und zwar eine historisch gewachsene Thatsache. Selbst wenn Jesus Christus, wie mit grösster Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dem jüdischen Volke nicht entstammt sein sollte, nur der oberflächlichste Parteigeist kann die Thatsache leugnen, dass diese grosse und gött- liche Gestalt auf das Unzertrennlichste mit dem historischen Ent- wickelungsgang jenes Volkes verwoben ist.1)
Wer könnte es bezweifeln? Die Geschichte von Hellas, die von Rom und die von Judäa, sie haben gestaltend auf alle Jahrhunderte unserer Zeitrechnung weitergewirkt, sie wirkten lebendig weiter in unserem 19. Jahrhundert. Ja, sie wirkten nicht allein lebendig, sondern auch lebenhemmend, indem sie die freie Aussicht in das rein mensch- liche Gebiet nach vielen Richtungen hin mit einem mannshohen Zaun umgaben. Das ist des Menschen unentrinnbares Schicksal: was ihn fördert, fesselt ihn zugleich. Darum muss die Geschichte dieser Völker von Demjenigen wohl beachtet werden, der von unserem 19. Jahrhundert zu reden unternimmt.
In dem vorliegenden Werk nun sind die rein historischen Kennt- nisse, die Chronologie der Weltgeschichte, als bekannt vorausgesetzt. Nur eines darf hier versucht werden, nämlich in möglichst gedrängter Kürze zu bestimmen, welches die wesentlichsten, unterscheidenden Merkmale dieses "Erbes der alten Welt" sind. Das soll in drei Kapiteln geschehen, von denen das erste hellenische Kunst und Philosophie, das zweite römisches Recht und das dritte die Erscheinung Jesu Christi behandelt.
Geschichts- philosophie.
Ehe ich diese einleitenden Worte beschliesse, noch eine Ver- wahrung. Der Ausdruck: dieses oder jenes "musste" geschehen, entfuhr oben meiner Feder; vielleicht kehrt er im folgenden wieder. Damit soll keineswegs einem geschichtsphilosophischen Dogma- tisieren das Existenzrecht eingeräumt werden. Der Rückblick von der Gegenwart aus auf die Vergangenheit zurück gestattet den logischen Schluss, dass gewisse Vorgänge damals geschehen mussten, damit das Heute so würde, wie es geworden ist. Ob der Lauf der Geschichte ein andrer hätte sein können, als er war, diese subtile Frage gehört nicht hierher. Von dem wüsten Lärm einer angeb- lichen "Wissenschaftlichkeit" eingeschüchtert, sind manche heutige
1) Für den Nachweis, dass Christus kein Jude war (im Sinne der Rassen- angehörigkeit), sowie für die Darlegung seines innigen Verhältnisses zu dem moralischen Leben des echten jüdischen Volkes, siehe Kap. 3; Näheres über das jüdische Volk bringt dann Kap. 5.
Das Erbe der alten Welt.
und zwar eine historisch gewachsene Thatsache. Selbst wenn Jesus Christus, wie mit grösster Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dem jüdischen Volke nicht entstammt sein sollte, nur der oberflächlichste Parteigeist kann die Thatsache leugnen, dass diese grosse und gött- liche Gestalt auf das Unzertrennlichste mit dem historischen Ent- wickelungsgang jenes Volkes verwoben ist.1)
Wer könnte es bezweifeln? Die Geschichte von Hellas, die von Rom und die von Judäa, sie haben gestaltend auf alle Jahrhunderte unserer Zeitrechnung weitergewirkt, sie wirkten lebendig weiter in unserem 19. Jahrhundert. Ja, sie wirkten nicht allein lebendig, sondern auch lebenhemmend, indem sie die freie Aussicht in das rein mensch- liche Gebiet nach vielen Richtungen hin mit einem mannshohen Zaun umgaben. Das ist des Menschen unentrinnbares Schicksal: was ihn fördert, fesselt ihn zugleich. Darum muss die Geschichte dieser Völker von Demjenigen wohl beachtet werden, der von unserem 19. Jahrhundert zu reden unternimmt.
In dem vorliegenden Werk nun sind die rein historischen Kennt- nisse, die Chronologie der Weltgeschichte, als bekannt vorausgesetzt. Nur eines darf hier versucht werden, nämlich in möglichst gedrängter Kürze zu bestimmen, welches die wesentlichsten, unterscheidenden Merkmale dieses »Erbes der alten Welt« sind. Das soll in drei Kapiteln geschehen, von denen das erste hellenische Kunst und Philosophie, das zweite römisches Recht und das dritte die Erscheinung Jesu Christi behandelt.
Geschichts- philosophie.
Ehe ich diese einleitenden Worte beschliesse, noch eine Ver- wahrung. Der Ausdruck: dieses oder jenes »musste« geschehen, entfuhr oben meiner Feder; vielleicht kehrt er im folgenden wieder. Damit soll keineswegs einem geschichtsphilosophischen Dogma- tisieren das Existenzrecht eingeräumt werden. Der Rückblick von der Gegenwart aus auf die Vergangenheit zurück gestattet den logischen Schluss, dass gewisse Vorgänge damals geschehen mussten, damit das Heute so würde, wie es geworden ist. Ob der Lauf der Geschichte ein andrer hätte sein können, als er war, diese subtile Frage gehört nicht hierher. Von dem wüsten Lärm einer angeb- lichen »Wissenschaftlichkeit« eingeschüchtert, sind manche heutige
1) Für den Nachweis, dass Christus kein Jude war (im Sinne der Rassen- angehörigkeit), sowie für die Darlegung seines innigen Verhältnisses zu dem moralischen Leben des echten jüdischen Volkes, siehe Kap. 3; Näheres über das jüdische Volk bringt dann Kap. 5.
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[48/0071]
Das Erbe der alten Welt.
und zwar eine historisch gewachsene Thatsache. Selbst wenn Jesus
Christus, wie mit grösster Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dem
jüdischen Volke nicht entstammt sein sollte, nur der oberflächlichste
Parteigeist kann die Thatsache leugnen, dass diese grosse und gött-
liche Gestalt auf das Unzertrennlichste mit dem historischen Ent-
wickelungsgang jenes Volkes verwoben ist. 1)
Wer könnte es bezweifeln? Die Geschichte von Hellas, die von
Rom und die von Judäa, sie haben gestaltend auf alle Jahrhunderte
unserer Zeitrechnung weitergewirkt, sie wirkten lebendig weiter in
unserem 19. Jahrhundert. Ja, sie wirkten nicht allein lebendig, sondern
auch lebenhemmend, indem sie die freie Aussicht in das rein mensch-
liche Gebiet nach vielen Richtungen hin mit einem mannshohen
Zaun umgaben. Das ist des Menschen unentrinnbares Schicksal: was
ihn fördert, fesselt ihn zugleich. Darum muss die Geschichte dieser
Völker von Demjenigen wohl beachtet werden, der von unserem
19. Jahrhundert zu reden unternimmt.
In dem vorliegenden Werk nun sind die rein historischen Kennt-
nisse, die Chronologie der Weltgeschichte, als bekannt vorausgesetzt.
Nur eines darf hier versucht werden, nämlich in möglichst gedrängter
Kürze zu bestimmen, welches die wesentlichsten, unterscheidenden
Merkmale dieses »Erbes der alten Welt« sind. Das soll in drei Kapiteln
geschehen, von denen das erste hellenische Kunst und Philosophie,
das zweite römisches Recht und das dritte die Erscheinung Jesu Christi
behandelt.
Ehe ich diese einleitenden Worte beschliesse, noch eine Ver-
wahrung. Der Ausdruck: dieses oder jenes »musste« geschehen,
entfuhr oben meiner Feder; vielleicht kehrt er im folgenden wieder.
Damit soll keineswegs einem geschichtsphilosophischen Dogma-
tisieren das Existenzrecht eingeräumt werden. Der Rückblick von
der Gegenwart aus auf die Vergangenheit zurück gestattet den
logischen Schluss, dass gewisse Vorgänge damals geschehen mussten,
damit das Heute so würde, wie es geworden ist. Ob der Lauf der
Geschichte ein andrer hätte sein können, als er war, diese subtile
Frage gehört nicht hierher. Von dem wüsten Lärm einer angeb-
lichen »Wissenschaftlichkeit« eingeschüchtert, sind manche heutige
1) Für den Nachweis, dass Christus kein Jude war (im Sinne der Rassen-
angehörigkeit), sowie für die Darlegung seines innigen Verhältnisses zu dem
moralischen Leben des echten jüdischen Volkes, siehe Kap. 3; Näheres über das
jüdische Volk bringt dann Kap. 5.
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Chamberlain, Houston Stewart: Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 1. München 1899, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chamberlain_grundlagen01_1899/71>, abgerufen am 23.07.2024.
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