Aehnlichkeiten, Lebensdauer, Größe, verschiedenen Fähigkeiten durchge- gangen und auch hier viel Fabelhaftes beigemischt hat, beginnt er das achte Buch mit den Worten: "Ich will nun zu den übrigen Thieren weitergehen. Der Elefant ist das größte und durch seine Fähigkeiten dem Menschen am nächsten stehende Thier". Nun führt zwar dies Buch die Aufschrift: von der Natur der Landthiere, ebenso wie im neunten, zehn ten und elften Buche die Wasserthiere, Vögel und Insecten eingeführt werden. Es lagen aber Gedanken, die Thiere etwa nach der Art des Me- dium in dem sie leben einzutheilen, dem Plinius fern. Jene vier Rubri- ken sind ihm nur Abtheilungen, in welchen er das für seine Erzählungen zusammengebrachte Material bequem abhandeln konnte. Ein Zusam- mentreffen mit aristotelischen Classen wäre schon deshalb rein zufällig, als bei Plinius der von Aristoteles so scharf festgehaltene Unterschied zwischen Classe und formaler Abtheilung ganz wegfällt.
Ueberhaupt ist es unrichtig, Plinius als Zoologen aufzufassen. Er war Encyklopädist, wie hundert Jahre später Appulejus. Nur standen letzterem mehr eigene Beobachtungen und demzufolge bei seinen zoologischen Arbeiten mehr Kritik zu Gebote. Nach Abzug dieses wich- tigen Unterschiedes gilt das über Appulejus gefällte Urtheil auch für Plinius, wenn man sagt:"In jedem Falle spricht sich in dieser schrift- stellerischen Thätigkeit die eigenthümliche praktisch-encyklopädische Rich- tung aus. Betrachtet man aber den Sinn, in welchem diese Schriften verfaßt, und die Mittel, welche dafür angewendet sind, so erscheint Ap- pulejus als Repräsentant einer Zeit, in welcher alle Elemente der eigentlichen nationalen Existenz in der Zersetzung begriffen waren, in welcher man im Ueberfluß einer raffinirten Ueberbildung von allen Seiten her das verschiedenartigste zusammentrug und vermischte, um die Uebersättigung zu reizen und zu täuschen und namentlich um der ausgelebten heidnischen Religion dem siegreichen Christenthum gegen- über neue Kraft zu geben"105). Wird sich auch die letzte Beziehung kaum als nothwendig ergeben, wenn die ganze Richtung der geistigen
105)O. Jahn, Ueber römische Encyklopädisten. in: Berichte über die Ver- handl. d. K. Sächs. Gesellsch. d. Wiss. Philol. hist. Kl. 2. Bd. 1850. S. 263.
3. Verſuche zur Syſtematik.
Aehnlichkeiten, Lebensdauer, Größe, verſchiedenen Fähigkeiten durchge- gangen und auch hier viel Fabelhaftes beigemiſcht hat, beginnt er das achte Buch mit den Worten: „Ich will nun zu den übrigen Thieren weitergehen. Der Elefant iſt das größte und durch ſeine Fähigkeiten dem Menſchen am nächſten ſtehende Thier“. Nun führt zwar dies Buch die Aufſchrift: von der Natur der Landthiere, ebenſo wie im neunten, zehn ten und elften Buche die Waſſerthiere, Vögel und Inſecten eingeführt werden. Es lagen aber Gedanken, die Thiere etwa nach der Art des Me- dium in dem ſie leben einzutheilen, dem Plinius fern. Jene vier Rubri- ken ſind ihm nur Abtheilungen, in welchen er das für ſeine Erzählungen zuſammengebrachte Material bequem abhandeln konnte. Ein Zuſam- mentreffen mit ariſtoteliſchen Claſſen wäre ſchon deshalb rein zufällig, als bei Plinius der von Ariſtoteles ſo ſcharf feſtgehaltene Unterſchied zwiſchen Claſſe und formaler Abtheilung ganz wegfällt.
Ueberhaupt iſt es unrichtig, Plinius als Zoologen aufzufaſſen. Er war Encyklopädiſt, wie hundert Jahre ſpäter Appulejus. Nur ſtanden letzterem mehr eigene Beobachtungen und demzufolge bei ſeinen zoologiſchen Arbeiten mehr Kritik zu Gebote. Nach Abzug dieſes wich- tigen Unterſchiedes gilt das über Appulejus gefällte Urtheil auch für Plinius, wenn man ſagt:„In jedem Falle ſpricht ſich in dieſer ſchrift- ſtelleriſchen Thätigkeit die eigenthümliche praktiſch-encyklopädiſche Rich- tung aus. Betrachtet man aber den Sinn, in welchem dieſe Schriften verfaßt, und die Mittel, welche dafür angewendet ſind, ſo erſcheint Ap- pulejus als Repräſentant einer Zeit, in welcher alle Elemente der eigentlichen nationalen Exiſtenz in der Zerſetzung begriffen waren, in welcher man im Ueberfluß einer raffinirten Ueberbildung von allen Seiten her das verſchiedenartigſte zuſammentrug und vermiſchte, um die Ueberſättigung zu reizen und zu täuſchen und namentlich um der ausgelebten heidniſchen Religion dem ſiegreichen Chriſtenthum gegen- über neue Kraft zu geben“105). Wird ſich auch die letzte Beziehung kaum als nothwendig ergeben, wenn die ganze Richtung der geiſtigen
105)O. Jahn, Ueber römiſche Encyklopädiſten. in: Berichte über die Ver- handl. d. K. Sächſ. Geſellſch. d. Wiſſ. Philol. hiſt. Kl. 2. Bd. 1850. S. 263.
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achte Buch mit den Worten: „Ich will nun zu den übrigen Thieren
weitergehen. Der Elefant iſt das größte und durch ſeine Fähigkeiten dem
Menſchen am nächſten ſtehende Thier“. Nun führt zwar dies Buch die
Aufſchrift: von der Natur der Landthiere, ebenſo wie im neunten, zehn
ten und elften Buche die Waſſerthiere, Vögel und Inſecten eingeführt
werden. Es lagen aber Gedanken, die Thiere etwa nach der Art des Me-
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ken ſind ihm nur Abtheilungen, in welchen er das für ſeine Erzählungen
zuſammengebrachte Material bequem abhandeln konnte. Ein Zuſam-
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als bei Plinius der von Ariſtoteles ſo ſcharf feſtgehaltene Unterſchied
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Ueberhaupt iſt es unrichtig, Plinius als Zoologen aufzufaſſen.
Er war Encyklopädiſt, wie hundert Jahre ſpäter Appulejus. Nur
ſtanden letzterem mehr eigene Beobachtungen und demzufolge bei ſeinen
zoologiſchen Arbeiten mehr Kritik zu Gebote. Nach Abzug dieſes wich-
tigen Unterſchiedes gilt das über Appulejus gefällte Urtheil auch für
Plinius, wenn man ſagt:„In jedem Falle ſpricht ſich in dieſer ſchrift-
ſtelleriſchen Thätigkeit die eigenthümliche praktiſch-encyklopädiſche Rich-
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verfaßt, und die Mittel, welche dafür angewendet ſind, ſo erſcheint Ap-
pulejus als Repräſentant einer Zeit, in welcher alle Elemente der
eigentlichen nationalen Exiſtenz in der Zerſetzung begriffen waren, in
welcher man im Ueberfluß einer raffinirten Ueberbildung von allen
Seiten her das verſchiedenartigſte zuſammentrug und vermiſchte, um
die Ueberſättigung zu reizen und zu täuſchen und namentlich um der
ausgelebten heidniſchen Religion dem ſiegreichen Chriſtenthum gegen-
über neue Kraft zu geben“ 105). Wird ſich auch die letzte Beziehung
kaum als nothwendig ergeben, wenn die ganze Richtung der geiſtigen
105) O. Jahn, Ueber römiſche Encyklopädiſten. in: Berichte über die Ver-
handl. d. K. Sächſ. Geſellſch. d. Wiſſ. Philol. hiſt. Kl. 2. Bd. 1850. S. 263.
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Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/98>, abgerufen am 16.07.2024.
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