Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.von 1810 an in Dorpat, wo er Burdach's Zuhörer war, wurde 1814 daselbst Doctor, gieng darauf nach Wien und 1815 nach Würzburg, um bei Döllinger vergleichende Anatomie zu treiben. An letzterem Orte war er noch Zeuge der von Pander begonnenen Untersuchungen über die Entwickelung des Hühnchens. Nachdem er den Winter 1816 zu 1817 in Berlin zugebracht hatte, trat er im Sommer 1817 die Stelle als Prosector an der unter Burdach's Leitung neu gegründeten anato- mischen Anstalt in Königsberg an, wurde daselbst 1819 außerordent- licher und 1822 ordentlicher Professor der Naturgeschichte, besonders der Zoologie26) an Stelle Schweigger's. Nach einem vorübergehenden Aufenthalte in Petersburg im 1830 siedelte von Baer 1834 ganz dahin über, wo er Mitglied der Akademie der Wissenschaften geworden war. Jetzt genießt er nach einer äußerst erfolgreichen Thätigkeit auf dem Ge- biete der Evolutionslehre die Ruhe des durch keine schweren Involu- tionszustände getrübten Alters an dem Orte seines einstigen wissen- schaftlichen Ausgangs, in Dorpat. Pander hatte in Umrissen gezeigt, wie die Körperform des Hühnchens sich allmählich aus der platten Keimscheibe entwickelt und wie die Spaltung derselben in die drei Blät- ter der erste einleitende Schritt hierzu ist. von Baer dehnte die embryologischen Untersuchungen nicht bloß auf die übrigen Wirbel- thierclassen aus, sondern wies auch sofort, das Gesetzmäßige des Ent- wickelungsvorgangs überhaupt betonend, auf die mehrfachen Sonderun- gen hin, welche am Keime auftreten. Die Spaltung des Keimes in Blätter als primäre Sonderung bezeichnend erfaßte er die genetische Bedeutung des Materials nach den beiden Richtungen hin, welche in den folgenden Jahren so fruchtbar an Resultaten wurden, indem er neben der morphologischen Sonderung auch auf die histiologische Son- derung in den Embryonalanlagen aufmerksam machte. In Bezug auf die erstere ist es von besonderer Wichtigkeit, daß von Baer zeigte, wie 26) Von den unter seiner Anregung ausgeführten Arbeiten sei hier erwähnt:
Leo, Anatomie des Regenwurms, 1820, Reuter, Säugethier- und Vogelzunge, 1820, Richter, zur Anatomie des Kamels, 1824, Koch, Maulwurfsauge, 1828, Neumann, Eileiter der Muscheln, 1827, Berlack, Schwimmblase der Fische, 1834, Burow, Blutgefäße der Frösche, 1834, u. A. von 1810 an in Dorpat, wo er Burdach's Zuhörer war, wurde 1814 daſelbſt Doctor, gieng darauf nach Wien und 1815 nach Würzburg, um bei Döllinger vergleichende Anatomie zu treiben. An letzterem Orte war er noch Zeuge der von Pander begonnenen Unterſuchungen über die Entwickelung des Hühnchens. Nachdem er den Winter 1816 zu 1817 in Berlin zugebracht hatte, trat er im Sommer 1817 die Stelle als Proſector an der unter Burdach's Leitung neu gegründeten anato- miſchen Anſtalt in Königsberg an, wurde daſelbſt 1819 außerordent- licher und 1822 ordentlicher Profeſſor der Naturgeſchichte, beſonders der Zoologie26) an Stelle Schweigger's. Nach einem vorübergehenden Aufenthalte in Petersburg im 1830 ſiedelte von Baer 1834 ganz dahin über, wo er Mitglied der Akademie der Wiſſenſchaften geworden war. Jetzt genießt er nach einer äußerſt erfolgreichen Thätigkeit auf dem Ge- biete der Evolutionslehre die Ruhe des durch keine ſchweren Involu- tionszuſtände getrübten Alters an dem Orte ſeines einſtigen wiſſen- ſchaftlichen Ausgangs, in Dorpat. Pander hatte in Umriſſen gezeigt, wie die Körperform des Hühnchens ſich allmählich aus der platten Keimſcheibe entwickelt und wie die Spaltung derſelben in die drei Blät- ter der erſte einleitende Schritt hierzu iſt. von Baer dehnte die embryologiſchen Unterſuchungen nicht bloß auf die übrigen Wirbel- thierclaſſen aus, ſondern wies auch ſofort, das Geſetzmäßige des Ent- wickelungsvorgangs überhaupt betonend, auf die mehrfachen Sonderun- gen hin, welche am Keime auftreten. Die Spaltung des Keimes in Blätter als primäre Sonderung bezeichnend erfaßte er die genetiſche Bedeutung des Materials nach den beiden Richtungen hin, welche in den folgenden Jahren ſo fruchtbar an Reſultaten wurden, indem er neben der morphologiſchen Sonderung auch auf die hiſtiologiſche Son- derung in den Embryonalanlagen aufmerkſam machte. In Bezug auf die erſtere iſt es von beſonderer Wichtigkeit, daß von Baer zeigte, wie 26) Von den unter ſeiner Anregung ausgeführten Arbeiten ſei hier erwähnt:
Leo, Anatomie des Regenwurms, 1820, Reuter, Säugethier- und Vogelzunge, 1820, Richter, zur Anatomie des Kamels, 1824, Koch, Maulwurfsauge, 1828, Neumann, Eileiter der Muſcheln, 1827, Berlack, Schwimmblaſe der Fiſche, 1834, Burow, Blutgefäße der Fröſche, 1834, u. A. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0634" n="623"/><fw place="top" type="header"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/116021985">Pander</persName>. <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118505831">v. Baer</persName>.</fw><lb/> von 1810 an in Dorpat, wo er <persName ref="http://d-nb.info/gnd/119498170">Burdach</persName>'s Zuhörer war, wurde 1814<lb/> daſelbſt Doctor, gieng darauf nach Wien und 1815 nach Würzburg,<lb/> um bei <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118680048">Döllinger</persName> vergleichende Anatomie zu treiben. An letzterem Orte<lb/> war er noch Zeuge der von <persName ref="http://d-nb.info/gnd/116021985">Pander</persName> begonnenen Unterſuchungen über<lb/> die Entwickelung des Hühnchens. Nachdem er den Winter 1816 zu<lb/> 1817 in Berlin zugebracht hatte, trat er im Sommer 1817 die Stelle<lb/> als Proſector an der unter <persName ref="http://d-nb.info/gnd/119498170">Burdach</persName>'s Leitung neu gegründeten anato-<lb/> miſchen Anſtalt in Königsberg an, wurde daſelbſt 1819 außerordent-<lb/> licher und 1822 ordentlicher Profeſſor der Naturgeſchichte, beſonders<lb/> der Zoologie<note place="foot" n="26)">Von den unter ſeiner Anregung ausgeführten Arbeiten ſei hier erwähnt:<lb/><hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/117640107">Leo</persName></hi>, Anatomie des Regenwurms, 1820, <hi rendition="#g"><persName ref="nognd">Reuter</persName></hi>, Säugethier- und Vogelzunge,<lb/> 1820, <hi rendition="#g"><persName ref="nognd">Richter</persName></hi>, zur Anatomie des Kamels, 1824, <hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/117527505">Koch</persName></hi>, Maulwurfsauge, 1828,<lb/><hi rendition="#g"><persName ref="nognd">Neumann</persName></hi>, Eileiter der Muſcheln, 1827, <hi rendition="#g"><persName ref="nognd">Berlack</persName></hi>, Schwimmblaſe der Fiſche,<lb/> 1834, <hi rendition="#g"><persName ref="nognd">Burow</persName></hi>, Blutgefäße der Fröſche, 1834, u. A.</note> an Stelle <persName ref="http://d-nb.info/gnd/117397601">Schweigger</persName>'s. Nach einem vorübergehenden<lb/> Aufenthalte in Petersburg im 1830 ſiedelte <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118505831">von Baer</persName> 1834 ganz dahin<lb/> über, wo er Mitglied der Akademie der Wiſſenſchaften geworden war.<lb/> Jetzt genießt er nach einer äußerſt erfolgreichen Thätigkeit auf dem Ge-<lb/> biete der Evolutionslehre die Ruhe des durch keine ſchweren Involu-<lb/> tionszuſtände getrübten Alters an dem Orte ſeines einſtigen wiſſen-<lb/> ſchaftlichen Ausgangs, in Dorpat. <persName ref="http://d-nb.info/gnd/116021985">Pander</persName> hatte in Umriſſen gezeigt,<lb/> wie die Körperform des Hühnchens ſich allmählich aus der platten<lb/> Keimſcheibe entwickelt und wie die Spaltung derſelben in die drei Blät-<lb/> ter der erſte einleitende Schritt hierzu iſt. <hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118505831">von Baer</persName></hi> dehnte die<lb/> embryologiſchen Unterſuchungen nicht bloß auf die übrigen Wirbel-<lb/> thierclaſſen aus, ſondern wies auch ſofort, das Geſetzmäßige des Ent-<lb/> wickelungsvorgangs überhaupt betonend, auf die mehrfachen Sonderun-<lb/> gen hin, welche am Keime auftreten. Die Spaltung des Keimes in<lb/> Blätter als primäre Sonderung bezeichnend erfaßte er die genetiſche<lb/> Bedeutung des Materials nach den beiden Richtungen hin, welche in<lb/> den folgenden Jahren ſo fruchtbar an Reſultaten wurden, indem er<lb/> neben der morphologiſchen Sonderung auch auf die hiſtiologiſche Son-<lb/> derung in den Embryonalanlagen aufmerkſam machte. In Bezug auf<lb/> die erſtere iſt es von beſonderer Wichtigkeit, daß <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118505831">von Baer</persName> zeigte, wie<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [623/0634]
Pander. v. Baer.
von 1810 an in Dorpat, wo er Burdach's Zuhörer war, wurde 1814
daſelbſt Doctor, gieng darauf nach Wien und 1815 nach Würzburg,
um bei Döllinger vergleichende Anatomie zu treiben. An letzterem Orte
war er noch Zeuge der von Pander begonnenen Unterſuchungen über
die Entwickelung des Hühnchens. Nachdem er den Winter 1816 zu
1817 in Berlin zugebracht hatte, trat er im Sommer 1817 die Stelle
als Proſector an der unter Burdach's Leitung neu gegründeten anato-
miſchen Anſtalt in Königsberg an, wurde daſelbſt 1819 außerordent-
licher und 1822 ordentlicher Profeſſor der Naturgeſchichte, beſonders
der Zoologie 26) an Stelle Schweigger's. Nach einem vorübergehenden
Aufenthalte in Petersburg im 1830 ſiedelte von Baer 1834 ganz dahin
über, wo er Mitglied der Akademie der Wiſſenſchaften geworden war.
Jetzt genießt er nach einer äußerſt erfolgreichen Thätigkeit auf dem Ge-
biete der Evolutionslehre die Ruhe des durch keine ſchweren Involu-
tionszuſtände getrübten Alters an dem Orte ſeines einſtigen wiſſen-
ſchaftlichen Ausgangs, in Dorpat. Pander hatte in Umriſſen gezeigt,
wie die Körperform des Hühnchens ſich allmählich aus der platten
Keimſcheibe entwickelt und wie die Spaltung derſelben in die drei Blät-
ter der erſte einleitende Schritt hierzu iſt. von Baer dehnte die
embryologiſchen Unterſuchungen nicht bloß auf die übrigen Wirbel-
thierclaſſen aus, ſondern wies auch ſofort, das Geſetzmäßige des Ent-
wickelungsvorgangs überhaupt betonend, auf die mehrfachen Sonderun-
gen hin, welche am Keime auftreten. Die Spaltung des Keimes in
Blätter als primäre Sonderung bezeichnend erfaßte er die genetiſche
Bedeutung des Materials nach den beiden Richtungen hin, welche in
den folgenden Jahren ſo fruchtbar an Reſultaten wurden, indem er
neben der morphologiſchen Sonderung auch auf die hiſtiologiſche Son-
derung in den Embryonalanlagen aufmerkſam machte. In Bezug auf
die erſtere iſt es von beſonderer Wichtigkeit, daß von Baer zeigte, wie
26) Von den unter ſeiner Anregung ausgeführten Arbeiten ſei hier erwähnt:
Leo, Anatomie des Regenwurms, 1820, Reuter, Säugethier- und Vogelzunge,
1820, Richter, zur Anatomie des Kamels, 1824, Koch, Maulwurfsauge, 1828,
Neumann, Eileiter der Muſcheln, 1827, Berlack, Schwimmblaſe der Fiſche,
1834, Burow, Blutgefäße der Fröſche, 1834, u. A.
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