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Chamberlain, Houston Stewart: Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 1. München 1899.

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Die Erben.
reinen Rasse angehört, empfindet es täglich. Die Tyche seines
Stammes weicht nicht von seiner Seite: sie trägt ihn, wo sein Fuss
wankt, sie warnt ihn, wie der Sokratische Daimon, wo er im Begriffe
steht, auf Irrwege zu geraten, sie fordert Gehorsam und zwingt ihn
oft zu Handlungen, die er, weil er ihre Möglichkeit nicht begriff,
niemals zu unternehmen gewagt hätte. Schwach und fehlervoll wie
alles Menschliche, erkennt ein solcher Mann sich selbst (und wird
von guten Beobachtern erkannt) an der Sicherheit seines Charakters,
sowie daran, dass seinem Thun eine eigenartige, einfache Grösse zu
eigen ist, die in dem bestimmt Typischen, Überpersönlichen ihre Er-
klärung findet. Rasse hebt eben einen Menschen über sich selbst
hinaus, sie verleiht ihm ausserordentliche, fast möchte ich sagen über-
natürliche Fähigkeiten, so sehr zeichnen sie ihn vor dem aus einem
chaotischen Mischmasch von allerhand Völkern hervorgegangenen
Individuum aus; und ist nun dieser edelgezüchtete Mann zufällig
ungewöhnlich begabt, so stärkt und hebt ihn die Rassenangehörigkeit
von allen Seiten, und er wird ein die gesamte Menschheit überragendes
Genie, nicht weil er wie ein flammendes Meteor durch eine Laune
der Natur auf die Erde herabgeworfen wurde, sondern weil er wie
ein aus tausend und abertausend Wurzeln genährter Baum, stark,
schlank und gerade zum Himmel emporwächst -- kein vereinzeltes
Individuum, sondern die lebendige Summe ungezählter, gleichgerichteter
Seelen. Wer nur ein offenes Auge hat, erkennt ja bei Tieren "Rasse"
sofort. Sie zeigt sich an dem ganzen Habitus und bekundet sich in
hundert Einzelheiten, die sich der Analyse entziehen; ausserdem be-
währt sie sich in den Leistungen, denn ihr Besitz führt immer zu
etwas Excessivem, Ungewöhnlichem, ja, wenn man will, zu Über-
triebenem und Einseitigem. Man kennt Goethe's Behauptung: Einzig
das Überschwängliche mache die Grösse;1) das ist es, was eine aus
vorzüglichem Material gezüchtete Rasse den Individuen verleiht: ein
Überschwängliches. Und wahrlich, was jedes Rennpferd, jeder rein
gezüchtete Fuchsterrier, jedes Cochinchinahuhn uns lehrt, das lehrt
uns die Geschichte unseres eigenen Geschlechtes mit beredter Zunge!
Ist nicht die Blüte des hellenischen Volkes ein Überschwängliches
sondergleichen? Und sehen wir dieses Überschwängliche nicht erst
entstehen, als die Zuzüge aus dem Norden aufgehört haben und die

1) Materalien zur Geschichte der Farbenlehre, Abschnitt über Newton's
Persönlichkeit.

Die Erben.
reinen Rasse angehört, empfindet es täglich. Die Tyche seines
Stammes weicht nicht von seiner Seite: sie trägt ihn, wo sein Fuss
wankt, sie warnt ihn, wie der Sokratische Daimon, wo er im Begriffe
steht, auf Irrwege zu geraten, sie fordert Gehorsam und zwingt ihn
oft zu Handlungen, die er, weil er ihre Möglichkeit nicht begriff,
niemals zu unternehmen gewagt hätte. Schwach und fehlervoll wie
alles Menschliche, erkennt ein solcher Mann sich selbst (und wird
von guten Beobachtern erkannt) an der Sicherheit seines Charakters,
sowie daran, dass seinem Thun eine eigenartige, einfache Grösse zu
eigen ist, die in dem bestimmt Typischen, Überpersönlichen ihre Er-
klärung findet. Rasse hebt eben einen Menschen über sich selbst
hinaus, sie verleiht ihm ausserordentliche, fast möchte ich sagen über-
natürliche Fähigkeiten, so sehr zeichnen sie ihn vor dem aus einem
chaotischen Mischmasch von allerhand Völkern hervorgegangenen
Individuum aus; und ist nun dieser edelgezüchtete Mann zufällig
ungewöhnlich begabt, so stärkt und hebt ihn die Rassenangehörigkeit
von allen Seiten, und er wird ein die gesamte Menschheit überragendes
Genie, nicht weil er wie ein flammendes Meteor durch eine Laune
der Natur auf die Erde herabgeworfen wurde, sondern weil er wie
ein aus tausend und abertausend Wurzeln genährter Baum, stark,
schlank und gerade zum Himmel emporwächst — kein vereinzeltes
Individuum, sondern die lebendige Summe ungezählter, gleichgerichteter
Seelen. Wer nur ein offenes Auge hat, erkennt ja bei Tieren »Rasse«
sofort. Sie zeigt sich an dem ganzen Habitus und bekundet sich in
hundert Einzelheiten, die sich der Analyse entziehen; ausserdem be-
währt sie sich in den Leistungen, denn ihr Besitz führt immer zu
etwas Excessivem, Ungewöhnlichem, ja, wenn man will, zu Über-
triebenem und Einseitigem. Man kennt Goethe’s Behauptung: Einzig
das Überschwängliche mache die Grösse;1) das ist es, was eine aus
vorzüglichem Material gezüchtete Rasse den Individuen verleiht: ein
Überschwängliches. Und wahrlich, was jedes Rennpferd, jeder rein
gezüchtete Fuchsterrier, jedes Cochinchinahuhn uns lehrt, das lehrt
uns die Geschichte unseres eigenen Geschlechtes mit beredter Zunge!
Ist nicht die Blüte des hellenischen Volkes ein Überschwängliches
sondergleichen? Und sehen wir dieses Überschwängliche nicht erst
entstehen, als die Zuzüge aus dem Norden aufgehört haben und die

1) Materalien zur Geschichte der Farbenlehre, Abschnitt über Newton’s
Persönlichkeit.
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[272/0295] Die Erben. reinen Rasse angehört, empfindet es täglich. Die Tyche seines Stammes weicht nicht von seiner Seite: sie trägt ihn, wo sein Fuss wankt, sie warnt ihn, wie der Sokratische Daimon, wo er im Begriffe steht, auf Irrwege zu geraten, sie fordert Gehorsam und zwingt ihn oft zu Handlungen, die er, weil er ihre Möglichkeit nicht begriff, niemals zu unternehmen gewagt hätte. Schwach und fehlervoll wie alles Menschliche, erkennt ein solcher Mann sich selbst (und wird von guten Beobachtern erkannt) an der Sicherheit seines Charakters, sowie daran, dass seinem Thun eine eigenartige, einfache Grösse zu eigen ist, die in dem bestimmt Typischen, Überpersönlichen ihre Er- klärung findet. Rasse hebt eben einen Menschen über sich selbst hinaus, sie verleiht ihm ausserordentliche, fast möchte ich sagen über- natürliche Fähigkeiten, so sehr zeichnen sie ihn vor dem aus einem chaotischen Mischmasch von allerhand Völkern hervorgegangenen Individuum aus; und ist nun dieser edelgezüchtete Mann zufällig ungewöhnlich begabt, so stärkt und hebt ihn die Rassenangehörigkeit von allen Seiten, und er wird ein die gesamte Menschheit überragendes Genie, nicht weil er wie ein flammendes Meteor durch eine Laune der Natur auf die Erde herabgeworfen wurde, sondern weil er wie ein aus tausend und abertausend Wurzeln genährter Baum, stark, schlank und gerade zum Himmel emporwächst — kein vereinzeltes Individuum, sondern die lebendige Summe ungezählter, gleichgerichteter Seelen. Wer nur ein offenes Auge hat, erkennt ja bei Tieren »Rasse« sofort. Sie zeigt sich an dem ganzen Habitus und bekundet sich in hundert Einzelheiten, die sich der Analyse entziehen; ausserdem be- währt sie sich in den Leistungen, denn ihr Besitz führt immer zu etwas Excessivem, Ungewöhnlichem, ja, wenn man will, zu Über- triebenem und Einseitigem. Man kennt Goethe’s Behauptung: Einzig das Überschwängliche mache die Grösse; 1) das ist es, was eine aus vorzüglichem Material gezüchtete Rasse den Individuen verleiht: ein Überschwängliches. Und wahrlich, was jedes Rennpferd, jeder rein gezüchtete Fuchsterrier, jedes Cochinchinahuhn uns lehrt, das lehrt uns die Geschichte unseres eigenen Geschlechtes mit beredter Zunge! Ist nicht die Blüte des hellenischen Volkes ein Überschwängliches sondergleichen? Und sehen wir dieses Überschwängliche nicht erst entstehen, als die Zuzüge aus dem Norden aufgehört haben und die 1) Materalien zur Geschichte der Farbenlehre, Abschnitt über Newton’s Persönlichkeit.

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Zitationshilfe: Chamberlain, Houston Stewart: Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 1. München 1899, S. 272. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chamberlain_grundlagen01_1899/295>, abgerufen am 27.11.2024.