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Chamberlain, Houston Stewart: Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 1. München 1899.

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Der Eintritt der Juden in die abendländische Geschichte.
dass er an die Duldsamkeit immer nur dann appellierte, wenn er sich
bedrückt fühlte, dass er sie selber jedoch niemals übte noch üben
durfte, denn sein Gesetz verbot es ihm und verbietet es ihm auch
heute -- und morgen.

4. Hesekiel hatte geträumt, doch durch die Rückkehr wurde
sein Traum zur Wirklichkeit; sein Buch -- nicht die Geschichte
Israel's, nicht die Stimmen der grossen Propheten -- war fortan das
Ideal, nach welchem das Judentum organisiert wurde. Und dies
wiederum konnte nur dank dem Umstande geschehen, dass der ge-
schichtliche Prozess bei einer neuen Generation anknüpfte, bei einer
Generation, in welcher selbst die Sprache der Väter vergessen
worden war, und nur die Priester sie noch verstanden.1) Einzig
dank dem Zusammentreffen so ungewöhnlicher Umstände ward jetzt
etwas möglich, wovon die Weltgeschichte kein zweites Beispiel auf-
weist: dass von einzelnen zielbewussten Männern einem ganzen
Volke eine durchaus erfundene, kunstgemäss erdachte, ungemein
komplizierte Religions- und Kultusgeschichte als altgeheiligte Tradition
aufgezwungen werden konnte! Der Vorgang ist ein ganz anderer
als bei den christlichen Konzilien, wo beschlossen wurde, das und
jenes müsse der Mensch glauben, denn es sei die ewige Wahrheit;
dem Juden ist das Dogma in unserem Sinne fremd; für die materia-
listische Auffassung, die überall vorwaltet, wo der semitische Geist,
sei es auch nur, wie hier, als spiritus rector, herrscht, muss jede
Überzeugung auf geschichtlicher Grundlage ruhen. Und so wurden
denn hier der neue exklusive Jahve-Glaube, die neuen Verordnungen
für den Tempelkultus, die vielen neuen Religionsgesetze2) als historische,
in alten Zeiten von Gott befohlene, seitdem stets (ausser von ab-
trünnigen Sündern) beobachtete Dinge eingeführt. Der Anfang war

1) Bald darauf, mehr als 400 Jahre vor Christus, erlosch die hebräische
Sprache überhaupt (Peschel: Völkerkunde, 2. Aufl., S. 532); ihre Wiederaufnahme
viele Jahrhunderte später geschah künstlich, und einzig, um die Juden von ihren
Gastgebern in europäischen Ländern zu scheiden, woraus dann solche Eigentüm-
lichkeiten sich ergaben, wie dass heutzutage die französischen Bürger "israelitischer
Konfession" in Algerien ihre Wahlzettel nur hebräisch schreiben können, während
Judas Makkabäus das nicht vermocht hätte! Das verwahrloste Sprachgefühl unserer
heutigen Juden kommt daher, dass sie seit Jahrhunderten in gar keiner Sprache
heimisch sind, denn eine tote Sprache kann nicht auf Befehl wieder lebendig werden
und das hebräische Idiom wird von ihnen ebenso gemisshandelt wie jedes andere.
2) Gesetz und Religion, man vergesse das nie, ist bei den Juden synonym
siehe Moses Mendelssohn).

Der Eintritt der Juden in die abendländische Geschichte.
dass er an die Duldsamkeit immer nur dann appellierte, wenn er sich
bedrückt fühlte, dass er sie selber jedoch niemals übte noch üben
durfte, denn sein Gesetz verbot es ihm und verbietet es ihm auch
heute — und morgen.

4. Hesekiel hatte geträumt, doch durch die Rückkehr wurde
sein Traum zur Wirklichkeit; sein Buch — nicht die Geschichte
Israel’s, nicht die Stimmen der grossen Propheten — war fortan das
Ideal, nach welchem das Judentum organisiert wurde. Und dies
wiederum konnte nur dank dem Umstande geschehen, dass der ge-
schichtliche Prozess bei einer neuen Generation anknüpfte, bei einer
Generation, in welcher selbst die Sprache der Väter vergessen
worden war, und nur die Priester sie noch verstanden.1) Einzig
dank dem Zusammentreffen so ungewöhnlicher Umstände ward jetzt
etwas möglich, wovon die Weltgeschichte kein zweites Beispiel auf-
weist: dass von einzelnen zielbewussten Männern einem ganzen
Volke eine durchaus erfundene, kunstgemäss erdachte, ungemein
komplizierte Religions- und Kultusgeschichte als altgeheiligte Tradition
aufgezwungen werden konnte! Der Vorgang ist ein ganz anderer
als bei den christlichen Konzilien, wo beschlossen wurde, das und
jenes müsse der Mensch glauben, denn es sei die ewige Wahrheit;
dem Juden ist das Dogma in unserem Sinne fremd; für die materia-
listische Auffassung, die überall vorwaltet, wo der semitische Geist,
sei es auch nur, wie hier, als spiritus rector, herrscht, muss jede
Überzeugung auf geschichtlicher Grundlage ruhen. Und so wurden
denn hier der neue exklusive Jahve-Glaube, die neuen Verordnungen
für den Tempelkultus, die vielen neuen Religionsgesetze2) als historische,
in alten Zeiten von Gott befohlene, seitdem stets (ausser von ab-
trünnigen Sündern) beobachtete Dinge eingeführt. Der Anfang war

1) Bald darauf, mehr als 400 Jahre vor Christus, erlosch die hebräische
Sprache überhaupt (Peschel: Völkerkunde, 2. Aufl., S. 532); ihre Wiederaufnahme
viele Jahrhunderte später geschah künstlich, und einzig, um die Juden von ihren
Gastgebern in europäischen Ländern zu scheiden, woraus dann solche Eigentüm-
lichkeiten sich ergaben, wie dass heutzutage die französischen Bürger »israelitischer
Konfession« in Algerien ihre Wahlzettel nur hebräisch schreiben können, während
Judas Makkabäus das nicht vermocht hätte! Das verwahrloste Sprachgefühl unserer
heutigen Juden kommt daher, dass sie seit Jahrhunderten in gar keiner Sprache
heimisch sind, denn eine tote Sprache kann nicht auf Befehl wieder lebendig werden
und das hebräische Idiom wird von ihnen ebenso gemisshandelt wie jedes andere.
2) Gesetz und Religion, man vergesse das nie, ist bei den Juden synonym
siehe Moses Mendelssohn).
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[429/0452] Der Eintritt der Juden in die abendländische Geschichte. dass er an die Duldsamkeit immer nur dann appellierte, wenn er sich bedrückt fühlte, dass er sie selber jedoch niemals übte noch üben durfte, denn sein Gesetz verbot es ihm und verbietet es ihm auch heute — und morgen. 4. Hesekiel hatte geträumt, doch durch die Rückkehr wurde sein Traum zur Wirklichkeit; sein Buch — nicht die Geschichte Israel’s, nicht die Stimmen der grossen Propheten — war fortan das Ideal, nach welchem das Judentum organisiert wurde. Und dies wiederum konnte nur dank dem Umstande geschehen, dass der ge- schichtliche Prozess bei einer neuen Generation anknüpfte, bei einer Generation, in welcher selbst die Sprache der Väter vergessen worden war, und nur die Priester sie noch verstanden. 1) Einzig dank dem Zusammentreffen so ungewöhnlicher Umstände ward jetzt etwas möglich, wovon die Weltgeschichte kein zweites Beispiel auf- weist: dass von einzelnen zielbewussten Männern einem ganzen Volke eine durchaus erfundene, kunstgemäss erdachte, ungemein komplizierte Religions- und Kultusgeschichte als altgeheiligte Tradition aufgezwungen werden konnte! Der Vorgang ist ein ganz anderer als bei den christlichen Konzilien, wo beschlossen wurde, das und jenes müsse der Mensch glauben, denn es sei die ewige Wahrheit; dem Juden ist das Dogma in unserem Sinne fremd; für die materia- listische Auffassung, die überall vorwaltet, wo der semitische Geist, sei es auch nur, wie hier, als spiritus rector, herrscht, muss jede Überzeugung auf geschichtlicher Grundlage ruhen. Und so wurden denn hier der neue exklusive Jahve-Glaube, die neuen Verordnungen für den Tempelkultus, die vielen neuen Religionsgesetze 2) als historische, in alten Zeiten von Gott befohlene, seitdem stets (ausser von ab- trünnigen Sündern) beobachtete Dinge eingeführt. Der Anfang war 1) Bald darauf, mehr als 400 Jahre vor Christus, erlosch die hebräische Sprache überhaupt (Peschel: Völkerkunde, 2. Aufl., S. 532); ihre Wiederaufnahme viele Jahrhunderte später geschah künstlich, und einzig, um die Juden von ihren Gastgebern in europäischen Ländern zu scheiden, woraus dann solche Eigentüm- lichkeiten sich ergaben, wie dass heutzutage die französischen Bürger »israelitischer Konfession« in Algerien ihre Wahlzettel nur hebräisch schreiben können, während Judas Makkabäus das nicht vermocht hätte! Das verwahrloste Sprachgefühl unserer heutigen Juden kommt daher, dass sie seit Jahrhunderten in gar keiner Sprache heimisch sind, denn eine tote Sprache kann nicht auf Befehl wieder lebendig werden und das hebräische Idiom wird von ihnen ebenso gemisshandelt wie jedes andere. 2) Gesetz und Religion, man vergesse das nie, ist bei den Juden synonym siehe Moses Mendelssohn).

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Chamberlain, Houston Stewart: Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 1. München 1899, S. 429. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chamberlain_grundlagen01_1899/452>, abgerufen am 22.11.2024.