Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.Anthropologie. in selbständiger Weise ihr Leben entfaltete. Man handelte daher voneiner ganzen Gruppe von Lebenserscheinungen des Menschen, ohne sich darüber Rechenschaft zu geben, in wie weit diese Leistungen aus der Form und dem Bau der organischen Grundlage Erklärung gewinnen können. In weiterer Folge hiervon wurde der Mensch aus dem Sy- stem der Thiere wieder ausgeschlossen. Es war Blumenbach's Verdienst, nicht bloß Linne's systematischer Auffassung wieder gefolgt zu sein, son- dern zuerst eine wirkliche Naturgeschichte des Menschen vorbereitet zu haben. Er stellte wie erwähnt den Menschen wieder in die Säugethier- reihe und zwar als Ordnung; hierin folgten ihm Cuvier, Dumeril, Illiger, Duges; eine Unterordnung bildeten aus dem Menschen Bonaparte und J. B. Fischer, während J. E. Gray (1825 in seinem ersten Systeme) und J. Godman (1826) gewissermaßen die Linneischen Gattungen Homo, Simia, Lemur zu Familien erweiterten. Isid. Geoffroy-St. Hilaire, welcher 1837 ausdrücklich darauf hingewiesen hat, welche Hülfe das Studium des Menschen aus dem der Hausthiere erhalten könne, gründet aufs Neue ein Naturreich für ihn und macht dadurch methodisch ihn zwar zu einem Gegenstande der Na- turforschung im Allgemeinen, aber nicht mehr der Zoologie. Es ver- dankt aber die Anthropologie wichtige Förderung der streng naturhisto- rischen Methode. Einmal ist es die systematische Stellung des Menschen und die Beurtheilung des systematischen Werthes seiner einzelnen Formen, dann die Geschichte des Menschen als Naturproduct, welche zu unter- suchen waren. Zur Beantwortung beider Aufgaben wurde in der vor- liegenden Periode theils der Grund gelegt, theils wichtiges Material gesammelt. In erster Beziehung gaben James Cowles Prichard (1786-1848) und Jan van der Hoeven Gesammtübersichten der Resultate naturwissenschaftlicher Untersuchungen über den Menschen, wie auch durch ihre Arbeiten der Ausdruck Naturgeschichte des Men- schen Verbreitung und Annahme fand. Ihnen folgten Josiah C. Nott, George R. Gliddon, Sam. Geo. Morton (1799-1851) und Charles Pickering, während Rob. Gordon Latham, Graf A. von Gobineau und Aug. Friedr. Pott die Verschiedenheiten der Rassen sprachlich untersuchten. Es fand bei diesen allgemeinen Arbeiten auch Anthropologie. in ſelbſtändiger Weiſe ihr Leben entfaltete. Man handelte daher voneiner ganzen Gruppe von Lebenserſcheinungen des Menſchen, ohne ſich darüber Rechenſchaft zu geben, in wie weit dieſe Leiſtungen aus der Form und dem Bau der organiſchen Grundlage Erklärung gewinnen können. In weiterer Folge hiervon wurde der Menſch aus dem Sy- ſtem der Thiere wieder ausgeſchloſſen. Es war Blumenbach's Verdienſt, nicht bloß Linné's ſyſtematiſcher Auffaſſung wieder gefolgt zu ſein, ſon- dern zuerſt eine wirkliche Naturgeſchichte des Menſchen vorbereitet zu haben. Er ſtellte wie erwähnt den Menſchen wieder in die Säugethier- reihe und zwar als Ordnung; hierin folgten ihm Cuvier, Duméril, Illiger, Dugès; eine Unterordnung bildeten aus dem Menſchen Bonaparte und J. B. Fiſcher, während J. E. Gray (1825 in ſeinem erſten Syſteme) und J. Godman (1826) gewiſſermaßen die Linnéiſchen Gattungen Homo, Simia, Lemur zu Familien erweiterten. Iſid. Geoffroy-St. Hilaire, welcher 1837 ausdrücklich darauf hingewieſen hat, welche Hülfe das Studium des Menſchen aus dem der Hausthiere erhalten könne, gründet aufs Neue ein Naturreich für ihn und macht dadurch methodiſch ihn zwar zu einem Gegenſtande der Na- turforſchung im Allgemeinen, aber nicht mehr der Zoologie. Es ver- dankt aber die Anthropologie wichtige Förderung der ſtreng naturhiſto- riſchen Methode. Einmal iſt es die ſyſtematiſche Stellung des Menſchen und die Beurtheilung des ſyſtematiſchen Werthes ſeiner einzelnen Formen, dann die Geſchichte des Menſchen als Naturproduct, welche zu unter- ſuchen waren. Zur Beantwortung beider Aufgaben wurde in der vor- liegenden Periode theils der Grund gelegt, theils wichtiges Material geſammelt. In erſter Beziehung gaben James Cowles Prichard (1786-1848) und Jan van der Hoeven Geſammtüberſichten der Reſultate naturwiſſenſchaftlicher Unterſuchungen über den Menſchen, wie auch durch ihre Arbeiten der Ausdruck Naturgeſchichte des Men- ſchen Verbreitung und Annahme fand. Ihnen folgten Joſiah C. Nott, George R. Gliddon, Sam. Geo. Morton (1799-1851) und Charles Pickering, während Rob. Gordon Latham, Graf A. von Gobineau und Aug. Friedr. Pott die Verſchiedenheiten der Raſſen ſprachlich unterſuchten. 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Anthropologie.
in ſelbſtändiger Weiſe ihr Leben entfaltete. Man handelte daher von
einer ganzen Gruppe von Lebenserſcheinungen des Menſchen, ohne ſich
darüber Rechenſchaft zu geben, in wie weit dieſe Leiſtungen aus der
Form und dem Bau der organiſchen Grundlage Erklärung gewinnen
können. In weiterer Folge hiervon wurde der Menſch aus dem Sy-
ſtem der Thiere wieder ausgeſchloſſen. Es war Blumenbach's Verdienſt,
nicht bloß Linné's ſyſtematiſcher Auffaſſung wieder gefolgt zu ſein, ſon-
dern zuerſt eine wirkliche Naturgeſchichte des Menſchen vorbereitet zu
haben. Er ſtellte wie erwähnt den Menſchen wieder in die Säugethier-
reihe und zwar als Ordnung; hierin folgten ihm Cuvier, Duméril,
Illiger, Dugès; eine Unterordnung bildeten aus dem Menſchen
Bonaparte und J. B. Fiſcher, während J. E. Gray (1825 in
ſeinem erſten Syſteme) und J. Godman (1826) gewiſſermaßen die
Linnéiſchen Gattungen Homo, Simia, Lemur zu Familien erweiterten.
Iſid. Geoffroy-St. Hilaire, welcher 1837 ausdrücklich darauf
hingewieſen hat, welche Hülfe das Studium des Menſchen aus dem der
Hausthiere erhalten könne, gründet aufs Neue ein Naturreich für ihn
und macht dadurch methodiſch ihn zwar zu einem Gegenſtande der Na-
turforſchung im Allgemeinen, aber nicht mehr der Zoologie. Es ver-
dankt aber die Anthropologie wichtige Förderung der ſtreng naturhiſto-
riſchen Methode. Einmal iſt es die ſyſtematiſche Stellung des Menſchen
und die Beurtheilung des ſyſtematiſchen Werthes ſeiner einzelnen Formen,
dann die Geſchichte des Menſchen als Naturproduct, welche zu unter-
ſuchen waren. Zur Beantwortung beider Aufgaben wurde in der vor-
liegenden Periode theils der Grund gelegt, theils wichtiges Material
geſammelt. In erſter Beziehung gaben James Cowles Prichard
(1786-1848) und Jan van der Hoeven Geſammtüberſichten der
Reſultate naturwiſſenſchaftlicher Unterſuchungen über den Menſchen,
wie auch durch ihre Arbeiten der Ausdruck Naturgeſchichte des Men-
ſchen Verbreitung und Annahme fand. Ihnen folgten Joſiah C. Nott,
George R. Gliddon, Sam. Geo. Morton (1799-1851) und
Charles Pickering, während Rob. Gordon Latham, Graf A. von
Gobineau und Aug. Friedr. Pott die Verſchiedenheiten der Raſſen
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