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Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.

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Periode der Morphologie.
sicht in das Wesen des Infusorienbaues ihm zu danken, wie er gleich-
falls zuerst die Bewegungsorgane der Infusorien als Eintheilungsgrund
anwendete. Gegen die Ehrenberg'schen Deutungen traten in Deutsch-
land
zuerst Gust. Wold. Focke und Meyen, in England Rymer
Jones
und Edw. Forbes auf. Meyen äußerte zuerst (1839), daß
die Infusorien in der Hauptsache den Pflanzenzellen ähnlich erschienen,
eine Ansicht, welche später von von Siebold zur Lehre von der Ein-
zelligkeit der Protozoen erweitert wurde. Der leitende Gedanke war
dabei, daß, wie die Entwickelung der höheren Thiere von einzelnen
Zellen ausgieng, so auch das Thierreich mit Formen begänne, welche
einzelne Zellen darstellten. Die im Innern des Infusorienkörpers auf-
tretenden Differenzirungen und die allerdings noch nicht zum völligen
Abschluß bekannten Entwickelungserscheinungen widersprechen indessen
dieser Anschauung. Die eingehendsten Untersuchungen über den Bau
und besonders über die Entwickelung der Infusorien verdankt die Wissen-
schaft in den letzten Jahren Friedr. Stein (geb. 1818), welcher auch
in einem noch nicht abgeschlossenen Werke die ganze Gruppe systematisch
durchzuarbeiten begonnen hat. Ebenso haben zwei ausgezeichnete Schü-
ler Joh. Müller's, Friedr. Joh. Lachmann (geb. 1832, gest. 1861)
und I. Louis Rene Ant. Ed. Claparede (geb. 1832, gest. 1871)
die Kenntniß der Infusorien wesentlich fördern helfen. -- Aber nicht
bloß die Ansichten Ehrenberg's über den Bau der Infusorien konnten
sich nicht halten; auch die Ausdehnung und Begrenzung der Gruppe
wurde umgestaltet. Die Räderthiere entfernte bereits 1832 Arend
Friedr. Aug. Wiegmann
(1800-1841) von den Protozoen und
brachte sie zu den Würmern (in seinem Handbuche), eine Stellung,
welche ihnen auch von Siebold, Rymer Jones und R. Leuckart gaben;
Milne Edwards machte 1836 (in der zweiten Auflage des Lamarck)
auf ihre Verwandtschaft mit den Gliederthieren aufmerksam, eine Be-
ziehung, welcher Burmeister 1837 durch ihre Einordnung in die Classe
der Crustaceen praktische Ausführung gab und welche 1855 noch Franz
Leydig
durch eingehende Untersuchungen bestätigte. Nachdem ferner
1840 Thuret, 1843 F. Unger das Vorkommen beweglicher Pflanzenzellen
und freier Schwärmsporen erwiesen hatten, mußten fast sämmtliche

Periode der Morphologie.
ſicht in das Weſen des Infuſorienbaues ihm zu danken, wie er gleich-
falls zuerſt die Bewegungsorgane der Infuſorien als Eintheilungsgrund
anwendete. Gegen die Ehrenberg'ſchen Deutungen traten in Deutſch-
land
zuerſt Guſt. Wold. Focke und Meyen, in England Rymer
Jones
und Edw. Forbes auf. Meyen äußerte zuerſt (1839), daß
die Infuſorien in der Hauptſache den Pflanzenzellen ähnlich erſchienen,
eine Anſicht, welche ſpäter von von Siebold zur Lehre von der Ein-
zelligkeit der Protozoen erweitert wurde. Der leitende Gedanke war
dabei, daß, wie die Entwickelung der höheren Thiere von einzelnen
Zellen ausgieng, ſo auch das Thierreich mit Formen begänne, welche
einzelne Zellen darſtellten. Die im Innern des Infuſorienkörpers auf-
tretenden Differenzirungen und die allerdings noch nicht zum völligen
Abſchluß bekannten Entwickelungserſcheinungen widerſprechen indeſſen
dieſer Anſchauung. Die eingehendſten Unterſuchungen über den Bau
und beſonders über die Entwickelung der Infuſorien verdankt die Wiſſen-
ſchaft in den letzten Jahren Friedr. Stein (geb. 1818), welcher auch
in einem noch nicht abgeſchloſſenen Werke die ganze Gruppe ſyſtematiſch
durchzuarbeiten begonnen hat. Ebenſo haben zwei ausgezeichnete Schü-
ler Joh. Müller's, Friedr. Joh. Lachmann (geb. 1832, geſt. 1861)
und I. Louis René Ant. Ed. Claparède (geb. 1832, geſt. 1871)
die Kenntniß der Infuſorien weſentlich fördern helfen. — Aber nicht
bloß die Anſichten Ehrenberg's über den Bau der Infuſorien konnten
ſich nicht halten; auch die Ausdehnung und Begrenzung der Gruppe
wurde umgeſtaltet. Die Räderthiere entfernte bereits 1832 Arend
Friedr. Aug. Wiegmann
(1800-1841) von den Protozoen und
brachte ſie zu den Würmern (in ſeinem Handbuche), eine Stellung,
welche ihnen auch von Siebold, Rymer Jones und R. Leuckart gaben;
Milne Edwards machte 1836 (in der zweiten Auflage des Lamarck)
auf ihre Verwandtſchaft mit den Gliederthieren aufmerkſam, eine Be-
ziehung, welcher Burmeiſter 1837 durch ihre Einordnung in die Claſſe
der Cruſtaceen praktiſche Ausführung gab und welche 1855 noch Franz
Leydig
durch eingehende Unterſuchungen beſtätigte. Nachdem ferner
1840 Thuret, 1843 F. Unger das Vorkommen beweglicher Pflanzenzellen
und freier Schwärmſporen erwieſen hatten, mußten faſt ſämmtliche

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[682/0693] Periode der Morphologie. ſicht in das Weſen des Infuſorienbaues ihm zu danken, wie er gleich- falls zuerſt die Bewegungsorgane der Infuſorien als Eintheilungsgrund anwendete. Gegen die Ehrenberg'ſchen Deutungen traten in Deutſch- land zuerſt Guſt. Wold. Focke und Meyen, in England Rymer Jones und Edw. Forbes auf. Meyen äußerte zuerſt (1839), daß die Infuſorien in der Hauptſache den Pflanzenzellen ähnlich erſchienen, eine Anſicht, welche ſpäter von von Siebold zur Lehre von der Ein- zelligkeit der Protozoen erweitert wurde. Der leitende Gedanke war dabei, daß, wie die Entwickelung der höheren Thiere von einzelnen Zellen ausgieng, ſo auch das Thierreich mit Formen begänne, welche einzelne Zellen darſtellten. Die im Innern des Infuſorienkörpers auf- tretenden Differenzirungen und die allerdings noch nicht zum völligen Abſchluß bekannten Entwickelungserſcheinungen widerſprechen indeſſen dieſer Anſchauung. Die eingehendſten Unterſuchungen über den Bau und beſonders über die Entwickelung der Infuſorien verdankt die Wiſſen- ſchaft in den letzten Jahren Friedr. Stein (geb. 1818), welcher auch in einem noch nicht abgeſchloſſenen Werke die ganze Gruppe ſyſtematiſch durchzuarbeiten begonnen hat. Ebenſo haben zwei ausgezeichnete Schü- ler Joh. Müller's, Friedr. Joh. Lachmann (geb. 1832, geſt. 1861) und I. Louis René Ant. Ed. Claparède (geb. 1832, geſt. 1871) die Kenntniß der Infuſorien weſentlich fördern helfen. — Aber nicht bloß die Anſichten Ehrenberg's über den Bau der Infuſorien konnten ſich nicht halten; auch die Ausdehnung und Begrenzung der Gruppe wurde umgeſtaltet. Die Räderthiere entfernte bereits 1832 Arend Friedr. Aug. Wiegmann (1800-1841) von den Protozoen und brachte ſie zu den Würmern (in ſeinem Handbuche), eine Stellung, welche ihnen auch von Siebold, Rymer Jones und R. Leuckart gaben; Milne Edwards machte 1836 (in der zweiten Auflage des Lamarck) auf ihre Verwandtſchaft mit den Gliederthieren aufmerkſam, eine Be- ziehung, welcher Burmeiſter 1837 durch ihre Einordnung in die Claſſe der Cruſtaceen praktiſche Ausführung gab und welche 1855 noch Franz Leydig durch eingehende Unterſuchungen beſtätigte. Nachdem ferner 1840 Thuret, 1843 F. Unger das Vorkommen beweglicher Pflanzenzellen und freier Schwärmſporen erwieſen hatten, mußten faſt ſämmtliche

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Zitationshilfe: Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 682. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/693>, abgerufen am 25.11.2024.