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Chamberlain, Houston Stewart: Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 1. München 1899.

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Die Erben.
Kultur mit ewigem Niedergange drohte, mussten die Geburten möglichst
hintangehalten werden; mit Abscheu wandten sich die Edlen von jener
Lasterwelt hinweg, vergruben sich in die Wüsteneien, verbargen sich
in die Felsenhöhlen, stellten sich hinauf auf hohe Säulen, kasteiten
sich und thaten Busse. Kinderlos schwanden sie dahin.1) Selbst wo
die menschliche Gesellschaft in Auflösung begriffen ist, sehen wir
eben einen grossen Zusammenhang; was der Einzelne denkt und thut,
lässt allemal eine zwiefache Deutung zu: die individuelle und die
Deutung in Bezug auf das Allgemeine.

Heiligkeit
reiner Rasse.

Hier berühren wir nun eine tiefe Erkenntnis; wir sind nahe
daran, das gewichtigste Geheimnis aller menschlichen Geschichte zu
erschliessen. Dass der Mensch nur im Zusammenhang mit dem
Menschen im wahren Sinne des Wortes überhaupt "Mensch" wird,
das sieht wohl Jeder ein. Manche haben auch das tiefe Wort Jean
Paul's, das ich einem früheren Kapitel als Motto voranstellte, be-
griffen: "Nur durch den Menschen tritt der Mensch in das Tages-
licht
des Lebens ein"; Wenige aber sind bisher zu der Erkenntnis
vorgedrungen, dass dieses Menschwerden und dieses "ins Tageslicht
des Lebens eintreten" dem Grade nach von bestimmten organischen
Bedingungen abhängt, Bedingungen, die früher vom Instinkt unbewusst
geachtet wurden, die es aber jetzt -- wo durch die Vermehrung des
Wissens und die Ausbildung des Denkens die instinktiven Regungen
an Kraft verloren haben -- an uns wäre, bewusst anzuerkennen und
zu achten. Aus dieser Betrachtung des römischen Völkerchaos ersehen
wir nämlich, dass Rasse -- und die die Rassenbildung ermöglichende
Nation -- nicht allein eine physisch-geistige, sondern auch eine moralische
Bedeutung besitzt. Hier liegt etwas vor, was man als heiliges Ge-
setz
bezeichnen kann, das heilige Gesetz des Menschwerdens: ein
"Gesetz", da es in der ganzen Natur angetroffen wird; "heilig", in-
sofern es bei uns Menschen unserm freien Willen anheimgegeben
bleibt, ob wir uns veredeln oder entarten wollen. Dieses Gesetz lehrt

1) Im vierten Jahrhundert zählte das römische Imperium Hunderttausende
von Mönchen und Nonnen. Dass ein Abt 10 000 Mönche in einem Kloster ver-
einigte, war nicht selten, und im Jahre 373 zählte die eine einzige ägyptische Stadt,
Oxyrynchus, 20 000 Nonnen und 10 000 Mönche! Nun bedenke man die damaligen
Gesamtbevölkerungszahlen, und man wird sehen, welchen grossen Einfluss diese
asketische Epidemie für das Nichtvermehren der Bastardengeschlechter haben musste.
(Nähere Angaben, siehe bei Lecky: History of European Morals, 11th edition II,
105 fg.)

Die Erben.
Kultur mit ewigem Niedergange drohte, mussten die Geburten möglichst
hintangehalten werden; mit Abscheu wandten sich die Edlen von jener
Lasterwelt hinweg, vergruben sich in die Wüsteneien, verbargen sich
in die Felsenhöhlen, stellten sich hinauf auf hohe Säulen, kasteiten
sich und thaten Busse. Kinderlos schwanden sie dahin.1) Selbst wo
die menschliche Gesellschaft in Auflösung begriffen ist, sehen wir
eben einen grossen Zusammenhang; was der Einzelne denkt und thut,
lässt allemal eine zwiefache Deutung zu: die individuelle und die
Deutung in Bezug auf das Allgemeine.

Heiligkeit
reiner Rasse.

Hier berühren wir nun eine tiefe Erkenntnis; wir sind nahe
daran, das gewichtigste Geheimnis aller menschlichen Geschichte zu
erschliessen. Dass der Mensch nur im Zusammenhang mit dem
Menschen im wahren Sinne des Wortes überhaupt »Mensch« wird,
das sieht wohl Jeder ein. Manche haben auch das tiefe Wort Jean
Paul’s, das ich einem früheren Kapitel als Motto voranstellte, be-
griffen: »Nur durch den Menschen tritt der Mensch in das Tages-
licht
des Lebens ein«; Wenige aber sind bisher zu der Erkenntnis
vorgedrungen, dass dieses Menschwerden und dieses »ins Tageslicht
des Lebens eintreten« dem Grade nach von bestimmten organischen
Bedingungen abhängt, Bedingungen, die früher vom Instinkt unbewusst
geachtet wurden, die es aber jetzt — wo durch die Vermehrung des
Wissens und die Ausbildung des Denkens die instinktiven Regungen
an Kraft verloren haben — an uns wäre, bewusst anzuerkennen und
zu achten. Aus dieser Betrachtung des römischen Völkerchaos ersehen
wir nämlich, dass Rasse — und die die Rassenbildung ermöglichende
Nation — nicht allein eine physisch-geistige, sondern auch eine moralische
Bedeutung besitzt. Hier liegt etwas vor, was man als heiliges Ge-
setz
bezeichnen kann, das heilige Gesetz des Menschwerdens: ein
»Gesetz«, da es in der ganzen Natur angetroffen wird; »heilig«, in-
sofern es bei uns Menschen unserm freien Willen anheimgegeben
bleibt, ob wir uns veredeln oder entarten wollen. Dieses Gesetz lehrt

1) Im vierten Jahrhundert zählte das römische Imperium Hunderttausende
von Mönchen und Nonnen. Dass ein Abt 10 000 Mönche in einem Kloster ver-
einigte, war nicht selten, und im Jahre 373 zählte die eine einzige ägyptische Stadt,
Oxyrynchus, 20 000 Nonnen und 10 000 Mönche! Nun bedenke man die damaligen
Gesamtbevölkerungszahlen, und man wird sehen, welchen grossen Einfluss diese
asketische Epidemie für das Nichtvermehren der Bastardengeschlechter haben musste.
(Nähere Angaben, siehe bei Lecky: History of European Morals, 11th edition II,
105 fg.)
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[310/0333] Die Erben. Kultur mit ewigem Niedergange drohte, mussten die Geburten möglichst hintangehalten werden; mit Abscheu wandten sich die Edlen von jener Lasterwelt hinweg, vergruben sich in die Wüsteneien, verbargen sich in die Felsenhöhlen, stellten sich hinauf auf hohe Säulen, kasteiten sich und thaten Busse. Kinderlos schwanden sie dahin. 1) Selbst wo die menschliche Gesellschaft in Auflösung begriffen ist, sehen wir eben einen grossen Zusammenhang; was der Einzelne denkt und thut, lässt allemal eine zwiefache Deutung zu: die individuelle und die Deutung in Bezug auf das Allgemeine. Hier berühren wir nun eine tiefe Erkenntnis; wir sind nahe daran, das gewichtigste Geheimnis aller menschlichen Geschichte zu erschliessen. Dass der Mensch nur im Zusammenhang mit dem Menschen im wahren Sinne des Wortes überhaupt »Mensch« wird, das sieht wohl Jeder ein. Manche haben auch das tiefe Wort Jean Paul’s, das ich einem früheren Kapitel als Motto voranstellte, be- griffen: »Nur durch den Menschen tritt der Mensch in das Tages- licht des Lebens ein«; Wenige aber sind bisher zu der Erkenntnis vorgedrungen, dass dieses Menschwerden und dieses »ins Tageslicht des Lebens eintreten« dem Grade nach von bestimmten organischen Bedingungen abhängt, Bedingungen, die früher vom Instinkt unbewusst geachtet wurden, die es aber jetzt — wo durch die Vermehrung des Wissens und die Ausbildung des Denkens die instinktiven Regungen an Kraft verloren haben — an uns wäre, bewusst anzuerkennen und zu achten. Aus dieser Betrachtung des römischen Völkerchaos ersehen wir nämlich, dass Rasse — und die die Rassenbildung ermöglichende Nation — nicht allein eine physisch-geistige, sondern auch eine moralische Bedeutung besitzt. Hier liegt etwas vor, was man als heiliges Ge- setz bezeichnen kann, das heilige Gesetz des Menschwerdens: ein »Gesetz«, da es in der ganzen Natur angetroffen wird; »heilig«, in- sofern es bei uns Menschen unserm freien Willen anheimgegeben bleibt, ob wir uns veredeln oder entarten wollen. Dieses Gesetz lehrt 1) Im vierten Jahrhundert zählte das römische Imperium Hunderttausende von Mönchen und Nonnen. Dass ein Abt 10 000 Mönche in einem Kloster ver- einigte, war nicht selten, und im Jahre 373 zählte die eine einzige ägyptische Stadt, Oxyrynchus, 20 000 Nonnen und 10 000 Mönche! Nun bedenke man die damaligen Gesamtbevölkerungszahlen, und man wird sehen, welchen grossen Einfluss diese asketische Epidemie für das Nichtvermehren der Bastardengeschlechter haben musste. (Nähere Angaben, siehe bei Lecky: History of European Morals, 11th edition II, 105 fg.)

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Chamberlain, Houston Stewart: Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 1. München 1899, S. 310. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chamberlain_grundlagen01_1899/333>, abgerufen am 26.11.2024.