Die wenigen Bäume, nicht mein eigen, Verderben mir den Weltbesitz!
Dass dieses germanische Hinausstreben ins Grenzenlose viel Unheil mit sich führt, dass es auf der einen Seite Verbrechen, auf der anderen Elend gebiert: wer möchte es leugnen? Niemals ist die Geschichte eines ungeheuren Privatvermögens eine Chronik makelloser Ehre. In Süddeutschland nennt man noch heute eine überschlaue, an Betrug grenzende Geschäftsgebahrung "fuggern".1) Und in der That, kaum sind die Fuggers durch Gold mächtig geworden, und schon sehen wir sie mit anderen reichen Handelshäusern Ringe bilden zur Beherrschung der Weltmarktpreise, ganz genau so wie wir das heute erleben, und solche Syndikate bedeuten damals wie jetzt den systematischen Diebstahl nach unten und nach oben: der Arbeiter wird in seinem Lohn beliebig gedrückt, der Käufer zahlt mehr als der Gegenstand wert ist.2) Fast drollig bei aller Widerwärtigkeit ist es zu erfahren, dass die Fuggers an dem Ablassschacher finanziell interessiert waren. Der Erzbischof von Mainz hatte nämlich vom Papste die zu erwartenden Einnahmen des Jubelablasses für gewisse Teile von Deutschland gegen eine prä- numerando Zahlung von 10 000 Dukaten gepachtet; er schuldete aber den Fuggers von früher her 20 000 Dukaten (von den 30 000, die er der Kurie für seine Ernennung zum Erzbischof hatte bezahlen müssen), und so war denn in Wahrheit der Erzbischof nur ein vorgeschobener Strohmann und der wirkliche Pächter des Ablassjubels war die Firma Fugger! Der durch Luther unvergesslich gewordene Tetzel durfte denn nicht anders reisen und predigen, als in Begleitung des Geschäfts- vertreters dieses Handelshauses, der sämtliche Einkünfte einkassierte und allein den Schlüssel zum "Ablasskasten" besass.3) Ist es nun schon nicht sehr erbaulich, zu sehen, auf welche Weise ein solches Vermögen er- worben wird, so ist es einfach entsetzlich, zu gewahren, welch schnöder Gebrauch davon gemacht wird. Losgerissen aus dem heilsamen Ver- bande gemeinsamer Interessen, lässt der Einzelne die ungezügelte Will- kür walten. Die stumpfsinnige Vorteilsberechnung eines elenden Weber- sohnes bestimmt, wer Kaiser sein soll; nur dank dem Beistand der
1) Nach Schoenhof: A history of money and prices, New-York 1897, p. 74.
2) Siehe Ehrenberg, a. a. O., I, 90. Es handelte sich namentlich um die Beherrschung des Kupfermarktes; die Fugger waren aber so gierig nach alleinigem Monopol, dass das Syndikat sich bald auflösen musste.
3) Ludwig Keller: Die Anfänge der Reformation und die Ketzerschulen, S. 15 und Ehrenberg: a. a. O., I, 99.
Die Entstehung einer neuen Welt.
Die wenigen Bäume, nicht mein eigen, Verderben mir den Weltbesitz!
Dass dieses germanische Hinausstreben ins Grenzenlose viel Unheil mit sich führt, dass es auf der einen Seite Verbrechen, auf der anderen Elend gebiert: wer möchte es leugnen? Niemals ist die Geschichte eines ungeheuren Privatvermögens eine Chronik makelloser Ehre. In Süddeutschland nennt man noch heute eine überschlaue, an Betrug grenzende Geschäftsgebahrung »fuggern«.1) Und in der That, kaum sind die Fuggers durch Gold mächtig geworden, und schon sehen wir sie mit anderen reichen Handelshäusern Ringe bilden zur Beherrschung der Weltmarktpreise, ganz genau so wie wir das heute erleben, und solche Syndikate bedeuten damals wie jetzt den systematischen Diebstahl nach unten und nach oben: der Arbeiter wird in seinem Lohn beliebig gedrückt, der Käufer zahlt mehr als der Gegenstand wert ist.2) Fast drollig bei aller Widerwärtigkeit ist es zu erfahren, dass die Fuggers an dem Ablassschacher finanziell interessiert waren. Der Erzbischof von Mainz hatte nämlich vom Papste die zu erwartenden Einnahmen des Jubelablasses für gewisse Teile von Deutschland gegen eine prä- numerando Zahlung von 10 000 Dukaten gepachtet; er schuldete aber den Fuggers von früher her 20 000 Dukaten (von den 30 000, die er der Kurie für seine Ernennung zum Erzbischof hatte bezahlen müssen), und so war denn in Wahrheit der Erzbischof nur ein vorgeschobener Strohmann und der wirkliche Pächter des Ablassjubels war die Firma Fugger! Der durch Luther unvergesslich gewordene Tetzel durfte denn nicht anders reisen und predigen, als in Begleitung des Geschäfts- vertreters dieses Handelshauses, der sämtliche Einkünfte einkassierte und allein den Schlüssel zum »Ablasskasten« besass.3) Ist es nun schon nicht sehr erbaulich, zu sehen, auf welche Weise ein solches Vermögen er- worben wird, so ist es einfach entsetzlich, zu gewahren, welch schnöder Gebrauch davon gemacht wird. Losgerissen aus dem heilsamen Ver- bande gemeinsamer Interessen, lässt der Einzelne die ungezügelte Will- kür walten. Die stumpfsinnige Vorteilsberechnung eines elenden Weber- sohnes bestimmt, wer Kaiser sein soll; nur dank dem Beistand der
1) Nach Schoenhof: A history of money and prices, New-York 1897, p. 74.
2) Siehe Ehrenberg, a. a. O., I, 90. Es handelte sich namentlich um die Beherrschung des Kupfermarktes; die Fugger waren aber so gierig nach alleinigem Monopol, dass das Syndikat sich bald auflösen musste.
3) Ludwig Keller: Die Anfänge der Reformation und die Ketzerschulen, S. 15 und Ehrenberg: a. a. O., I, 99.
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Die Entstehung einer neuen Welt.
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Verderben mir den Weltbesitz!
Dass dieses germanische Hinausstreben ins Grenzenlose viel Unheil mit
sich führt, dass es auf der einen Seite Verbrechen, auf der anderen
Elend gebiert: wer möchte es leugnen? Niemals ist die Geschichte
eines ungeheuren Privatvermögens eine Chronik makelloser Ehre. In
Süddeutschland nennt man noch heute eine überschlaue, an Betrug
grenzende Geschäftsgebahrung »fuggern«. 1) Und in der That, kaum
sind die Fuggers durch Gold mächtig geworden, und schon sehen wir
sie mit anderen reichen Handelshäusern Ringe bilden zur Beherrschung
der Weltmarktpreise, ganz genau so wie wir das heute erleben, und
solche Syndikate bedeuten damals wie jetzt den systematischen Diebstahl
nach unten und nach oben: der Arbeiter wird in seinem Lohn beliebig
gedrückt, der Käufer zahlt mehr als der Gegenstand wert ist. 2) Fast
drollig bei aller Widerwärtigkeit ist es zu erfahren, dass die Fuggers
an dem Ablassschacher finanziell interessiert waren. Der Erzbischof
von Mainz hatte nämlich vom Papste die zu erwartenden Einnahmen
des Jubelablasses für gewisse Teile von Deutschland gegen eine prä-
numerando Zahlung von 10 000 Dukaten gepachtet; er schuldete aber
den Fuggers von früher her 20 000 Dukaten (von den 30 000, die er
der Kurie für seine Ernennung zum Erzbischof hatte bezahlen müssen),
und so war denn in Wahrheit der Erzbischof nur ein vorgeschobener
Strohmann und der wirkliche Pächter des Ablassjubels war die Firma
Fugger! Der durch Luther unvergesslich gewordene Tetzel durfte denn
nicht anders reisen und predigen, als in Begleitung des Geschäfts-
vertreters dieses Handelshauses, der sämtliche Einkünfte einkassierte und
allein den Schlüssel zum »Ablasskasten« besass. 3) Ist es nun schon nicht
sehr erbaulich, zu sehen, auf welche Weise ein solches Vermögen er-
worben wird, so ist es einfach entsetzlich, zu gewahren, welch schnöder
Gebrauch davon gemacht wird. Losgerissen aus dem heilsamen Ver-
bande gemeinsamer Interessen, lässt der Einzelne die ungezügelte Will-
kür walten. Die stumpfsinnige Vorteilsberechnung eines elenden Weber-
sohnes bestimmt, wer Kaiser sein soll; nur dank dem Beistand der
1) Nach Schoenhof: A history of money and prices, New-York 1897, p. 74.
2) Siehe Ehrenberg, a. a. O., I, 90. Es handelte sich namentlich um die
Beherrschung des Kupfermarktes; die Fugger waren aber so gierig nach alleinigem
Monopol, dass das Syndikat sich bald auflösen musste.
3) Ludwig Keller: Die Anfänge der Reformation und die Ketzerschulen, S. 15
und Ehrenberg: a. a. O., I, 99.
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Chamberlain, Houston Stewart: Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 2. München 1899, S. 826. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chamberlain_grundlagen02_1899/305>, abgerufen am 22.11.2024.
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