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Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.

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den ganzen Körper durchdringendes System geknüpft ist, wie dann bei
Crustaceen das Blut an bestimmten Stellen der Körperoberfläche in
Athmungsorgane eintritt, bis endlich bei den einfachsten oder den nied-
rigsten Thieren die ganze Haut athmet. Durch diese Art zu vergleichen,
welche man, freilich mit Unrecht, eine besondere Methode genannt hat,
wurde Cuvier auf zwei allgemeine Sätze geführt, welche nicht bloß für
seine eignen Forschungen, sondern für den Fortgang der Wissenschaft
im Allgemeinen von großem Einfluß geworden sind. Wie es an dem
gewählten Beispiele klar wird, stehn nämlich die Modificationen eines
Organs nie vereinzelt, sondern müssen stets von bestimmten Modifica-
tionen anderer Organe begleitet sein. Geht die Athmung in einem be-
sonderen Organe vor, so muß das Blut diesem zugeführt werden: beim
Vorhandensein eines localisirten Respirationsorgans muß also auch ein
irgendwie entwickeltes Gefäßsystem vorhanden sein; fehlt ein solches,
dann fehlen auch localisirte Athmungsorgane, oder, wie bei den Insec-
ten, das Blut braucht dann nicht die Luft aufzusuchen, es muß umge-
kehrt die Luft das Blut suchen16). Die an den einzelnen Organen auf-
tretenden Modificationen stehn daher zu einander in Correlation. "Jeder
Organismus", sagt Cuvier, "bildet ein einiges und geschlossenes Ganze,
in welchem einzelne Theile nicht abändern können, ohne an allen übri-
gen Theilen Aenderungen erscheinen zu lassen". Aus einem einzelnen
Theile kann man daher auf alle übrigen schließen. Dies ist das Gesetz
der Correlation der Theile, welches in Cuvier's Händen besonders bei
der Reconstruction der in einzelnen Bruchstücken bekannt werdenden
fossilen Thiere so außerordentlich fruchtbar geworden ist. Dasselbe
gründet sich auf die nothwendigen Bedingungen der Existenz, ohne
deren Erfüllung das Thier nicht zu leben im Stande wäre. In Folge
der bei Anwendung dieses Gesetzes gebrauchten Ausdrucksweise hat man
in der Auffassung desselben einen teleologischen Erklärungsversuch er-
blickt, indeß mit Unrecht. Denn die Verbindung gewisser Organformen,
z. B. der Zehenkrallen mit carnivorem Gebiß vollzieht sich mit Noth-

16) Dieser so oft citirte Ausspruch findet sich schon in den ersten der beiden in
Anm. 14 angeführten Aufsätze, p. 389: "le sang ne pouvant plus aller chercher
l'air, il a fallu que l'air veint le chercher".

den ganzen Körper durchdringendes Syſtem geknüpft iſt, wie dann bei
Cruſtaceen das Blut an beſtimmten Stellen der Körperoberfläche in
Athmungsorgane eintritt, bis endlich bei den einfachſten oder den nied-
rigſten Thieren die ganze Haut athmet. Durch dieſe Art zu vergleichen,
welche man, freilich mit Unrecht, eine beſondere Methode genannt hat,
wurde Cuvier auf zwei allgemeine Sätze geführt, welche nicht bloß für
ſeine eignen Forſchungen, ſondern für den Fortgang der Wiſſenſchaft
im Allgemeinen von großem Einfluß geworden ſind. Wie es an dem
gewählten Beiſpiele klar wird, ſtehn nämlich die Modificationen eines
Organs nie vereinzelt, ſondern müſſen ſtets von beſtimmten Modifica-
tionen anderer Organe begleitet ſein. Geht die Athmung in einem be-
ſonderen Organe vor, ſo muß das Blut dieſem zugeführt werden: beim
Vorhandenſein eines localiſirten Reſpirationsorgans muß alſo auch ein
irgendwie entwickeltes Gefäßſyſtem vorhanden ſein; fehlt ein ſolches,
dann fehlen auch localiſirte Athmungsorgane, oder, wie bei den Inſec-
ten, das Blut braucht dann nicht die Luft aufzuſuchen, es muß umge-
kehrt die Luft das Blut ſuchen16). Die an den einzelnen Organen auf-
tretenden Modificationen ſtehn daher zu einander in Correlation. „Jeder
Organismus“, ſagt Cuvier, „bildet ein einiges und geſchloſſenes Ganze,
in welchem einzelne Theile nicht abändern können, ohne an allen übri-
gen Theilen Aenderungen erſcheinen zu laſſen“. Aus einem einzelnen
Theile kann man daher auf alle übrigen ſchließen. Dies iſt das Geſetz
der Correlation der Theile, welches in Cuvier's Händen beſonders bei
der Reconſtruction der in einzelnen Bruchſtücken bekannt werdenden
foſſilen Thiere ſo außerordentlich fruchtbar geworden iſt. Daſſelbe
gründet ſich auf die nothwendigen Bedingungen der Exiſtenz, ohne
deren Erfüllung das Thier nicht zu leben im Stande wäre. In Folge
der bei Anwendung dieſes Geſetzes gebrauchten Ausdrucksweiſe hat man
in der Auffaſſung deſſelben einen teleologiſchen Erklärungsverſuch er-
blickt, indeß mit Unrecht. Denn die Verbindung gewiſſer Organformen,
z. B. der Zehenkrallen mit carnivorem Gebiß vollzieht ſich mit Noth-

16) Dieſer ſo oft citirte Ausſpruch findet ſich ſchon in den erſten der beiden in
Anm. 14 angeführten Aufſätze, p. 389: „le sang ne pouvant plus aller chercher
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[601/0612] Georges Cuvier. den ganzen Körper durchdringendes Syſtem geknüpft iſt, wie dann bei Cruſtaceen das Blut an beſtimmten Stellen der Körperoberfläche in Athmungsorgane eintritt, bis endlich bei den einfachſten oder den nied- rigſten Thieren die ganze Haut athmet. Durch dieſe Art zu vergleichen, welche man, freilich mit Unrecht, eine beſondere Methode genannt hat, wurde Cuvier auf zwei allgemeine Sätze geführt, welche nicht bloß für ſeine eignen Forſchungen, ſondern für den Fortgang der Wiſſenſchaft im Allgemeinen von großem Einfluß geworden ſind. Wie es an dem gewählten Beiſpiele klar wird, ſtehn nämlich die Modificationen eines Organs nie vereinzelt, ſondern müſſen ſtets von beſtimmten Modifica- tionen anderer Organe begleitet ſein. Geht die Athmung in einem be- ſonderen Organe vor, ſo muß das Blut dieſem zugeführt werden: beim Vorhandenſein eines localiſirten Reſpirationsorgans muß alſo auch ein irgendwie entwickeltes Gefäßſyſtem vorhanden ſein; fehlt ein ſolches, dann fehlen auch localiſirte Athmungsorgane, oder, wie bei den Inſec- ten, das Blut braucht dann nicht die Luft aufzuſuchen, es muß umge- kehrt die Luft das Blut ſuchen 16). Die an den einzelnen Organen auf- tretenden Modificationen ſtehn daher zu einander in Correlation. „Jeder Organismus“, ſagt Cuvier, „bildet ein einiges und geſchloſſenes Ganze, in welchem einzelne Theile nicht abändern können, ohne an allen übri- gen Theilen Aenderungen erſcheinen zu laſſen“. Aus einem einzelnen Theile kann man daher auf alle übrigen ſchließen. Dies iſt das Geſetz der Correlation der Theile, welches in Cuvier's Händen beſonders bei der Reconſtruction der in einzelnen Bruchſtücken bekannt werdenden foſſilen Thiere ſo außerordentlich fruchtbar geworden iſt. Daſſelbe gründet ſich auf die nothwendigen Bedingungen der Exiſtenz, ohne deren Erfüllung das Thier nicht zu leben im Stande wäre. In Folge der bei Anwendung dieſes Geſetzes gebrauchten Ausdrucksweiſe hat man in der Auffaſſung deſſelben einen teleologiſchen Erklärungsverſuch er- blickt, indeß mit Unrecht. Denn die Verbindung gewiſſer Organformen, z. B. der Zehenkrallen mit carnivorem Gebiß vollzieht ſich mit Noth- 16) Dieſer ſo oft citirte Ausſpruch findet ſich ſchon in den erſten der beiden in Anm. 14 angeführten Aufſätze, p. 389: „le sang ne pouvant plus aller chercher l'air, il a fallu que l'air vînt le chercher“.

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Zitationshilfe: Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 601. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/612>, abgerufen am 22.11.2024.