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Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.

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ist Gotthilf Heinrich Schubert5), welcher nur in seinen Ahn-
dungen einer allgemeinen Geschichte des Lebens und dem Handbuche
der Naturgeschichte sich der Thierwelt in einer theils phantastisch erregten,
theils kindlich frommen Weise nähert, aber weder durch besonderes
Zusammenfassen bekannter noch Nachweisen neuer Thatsachen die Wissen-
schaft gefördert hat. Von einer ungleich gesunderen Grundlage gieng
Karl Friedrich Burdach6) aus, welcher die Erfahrungswissen-
schaft der Physiologie nur in einem von naturphilosophischem Hauche
noch durchwehten idealistischen Lichte betrachtete, aber nicht unwesent-
lich zur Förderung der Kenntniß des Thierlebens beigetragen hat. Sehr
große Verdienste um die vergleichende Anatomie hat sich unter den
strengeren Nachfolgern der Naturphilosophie Karl Gustav Carus7)
erworben, ein Mann von seltener geistiger Begabung, welcher bei einer
reichen Erfahrung die idealen Gesetze der Schönheit und künstlerischen
Vollendung auch auf die Betrachtung der belebten Natur zu übertragen
suchte. Er war eine geistvolle Persönlichkeit, deren frühes an mächtigen
Eindrücken reiches Leben und deren lebendiger, in eigner Ausübung sich
bethätigender Sinn für die Kunst ihr jene weite Weltanschauung ver-
mittelt hatten, die mit innerer harmonischer Ruhe alle auftauchenden
Zweifel einer höheren Wahrheitsquelle zu lösen anheim gibt, die aber
nur zu leicht geneigt ist, das thatsächliche Material zu unterschätzen und
sich mit allgemeinen Abstractionen von meist ästhetischer Färbung zu
beruhigen.

Es ist hier auch der Ort, an Goethe und seine vergleichend-

5) geb. 1780 in Hohnstein in Sachsen, studirte erst Theologie, von 1800 an
Medicin, in Jena unter Schelling Philosophie. 1803 wurde er Arzt in Altenburg,
1805 in Freiberg, 1806 in Dresden, 1809 Director des Realinstituts in Nürnberg.
1816 wurde er Erzieher der Kinder des Erbgroßherzogs von Mecklenburg-Schwerin,
1819 Professor der Naturgeschichte in Erlangen, 1827 in München, wo er, seit 1853
im Ruhestand, 1860 starb.
6) geb. 1776 in Leipzig, 1807 Professor daselbst, 1811 Professor der Anatomie
und Physiologie in Dorpat, seit 1814 in Königsberg, starb 1847.
7) geb. 1789 in Leipzig, 1811 für vergleichende Anatomie daselbst habilitirt;
1814 Professor der Geburtshülfe an der medicinischen Akademie in Dresden, 1827
Leibarzt, und 1869 gestorben.

iſt Gotthilf Heinrich Schubert5), welcher nur in ſeinen Ahn-
dungen einer allgemeinen Geſchichte des Lebens und dem Handbuche
der Naturgeſchichte ſich der Thierwelt in einer theils phantaſtiſch erregten,
theils kindlich frommen Weiſe nähert, aber weder durch beſonderes
Zuſammenfaſſen bekannter noch Nachweiſen neuer Thatſachen die Wiſſen-
ſchaft gefördert hat. Von einer ungleich geſunderen Grundlage gieng
Karl Friedrich Burdach6) aus, welcher die Erfahrungswiſſen-
ſchaft der Phyſiologie nur in einem von naturphiloſophiſchem Hauche
noch durchwehten idealiſtiſchen Lichte betrachtete, aber nicht unweſent-
lich zur Förderung der Kenntniß des Thierlebens beigetragen hat. Sehr
große Verdienſte um die vergleichende Anatomie hat ſich unter den
ſtrengeren Nachfolgern der Naturphiloſophie Karl Guſtav Carus7)
erworben, ein Mann von ſeltener geiſtiger Begabung, welcher bei einer
reichen Erfahrung die idealen Geſetze der Schönheit und künſtleriſchen
Vollendung auch auf die Betrachtung der belebten Natur zu übertragen
ſuchte. Er war eine geiſtvolle Perſönlichkeit, deren frühes an mächtigen
Eindrücken reiches Leben und deren lebendiger, in eigner Ausübung ſich
bethätigender Sinn für die Kunſt ihr jene weite Weltanſchauung ver-
mittelt hatten, die mit innerer harmoniſcher Ruhe alle auftauchenden
Zweifel einer höheren Wahrheitsquelle zu löſen anheim gibt, die aber
nur zu leicht geneigt iſt, das thatſächliche Material zu unterſchätzen und
ſich mit allgemeinen Abſtractionen von meiſt äſthetiſcher Färbung zu
beruhigen.

Es iſt hier auch der Ort, an Goethe und ſeine vergleichend-

5) geb. 1780 in Hohnſtein in Sachſen, ſtudirte erſt Theologie, von 1800 an
Medicin, in Jena unter Schelling Philoſophie. 1803 wurde er Arzt in Altenburg,
1805 in Freiberg, 1806 in Dresden, 1809 Director des Realinſtituts in Nürnberg.
1816 wurde er Erzieher der Kinder des Erbgroßherzogs von Mecklenburg-Schwerin,
1819 Profeſſor der Naturgeſchichte in Erlangen, 1827 in München, wo er, ſeit 1853
im Ruheſtand, 1860 ſtarb.
6) geb. 1776 in Leipzig, 1807 Profeſſor daſelbſt, 1811 Profeſſor der Anatomie
und Phyſiologie in Dorpat, ſeit 1814 in Königsberg, ſtarb 1847.
7) geb. 1789 in Leipzig, 1811 für vergleichende Anatomie daſelbſt habilitirt;
1814 Profeſſor der Geburtshülfe an der mediciniſchen Akademie in Dresden, 1827
Leibarzt, und 1869 geſtorben.
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[589/0600] Schubert, Burdach, Carus. iſt Gotthilf Heinrich Schubert 5), welcher nur in ſeinen Ahn- dungen einer allgemeinen Geſchichte des Lebens und dem Handbuche der Naturgeſchichte ſich der Thierwelt in einer theils phantaſtiſch erregten, theils kindlich frommen Weiſe nähert, aber weder durch beſonderes Zuſammenfaſſen bekannter noch Nachweiſen neuer Thatſachen die Wiſſen- ſchaft gefördert hat. Von einer ungleich geſunderen Grundlage gieng Karl Friedrich Burdach 6) aus, welcher die Erfahrungswiſſen- ſchaft der Phyſiologie nur in einem von naturphiloſophiſchem Hauche noch durchwehten idealiſtiſchen Lichte betrachtete, aber nicht unweſent- lich zur Förderung der Kenntniß des Thierlebens beigetragen hat. Sehr große Verdienſte um die vergleichende Anatomie hat ſich unter den ſtrengeren Nachfolgern der Naturphiloſophie Karl Guſtav Carus 7) erworben, ein Mann von ſeltener geiſtiger Begabung, welcher bei einer reichen Erfahrung die idealen Geſetze der Schönheit und künſtleriſchen Vollendung auch auf die Betrachtung der belebten Natur zu übertragen ſuchte. Er war eine geiſtvolle Perſönlichkeit, deren frühes an mächtigen Eindrücken reiches Leben und deren lebendiger, in eigner Ausübung ſich bethätigender Sinn für die Kunſt ihr jene weite Weltanſchauung ver- mittelt hatten, die mit innerer harmoniſcher Ruhe alle auftauchenden Zweifel einer höheren Wahrheitsquelle zu löſen anheim gibt, die aber nur zu leicht geneigt iſt, das thatſächliche Material zu unterſchätzen und ſich mit allgemeinen Abſtractionen von meiſt äſthetiſcher Färbung zu beruhigen. Es iſt hier auch der Ort, an Goethe und ſeine vergleichend- 5) geb. 1780 in Hohnſtein in Sachſen, ſtudirte erſt Theologie, von 1800 an Medicin, in Jena unter Schelling Philoſophie. 1803 wurde er Arzt in Altenburg, 1805 in Freiberg, 1806 in Dresden, 1809 Director des Realinſtituts in Nürnberg. 1816 wurde er Erzieher der Kinder des Erbgroßherzogs von Mecklenburg-Schwerin, 1819 Profeſſor der Naturgeſchichte in Erlangen, 1827 in München, wo er, ſeit 1853 im Ruheſtand, 1860 ſtarb. 6) geb. 1776 in Leipzig, 1807 Profeſſor daſelbſt, 1811 Profeſſor der Anatomie und Phyſiologie in Dorpat, ſeit 1814 in Königsberg, ſtarb 1847. 7) geb. 1789 in Leipzig, 1811 für vergleichende Anatomie daſelbſt habilitirt; 1814 Profeſſor der Geburtshülfe an der mediciniſchen Akademie in Dresden, 1827 Leibarzt, und 1869 geſtorben.

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Zitationshilfe: Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 589. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/600>, abgerufen am 22.11.2024.