p><lb/>
        <p>Ich &#x017F;etzte meine Rei&#x017F;e auf der&#x017F;elben Stra&#x017F;&#x017F;e<lb/>
fort; es fanden &#x017F;ich bei mir alle Bequemlichkeiten<lb/>
des Lebens, und &#x017F;elb&#x017F;t ihre Pracht wieder ein;<lb/>
ich konnte mich frei und leicht bewegen, da ich ei¬<lb/>
nen, obgleich nur erborgten, Schatten be&#x017F;aß, und<lb/>
ich flo&#x0364;ßte u&#x0364;berall die Ehrfurcht ein, die der Reich¬<lb/>
thum gebietet; aber ich hatte den Tod im Herzen.<lb/>
Mein wunder&#x017F;amer Begleiter, der &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t fu&#x0364;r<lb/>
den unwu&#x0364;rdigen Diener des reich&#x017F;ten Mannes in<lb/>
der Welt ausgab, war von einer außerordentlichen<lb/>
Dien&#x017F;tfertigkeit, u&#x0364;ber die Maßen gewandt und ge¬<lb/>
&#x017F;chickt, der wahre Inbegrif eines Kammerdieners<lb/>
fu&#x0364;r einen reichen Mann, aber er wich nicht von<lb/>
meiner Seite, und fu&#x0364;hrte unaufho&#x0364;rlich das Wort<lb/>
gegen mich, &#x017F;tets die gro&#x0364;ßte Zuver&#x017F;icht an den<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Tag<lb/></fw>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[96/0116] und bei mir bleiben wollen, wann ich ihn wie¬ derum als rechtmaͤßiges Eigenthum beſitzen wuͤrde. “Ich halte Sie,„ fuhr er fort, “am Schatten feſt, und Sie kommen mir nicht loß. Ein rei¬ cher Mann, wie Sie, braucht einmal einen Schatten, das iſt nicht anders, Sie ſind nur darin zu tadeln, daß Sie es nicht fruͤher einge¬ ſehen haben.„ — Ich ſetzte meine Reiſe auf derſelben Straſſe fort; es fanden ſich bei mir alle Bequemlichkeiten des Lebens, und ſelbſt ihre Pracht wieder ein; ich konnte mich frei und leicht bewegen, da ich ei¬ nen, obgleich nur erborgten, Schatten beſaß, und ich floͤßte uͤberall die Ehrfurcht ein, die der Reich¬ thum gebietet; aber ich hatte den Tod im Herzen. Mein wunderſamer Begleiter, der ſich ſelbſt fuͤr den unwuͤrdigen Diener des reichſten Mannes in der Welt ausgab, war von einer außerordentlichen Dienſtfertigkeit, uͤber die Maßen gewandt und ge¬ ſchickt, der wahre Inbegrif eines Kammerdieners fuͤr einen reichen Mann, aber er wich nicht von meiner Seite, und fuͤhrte unaufhoͤrlich das Wort gegen mich, ſtets die groͤßte Zuverſicht an den Tag

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Beigebunden im Anhang des für das DTA gewählten E… [mehr]

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/chamisso_schlemihl_1814
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/chamisso_schlemihl_1814/116
Zitationshilfe: Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl's wundersame Geschichte. Nürnberg, 1814, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chamisso_schlemihl_1814/116>, abgerufen am 24.11.2024.