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Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.

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Periode der Morphologie.
führen, freilich nicht in der angegebenen Weise, aber nicht ohne Klärung
einzelner Punkte. Eine umfassende Schilderung begann Waterhouse,
gab indeß nur die der Beutelthiere und Nager heraus. Zahlreich sind
die ferneren Leistungen zur Förderung der Kenntniß einzelner Ordnun-
gen. Die Edentaten bearbeitete Wilh. Rapp anatomisch, während
Blainville und Owen durch Untersuchung fossiler Formen die rich-
tige Auffassung der Ordnung förderte. Nachdem Cuvier, von Baer,
Mayer, Duvernoy, Rapp einzelne Punkte aus der Anatomie der Ce-
taceen erläutert hatten, gab Eschricht eine Reihe werthvoller Unter-
suchungen über die Ordnung. Für die Hufthiere wurde Owen's
Ausführung der Cuvier'schen Idee, die Pachydermen nach der Zahl der
Zehen einzutheilen, von grundlegender Wichtigkeit. Besonders gelang
es ihm, die schon 1795 von Cuvier angedeutete Beziehung der Schweine
zu den[ ]Wiederkäuern durch eingehende Vergleichung der von Cuvier und
ihm selbst geschilderten fossilen Formen nachzuweisen. Die Kenntniß
der Nager förderte vorzüglich J. Fr. Brandt, die der Quadrumanen
Et. (von 1796 an) und Isid. Geoffroy Saint-Hilaire und in
Bezug auf ihre Anatomie Owen, van der Hoeven, Schroeder
van der Kolk
und Will. Vrolik, welche durch verschiedene Mono-
graphien das Verständniß der Anatomie der Säuger überhaupt erweitert
haben. Faunistisch sind auch hier besonders Audubon und Gould
zu nennen, denen Andr. Smith, F. Sp. Baird, J. Fr. Brandt,
Joh. Heinr. Blasius (1809-18) und Alex. Graf von Keyserling
anzureihen sind. Die geographische Verbreitung der Säugethiere bear-
beitete Jul. Minding und besonders J. A. Wagner. Für die Ge-
schichte der Säugethiere war es endlich von größter Bedeutung, daß die
ältesten Formen der Classe als Beutelthiere erkannt wurden, eine That-
sache, welche nach der Entdeckung von Will. Buckland (1784-1856)
im Jahre 1823 von Cuvier und Owen bestätigt wurde.

Mensch. Der Hinweis auf die nächstliegende Aufgabe der An-
thropologie, den Menschen naturhistorisch zu erfassen, welchen Linne
durch Einordnung desselben als Gattung in die Ordnung der Primaten
gegeben hatte, gieng bald verloren. Die Philosophie bedurfte einer
spirituellen Seele, welche wenn nicht ganz unabhängig vom Körper doch

Periode der Morphologie.
führen, freilich nicht in der angegebenen Weiſe, aber nicht ohne Klärung
einzelner Punkte. Eine umfaſſende Schilderung begann Waterhouſe,
gab indeß nur die der Beutelthiere und Nager heraus. Zahlreich ſind
die ferneren Leiſtungen zur Förderung der Kenntniß einzelner Ordnun-
gen. Die Edentaten bearbeitete Wilh. Rapp anatomiſch, während
Blainville und Owen durch Unterſuchung foſſiler Formen die rich-
tige Auffaſſung der Ordnung förderte. Nachdem Cuvier, von Baer,
Mayer, Duvernoy, Rapp einzelne Punkte aus der Anatomie der Ce-
taceen erläutert hatten, gab Eſchricht eine Reihe werthvoller Unter-
ſuchungen über die Ordnung. Für die Hufthiere wurde Owen's
Ausführung der Cuvier'ſchen Idee, die Pachydermen nach der Zahl der
Zehen einzutheilen, von grundlegender Wichtigkeit. Beſonders gelang
es ihm, die ſchon 1795 von Cuvier angedeutete Beziehung der Schweine
zu den[ ]Wiederkäuern durch eingehende Vergleichung der von Cuvier und
ihm ſelbſt geſchilderten foſſilen Formen nachzuweiſen. Die Kenntniß
der Nager förderte vorzüglich J. Fr. Brandt, die der Quadrumanen
Et. (von 1796 an) und Iſid. Geoffroy Saint-Hilaire und in
Bezug auf ihre Anatomie Owen, van der Hoeven, Schroeder
van der Kolk
und Will. Vrolik, welche durch verſchiedene Mono-
graphien das Verſtändniß der Anatomie der Säuger überhaupt erweitert
haben. Fauniſtiſch ſind auch hier beſonders Audubon und Gould
zu nennen, denen Andr. Smith, F. Sp. Baird, J. Fr. Brandt,
Joh. Heinr. Blaſius (1809-18) und Alex. Graf von Keyſerling
anzureihen ſind. Die geographiſche Verbreitung der Säugethiere bear-
beitete Jul. Minding und beſonders J. A. Wagner. Für die Ge-
ſchichte der Säugethiere war es endlich von größter Bedeutung, daß die
älteſten Formen der Claſſe als Beutelthiere erkannt wurden, eine That-
ſache, welche nach der Entdeckung von Will. Buckland (1784-1856)
im Jahre 1823 von Cuvier und Owen beſtätigt wurde.

Menſch. Der Hinweis auf die nächſtliegende Aufgabe der An-
thropologie, den Menſchen naturhiſtoriſch zu erfaſſen, welchen Linné
durch Einordnung deſſelben als Gattung in die Ordnung der Primaten
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[714/0725] Periode der Morphologie. führen, freilich nicht in der angegebenen Weiſe, aber nicht ohne Klärung einzelner Punkte. Eine umfaſſende Schilderung begann Waterhouſe, gab indeß nur die der Beutelthiere und Nager heraus. Zahlreich ſind die ferneren Leiſtungen zur Förderung der Kenntniß einzelner Ordnun- gen. Die Edentaten bearbeitete Wilh. Rapp anatomiſch, während Blainville und Owen durch Unterſuchung foſſiler Formen die rich- tige Auffaſſung der Ordnung förderte. Nachdem Cuvier, von Baer, Mayer, Duvernoy, Rapp einzelne Punkte aus der Anatomie der Ce- taceen erläutert hatten, gab Eſchricht eine Reihe werthvoller Unter- ſuchungen über die Ordnung. Für die Hufthiere wurde Owen's Ausführung der Cuvier'ſchen Idee, die Pachydermen nach der Zahl der Zehen einzutheilen, von grundlegender Wichtigkeit. Beſonders gelang es ihm, die ſchon 1795 von Cuvier angedeutete Beziehung der Schweine zu den Wiederkäuern durch eingehende Vergleichung der von Cuvier und ihm ſelbſt geſchilderten foſſilen Formen nachzuweiſen. Die Kenntniß der Nager förderte vorzüglich J. Fr. Brandt, die der Quadrumanen Et. (von 1796 an) und Iſid. Geoffroy Saint-Hilaire und in Bezug auf ihre Anatomie Owen, van der Hoeven, Schroeder van der Kolk und Will. Vrolik, welche durch verſchiedene Mono- graphien das Verſtändniß der Anatomie der Säuger überhaupt erweitert haben. Fauniſtiſch ſind auch hier beſonders Audubon und Gould zu nennen, denen Andr. Smith, F. Sp. Baird, J. Fr. Brandt, Joh. Heinr. Blaſius (1809-18) und Alex. Graf von Keyſerling anzureihen ſind. Die geographiſche Verbreitung der Säugethiere bear- beitete Jul. Minding und beſonders J. A. Wagner. Für die Ge- ſchichte der Säugethiere war es endlich von größter Bedeutung, daß die älteſten Formen der Claſſe als Beutelthiere erkannt wurden, eine That- ſache, welche nach der Entdeckung von Will. Buckland (1784-1856) im Jahre 1823 von Cuvier und Owen beſtätigt wurde. Menſch. Der Hinweis auf die nächſtliegende Aufgabe der An- thropologie, den Menſchen naturhiſtoriſch zu erfaſſen, welchen Linné durch Einordnung deſſelben als Gattung in die Ordnung der Primaten gegeben hatte, gieng bald verloren. Die Philoſophie bedurfte einer ſpirituellen Seele, welche wenn nicht ganz unabhängig vom Körper doch

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Zitationshilfe: Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 714. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/725>, abgerufen am 22.11.2024.